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Wettbewerb

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot und salvatorische Klausel

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Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind gemäß § 74 Abs. 2 HGB nur wirksam, wenn sie eine Karenzentschädigungszusage von mindestens 50% des zuletzt bezogenen Arbeitsentgeltes enthalten. Ein ohne Karenzentschädigungszusage vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nichtig. Ist eine Karenzentschädigung vertraglich vereinbart, bleibt sie aber hinter § 74 Abs. 2 HGB zurück, ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zwar wirksam, aber unverbindlich. Der Arbeitnehmer hat, bei Einhaltung des unverbindlichen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, lediglich Anspruch auf die zu niedrige Karenzentschädigung.

Karenzentschädigung auch ohne ausdrückliche Vereinbarung?

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss die Karenzentschädigungspflicht jedoch nicht ausdrücklich vereinbart worden sein. Ausreichend ist auch der ergänzende Verweis auf die „Geltung der §§ 74 ff. HGB“ (BAG v. 28.6.2006, 10 AZR 407/05) sowie, nach dem LAG Köln, der Hinweis, das Wettbewerbsverbot solle „im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus“ gelten (LAG Köln v. 28.5.2010, 10 Sa 162/10). Noch weiter geht nun eine Entscheidung des LAG Hamm vom 5.6.2015, 10 Sa 67/15, wonach die Unwirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ohne ausdrücklich oder konkludent vereinbarte Karenzentschädigungszusage durch eine salvatorische Klausel geheilt werden kann.

Neues Urteil des LAG Hamm

Im vom LAG Hamm entschiedenen Fall hatte eine Industriekauffrau, die als Teilzeitkraft beschäftigt war und eine Bruttogesamtvergütung von ca. 1.200 EUR bezog, gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Zahlung einer Karenzentschädigung in Höhe von monatlich rund 600 EUR geklagt. Die Klägerin arbeitete in der Telefonakquise und kam mit sensiblen Kundendaten in Berührung. Auch gelangte sie durch ihre Tätigkeit an Informationen über die Preispolitik der Arbeitgeberin. Neben einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigungszusage und einer salvatorischen Ersetzungsklausel enthielt der Arbeitsvertrag der Klägerin eine Vertragsstrafenklausel, wonach bei jedem Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR (rund 8 Bruttomonatsgehälter!) fällig werden sollte. Mitvereinbart wurde eine Geheimhaltungsklausel, wonach die Klägerin auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Geheimhaltung über alle Angelegenheiten der Arbeitgeberin verpflichtet war.


Heilung durch salvatorische Klausel

Nach Ansicht des LAG Hamm konnte die Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes durch die salvatorische Klausel geheilt werden. Demnach war das nachvertragliche Wettbewerbsverbot um die Karenzentschädigungszusage zu ergänzen. Denn eine salvatorische Klausel führe nach Ansicht des LAG Hamm zu einer Umkehr der Vermutungsregel des § 139 BGB, wonach grundsätzlich diejenige Partei die Darlegungs- und Beweislast trägt, die das Rechtsgeschäft aufrechterhalten will. Entgegen § 139 BGB müsse der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass das Fehlen der Kompensationszusage ausnahmsweise zur Nichtigkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes führe.

Im vom LAG Hamm entschiedenen Fall sprachen außerdem die konkreten Umstände des Einzelfalls dafür, dass die Parteien ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren wollten. Die vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR machte nach Ansicht des LAG Hamm deutlich, dass die Arbeitgeberin ein erhebliches Interesse an der Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes hatte. Auch der Zugang der Klägerin zu sensiblen Daten und Informationen über die Preispolitik des Unternehmens begründete ein besonderes Interesse der Arbeitgeberin, Konkurrenztätigkeit der ausscheidenden Arbeitnehmerin zu unterbinden. Schließlich sprach die ausdrücklich mitvereinbarte Geheimhaltungspflicht dafür, dass die erlangten Informationen für die Arbeitgeberin nicht unerhebliche Bedeutung hatten.

Einhaltung des Schriftformgebotes

Auch die gemäß § 74 Abs. 1 HGB erforderliche Schriftform war nach Ansicht des LAG Hamm durch die schriftliche Vereinbarung der salvatorischen Klausel gewahrt. Jedenfalls sei es der Arbeitgeberin nach Treu und Glauben verwehrt gewesen, sich auf das Schriftformerfordernis zu berufen. Denn die Arbeitgeberin habe das Schriftformerfordernis gekannt: Zum einen sei in der nachvertraglichen Wettbewerbsklausel ausdrücklich mitvereinbart worden, dass die Klägerin „eine vollständige Abschrift dieser Vereinbarung erhalten“ habe. Diese Klausel diene gerade der Einhaltung des Formerfordernisses. Zum anderen sei das nachvertragliche Wettbewerbsverbot von Rechtsanwälten entworfen worden. Deren Kenntnis vom Schriftformgebot des § 74 Abs. 1 HGB könne unterstellt werden.

Revision anhängig

Ob das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des LAG Hamm bestätigen wird, ist unklar (Revision eingelegt unter 10 AZR 448/15). Die Begründung des LAG Hamm, die Unwirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ohne jeden Hinweis auf eine Karenzentschädigung könne allein durch eine salvatorische Klausel geheilt werden, ist angesichts der eindeutigen Regelung in § 74 HGB zumindest fragwürdig. Auch dürfte nach der herrschenden „Andeutungstheorie“ die schriftliche Vereinbarung der salvatorischen Klausel über das Schriftformgebot des § 74 Abs. 1 HGB nicht hinweghelfen. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung des LAG Hamm vor dem Bundesarbeitsgericht Bestand hat. Das rechtspolitische Anliegen, den Arbeitgeber, der ein unwirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart, in der Hoffnung, der Arbeitnehmer werde sich hieran gebunden fühlen, zur Zahlung einer Karenzentschädigung zu verpflichten, könnte auch vor dem Bundesarbeitsgericht Gehör finden.

Fazit

Arbeitgeber sollten nachvertragliche Wettbewerbsverbote daher nur vereinbaren, wenn sie ein tatsächliches Interesse haben, sich vor Konkurrenztätigkeit des ausscheidenden Arbeitnehmers zu schützen. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigungszusage bringen für den Arbeitgeber keinerlei Vorteile. Da salvatorische Klauseln in Formulararbeitsverträgen nach ganz herrschender Auffassung unwirksam sind, wird sich umgekehrt der Arbeitgeber als Klauselverwender nicht auf die (unwirksame) salvatorische Klausel berufen können. Der Arbeitgeber wird die Einhaltung des ohne Karenzentschädigungszusage vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes daher auch nicht gegen Zahlung einer Karenzentschädigung erzwingen können.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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