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Betriebsrat Compliance

Compliance im Unternehmen – und der Betriebsrat?

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Nachdem in den vergangenen Jahren vermehrt teils namhafte Unternehmen wegen ausschweifender Vergnügungsreisen ihrer Mitarbeiter oder Korruptionsskandalen in den Fokus von Staatsanwaltschaft und Öffentlichkeit geraten sind, rückt das Thema Compliance zusehends in den Vordergrund. Dies gilt nicht nur für internationale Großkonzerne. Auch kleinere und mittlere Unternehmen müssen sich getreu dem Motto „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ intensiver mit der Frage beschäftigen, wie ein Fehlverhalten der eigenen Mitarbeiter bereits im Vorfeld vermieden werden kann und welche Rolle der Betriebsrat dabei spielt.

Was ist eigentlich Compliance und was hat der Betriebsrat damit zu tun?

Compliance-Systeme im Unternehmen sollen das regelkonforme Verhalten der Mitarbeiter absichern. Kleinere und größere Vergehen, gleich welcher Art, sollen bereits im Vorfeld verhindert werden. Die Regelungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Verbot  privater Telefonate, dem Umgang mit Mobbing bis hin zur Regulierung der Annahme von Geschenken. Das „Kernstück“ einer internen Compliance-Struktur bildet regelmäßig die Compliance-Richtlinie. Diese kann ganz unterschiedlichen Inhalts sein. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass diese zumeist eine bunte Mischung aus (mitbestimmungsfreier) Wiedergabe von gesetzlichen Vorschriften, Ethikregeln und verbindlichen Verhaltensregeln beinhaltet. Flankiert wird die Richtlinie häufig durch die Implementierung weiterer Compliance-Systeme, etwa der Etablierung eines Compliance Officers oder eines Whistleblowing-Systems. Für Unternehmen besteht die Herausforderung nicht nur darin, umfangreiche Compliance-Systeme effektiv und zügig zu implementieren, sondern sich vorab auch einen genauen Überblick über die in der Regel bestehenden Beteiligungsrechte des Betriebsrates zu verschaffen. Hierbei muss sich der Arbeitgeber auch darüber im Klaren sein, dass nach der insoweit maßgeblichen Honeywell-Entscheidung (BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07) die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ausländische Gesetze, wie etwa der „UK Bribery Act“ (UKBA), in Deutschland tätigen Unternehmen bestimmte Pflichten auferlegen. Anderes kann nur bei einer entsprechenden Transformation ins deutsche Arbeitsrecht gelten.


Mitbestimmung bei der Einführung von Compliance-Richtlinien

Bei der Einführung einer Compliance-Richtlinie stehen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG im Fokus. Der Arbeitgeber muss hierbei jede einzelne Regelung der Richtlinie auf ihre Mitbestimmungspflichtigkeit untersuchen. Einzelne mitbestimmungspflichtige Regelungen machen die Richtlinie nicht insgesamt mitbestimmungspflichtig.

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht bereits, sobald Regelungen der Compliance-Richtlinie, gleich ob verbindlich oder nicht, darauf gerichtet sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu steuern oder die Ordnung des Betriebs zu gewährleisten. Zu beachten ist jedoch, dass zwischen dem insoweit mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten und dem mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhalten differenziert werden muss. Werden in der Richtlinie also lediglich die Arbeitspflichten konkretisiert, etwa durch Erteilung von Arbeitsanweisungen, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Anders sieht es aus, wenn das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen ist. Etwa, wenn die Zulässigkeit der Annahme von Geschenken, Beziehungen am Arbeitsplatz oder unangemessenes Verhalten geregelt wird. Hier hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Gleiches gilt beispielsweise, wenn die Richtlinie eine Whistleblowing-Klausel beinhaltet, und dem Mitarbeiter nicht mehr freisteht, ob und wie er Verstöße meldet.

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht, wenn Regelungen innerhalb der Richtlinie die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen vorsehen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen. Mitbestimmungspflichtig sind beispielsweise Regelungen, nach denen der Arbeitgeber zur Kontrolle der Einhaltung der Compliance-Richtlinie, die auf dem Server bzw. der Festplatte gespeicherten Daten einsehen und auswerten oder mittels technischer Einrichtungen das Telefonverhalten seiner Mitarbeiter überwachen darf.

Mitbestimmung bei der Ernennung eines Compliance Officers

Stellt das Unternehmen zur Gewährleistung der Richtlinie einen neuen Mitarbeiter als Compliance Officer ein, hat bei dieser Neueinstellung der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen. Wird einem bereits zum Unternehmen zugehörigen Mitarbeiter zusätzlich die Funktion des Compliance Officers übertragen, dürfte durch die zusätzliche Übernahme von Compliance-Aufgaben regelmäßig eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Versetzung vorliegen.

Mitbestimmung bei der Durchführung von Compliance-Schulungen

Auch die Schulung der Mitarbeiter ist wesentlicher Bestandteil jeder erfolgreichen Implementierung von Compliance-Strukturen. Der Betriebsrat hat dabei nach § 98 Abs. 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht und kann so insbesondere die Schulungsinhalte und die Auswahl des Lehrpersonals maßgeblich beeinflussen.

Mitbestimmung bei der Durchführung interner Ermittlungen

Tritt ein Verstoß gegen die Compliance-Richtlinie zu Tage, ist der Arbeitgeber gehalten, diesem nachzugehen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht hier z.B. dann, wenn der Arbeitgeber im Rahmen des Ermittlungsverfahrens private E-mails und Unterlagen des Mitarbeiters auswerten will oder beabsichtigt, Mitarbeiterbefragungen mittels standarisierter Fragebögen durchzuführen, und die Fragen sich nicht nur auf das reine Arbeitsverhalten beziehen. Wertet der Arbeitgeber die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gewonnenen Mitarbeiterdaten beispielsweise mithilfe einer Software aus, besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Werden im Rahmen der Ermittlungen Personalfragebögen eingesetzt, kann ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 Abs. 1 BetrVG bestehen.

Fazit

Eine frühe und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat kann die Akzeptanz von Compliance-Systemen in der Belegschaft erhöhen. Denn nur wenn die Mitarbeiter den Sinn und Zweck von Compliance verinnerlicht haben, kann Compliance effektiv im Unternehmen gelebt werden. Auch sonst kann es sich rächen, die Beteiligungsrechte des Betriebsrates zu verletzen. Denn dann kann dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zustehen. Hierbei sollten Arbeitgeber auch eines nicht vergessen: Gerichtsverfahren sind in der Regel öffentlich. Streiten sich Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen eines Gerichtsverfahrens um Beteiligungsrechte, kann dies zu einem erheblichen Imageschaden seitens des Unternehmens führen. Dies gilt umso mehr, wenn Themen mit „Sprengstoffpotenzial“ betroffen sind, was bei Compliance regelmäßig der Fall ist.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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