Steht dem Arbeitgeber gegen einen seiner Arbeitnehmer ein Zahlungsanspruch zu (z.B. wegen Schadensersatz), scheint die Aufrechnung gegenüber den Gehaltsforderungen des Arbeitnehmers ein probates Mittel zu sein, um diesen Anspruch durchzusetzen. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Aufrechnung häufig aufgrund von arbeitgeberseitigen Fehlern nicht zur Erfüllung des Zahlungsanspruchs führt. Im Gegenteil: Der Arbeitgeber findet sich als Beklagter vor Gericht wieder, weil der Arbeitnehmer gegen ihn auf Zahlung von rückständigem Lohn klagt. Kennt der Arbeitgeber die Fallstricke bei der Aufrechnung gegenüber Gehaltsforderungen, lassen sich unnötige Fehler vermeiden.
Fallstrick 1: Aufrechnungserklärung und Konkretisierung des Aufrechnungsbetrags
Eine erfolgreiche Aufrechnung setzt das Bestehen einer Aufrechnungslage (also das Vorliegen von gegenseitigen, gleichartigen und erfüllbaren bzw. durchsetzbaren Forderungen), eine wirksame Aufrechnungserklärung und das Fehlen eines Aufrechnungsausschlusses voraus. Während die Aufrechnungslage meist unproblematisch vorliegt, ist bei der Aufrechnungserklärung Obacht geboten. Die Aufrechnungserklärung muss zwar nicht ausdrücklich erfolgen. Vielmehr kann die Aufrechnung auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten, erklärt werden. Entscheidend ist jedoch in beiden Fällen, dass aus der Erklärung der Aufrechnungswille klar erkennbar ist und Forderung sowie Gegenforderung hinreichend bestimmt sind.
Hieran kann es fehlen, wenn – wegen der Pfändungsschutzvorschriften – nur ein Teil der Forderung des Arbeitgebers in der Gehaltsabrechnung ggf. aus buchhalterischen Gründen sogar lediglich als „Vorschuss“ ausgewiesen und abgezogen ist. In diesen Fällen empfiehlt es sich, beispielsweise in einem Begleitschreiben zu der entsprechenden Gehaltsabrechnung, die Forderung des Arbeitgebers genau zu beschreiben und die Aufrechnung ausdrücklich zu erklären.
Fallstrick 2: Aufrechnungsausschluss
Eine weitere Hürde bietet der Aufrechnungsausschluss nach § 394 S. 1 BGB. Danach kann gegenüber unpfändbaren Forderungen nicht aufgerechnet werden. Dieser Aufrechnungsausschluss ist auch bei der Aufrechnung gegenüber Arbeitseinkommen relevant. Denn Arbeitseinkommen ist nur bis zu einer bestimmten Höhe pfändbar, damit dem Arbeitnehmer und seinen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ein Existenzminium zum Leben zur Verfügung steht. Inwieweit Arbeitseinkommen der Pfändung unterliegt, regelt die Zivilprozessordnung in den §§ 850 bis 850i. Der Arbeitgeber kann somit niemals gegenüber der gesamten Gehaltsforderung aufrechnen, sondern ist bei der Höhe des Aufrechnungsbetrags auf den pfändbaren Teil des Gehalts beschränkt.
Fallstrick 3: Richtige Berechnung des pfändbaren Gehalts
Das pfändbare Gehalt berechnet sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Jahr 2013 nicht mehr nach der sog. Bruttomethode, bei der vom Gesamtbruttoeinkommen des Arbeitnehmers die unpfändbaren Bezüge und anschließend die auf das Gesamtbruttoeinkommen (d.h. einschließlich der unpfändbaren Bezüge) zu zahlenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen wurden. Die Berechnung erfolgt nunmehr nach der sog. Nettomethode (vgl. BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 59/12). Danach wird das pfändbare Arbeitseinkommen wie folgt berechnet:
1. Schritt: Von dem Gesamtbruttogehalt werden die unpfändbaren Bruttobezüge abgezogen. Zu den unpfändbaren Bezügen gehören beispielsweise
- die Hälfte der Mehrarbeitsvergütung,
- das Urlaubsgeld,
- das Weihnachtsgeld (bis zur Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis 500 €),
- Schmutz- und Erschwerniszulagen.
2. Schritt: Die auf dieses Restbruttogehalt entfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers werden ermittelt und abgezogen.
3. Schritt: Auf Basis des so errechneten fiktiven Nettoeinkommens kann der Arbeitgeber anhand der Pfändungstabelle nach § 850c ZPO den pfändbaren Betrag ermitteln, gegenüber dem er aufrechnen darf. Die jeweils geltende Pfändungstabelle wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die aktuelle Pfändungstabelle gültig seit dem 1.7.2015 ist auf der Homepage des Bundesgesetzblattes http://www.bgbl.de (Bundesgesetzblatt Teil I 2015 Nr. 16 vom 27.4.2015) abrufbar.
Fazit
Arbeitgeber sollten nicht nur bei der Aufrechnungserklärung, sondern auch bei der Berechnung des pfändbaren Gehalts besonders sorgfältig vorgehen. Denn eine Aufrechnung gegenüber einer unpfändbaren Forderung ist unwirksam und führt insoweit nicht zur Erfüllung des Anspruchs, mit dem aufgerechnet wurde. Überdies muss nach der Rechtsprechung des BAG in einem späteren Gerichtsprozess der Arbeitgeber die Beachtung der Pfändungsschutzvorschriften bei der erfolgten Aufrechnung darlegen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer einen Verstoß gegen die Pfändungsschutzvorschriften nicht gerügt hat (vgl. BAG v. 22.9.2015 – 9 AZR 143/14).