„Ein bisschen Schwund ist immer“ – so gelassen reagiert nicht jeder Arbeitgeber auf Diebstähle seiner Arbeitnehmer. Ein Werkzeug hier, etwas Büromaterial dort – schnell überschreiten die Verluste die Geringfügigkeitsgrenze. Ein Fall machte Schlagzeilen: Zwei Mitarbeiter eines internationalen Automobilherstellers hatten fast zwei Jahre lang Teile aus dem Werk gestohlen und weiterverkauft. Der Schaden: zwei bis drei Mio. Euro. Die Aufklärung solcher Diebstähle ist häufig schwierig. Ein Mittel zur Aufklärung kann eine verdeckte Videoüberwachung am Arbeitsplatz sein. Doch Achtung: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch rechtlich zulässig. In welchen Grenzen ist eine verdeckte Videoüberwachung zulässig? Und welche Auswirkungen kann die Unzulässigkeit einer Videoüberwachung auf die Verwertbarkeit der Erkenntnisse im Kündigungsschutzprozess haben?
Wann ist eine verdeckte Videoüberwachung zulässig?
Nach der Rechtsprechung ist eine verdeckte Videoüberwachung von Arbeitnehmern zulässig, wenn zunächst der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht. Daneben müssen weniger einschneidende Mittel zur Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft und die Videoüberwachung praktisch das einzige Aufklärungsmittel sein. Schließlich darf die Videoüberwachung nicht unverhältnismäßig sein. Hintergrund dieser Restriktion ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. In dieses wird durch eine Videoüberwachung eingegriffen. Davor schützt insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz. Danach ist z.B. eine Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Arbeitsplätze (z.B. Supermarkt) kenntlich zu machen. Doch welcher Arbeitnehmer greift schon ins Regal, wenn er weiß, dass er dabei gefilmt wird? Eine offene Videoüberwachung ist daher vielfach nicht geeignet, den Täter zu überführen. Eine verdeckte Videoüberwachung ist jedoch nur eingeschränkt zulässig.
Hat der Arbeitgeber den „Langfinger“ in seinen Reihen durch eine verdeckte Videoüberwachung überführt, wird er vielfach eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen wollen. Wer allerdings glaubt, mit der Videoaufnahme über den ultimativen Nachweis des Kündigungsgrundes zu verfügen, der irrt: Diese Erkenntnisse sind nicht ohne Weiteres im Kündigungsschutzprozess verwertbar. Selbst eine zulässige verdeckte Videoüberwachung bedeutet nicht automatisch, dass die Videoaufnahme prozessual verwertet werden darf. Nach der Rechtsprechung reicht allein das schlichte Beweisinteresse des Arbeitgebers nicht aus. Die Rechtsprechung fordert hierfür vielmehr eine Notwehrsituation oder notwehrähnliche Lage des Arbeitgebers.
Etwas Licht ins Dunkel hat die Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 21.06.2012 (2 AZR 153/11) gebracht: Darin hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung bestätigt. Gegen ein absolutes Verbot verdeckter Videoaufzeichnungen sprächen die durch das Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit und das Eigentumsgrundrecht des Arbeitgebers.
Keine anlasslose Videoüberwachung
Die verdeckte Videoüberwachung muss sich allerdings gegen einen räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Ist es z.B. zu Kassenfehlbeträgen gekommen, wird man nur den Kassenbereich und nicht den gesamten Verkaufsraum überwachen dürfen. Eine vorbeugende verdeckte Videoüberwachung ohne Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen der Arbeitnehmer greift in besonderem Maße in das allgemein Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ein und kann schon deshalb zur Unzulässigkeit der Videoüberwachung führen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 23.05.2013 – 2 Sa 540/12).
Verhältnismäßigkeit der Videoüberwachung
Eine verdeckte Videoüberwachung muss in jedem Fall verhältnismäßig sein, d.h. sie muss zur Aufklärung geeignet und erforderlich sein und darf nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen. Danach wird etwa eine lückenlose Videoüberwachung zwecks Pünktlichkeitskontrollen nicht zulässig sein. Bei Mitarbeiter-Diebstählen muss der Arbeitgeber prüfen, ob zunächst mildere Mittel (z.B. Kontrollen durch Vorgesetzte, Taschenkontrollen, Einsatz von Detektiven oder offene Videoüberwachung) in Betracht kommt. Eine Überwachung der Sanitärräume scheidet grundsätzlich aus.
Beweisverwertung
Allein ein Verstoß gegen die Pflicht zur Kenntlichmachung der Videoüberwachung führt noch nicht zu einem Verbot der prozessualen Verwertung der daraus gewonnenen Erkenntnisse.
Dies ist jedoch kein Freibrief: Wie der 2. Senat in einer weiteren Entscheidung zu einer heimlichen Kontrolle des persönlichen Spinds eines Arbeitnehmers zwecks Aufklärung eines Diebstahls ausgeführt hat, kann allein die Heimlichkeit der Kontrolle zu einem Beweisverwertungsverbot führen (BAG v. 20.06.2013 – 2 AZR 546/12).
Die Frage nach der Zulässigkeit der Beweisverwertung kann jedoch nicht pauschal, sondern nur unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände und unter Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen beantwortet werden: Je schwerwiegender der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ausfällt und je geringfügiger der Anlass für die Videoüberwachung ist, desto größer ist das Risiko eines Beweisverwertungsverbots. Auch die Beweisverwertung als solche muss verhältnismäßig sein und scheidet daher aus, wenn gleich geeignete, aber weniger grundrechtsbelastende Beweismittel (z.B. Befragung von Zeugen) in Betracht kommen. Es sollte daher in jedem Fall sorgfältig geprüft werden, ob eine verdeckte Videoüberwachung tatsächlich das Mittel der Wahl ist, zumal eine unzulässige Videoüberwachung Schmerzensgeldansprüche der Betroffenen auslösen kann (vgl. BAG v. 19.02.2015 – 8 AZR 1007/13).
Offene Fragen
Vieles ist höchstrichterlich noch ungeklärt, so etwa die Frage, ob auch ein durch eine unzulässige Videoüberwachung gewonnenes weiteres Beweismittel (z.B. Zeuge) als „Frucht des verbotenen Baumes“ prozessual gesperrt ist (so LAG Baden-Württemberg v. 06.05.1998 – 12 Sa 115/97). Immerhin ist das im Rahmen der Novellierung des Beschäftigtendatenschutzes geplante generelle Verbot einer verdeckten Videoüberwachung vorerst vom Tisch. Ist die Verwertbarkeit einer Videoaufnahme zweifelhaft, empfiehlt sich, die Kündigung nicht nur als Tat-, sondern vorsorglich auch als Verdachtskündigung auszusprechen.
Mehr zum Thema der verdeckten Videoüberwachung finden Sie in den Beiträgen von Bergwitz, NZA 2012, 1205 ff., und NZA 2012, 353 ff. (jeweils online abrufbar über beck-online, [€]). Mehr zur Mitarbeiterüberwachung hinsichtlich der Internetnutzung gibt es auch auf diesem Blog im Beitrag von Dr. Till Hoffmann-Remy, IT-Kontrollen auch heimlich zulässig?
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