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Mindestlohn

Anrechenbar auf die Rechtssicherheit: Die erste Entscheidung des BAG zum Mindestlohn

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Mindestlohn

Mit Spannung war sie erwartet worden – und kam schneller als gedacht: Nur wenige Monate nach der Verkündung des Urteils des LAG Berlin-Brandenburg vom 12.01.2016 entschied das Bundesarbeitsgericht am 25.05.2016 über die hiergegen eingelegte Revision (Az.: 5 AZR 135/16). Inhaltlich geht es vor allem um die Anrechenbarkeit von Weihnachts- und Urlaubsgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Worum ging es in dem Fall?

Im konkreten Fall wehrte sich eine Arbeitnehmerin gegen die Anrechnung von Weihnachts- und Urlaubsgeld auf ihren gesetzlichen Mindestlohnanspruch und verlangte stattdessen die Erhöhung ihres Stundenlohns. Der Arbeitgeber hatte Weihnachts- und Urlaubsgeld nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zum 01.01.2015 nicht mehr einmal jährlich, sondern jeweils zu 1/12 am Ende des Kalendermonats gezahlt. Erst durch die Berücksichtigung dieser Zahlungen stieg der Stundenlohn der Arbeitnehmerin auf mehr als EUR 8,50 brutto. Außerdem wandte sich die Arbeitnehmerin gegen die von dem Arbeitgeber vorgenommene Berechnung von Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen. Sie war der Auffassung, die Zuschläge müssten auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns und nicht unter Zugrundelegung des niedrigeren vertraglich vereinbarten Stundenlohns berechnet werden. Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, wurde ihr vom Landesarbeitsgericht zumindest die Berechnung des gesetzlichen Zuschlags für die Nachtarbeit wie von ihr wie beantragt zugesprochen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision zurückwiesen.


Und das bedeutet?

Bislang liegt zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2016 (Az.: 5 AZR 135/16) lediglich eine Presseerklärung vor, eine endgültige Bewertung wird daher erst bei Vorliegen des Urteils in vollständig abgefasster Form vorgenommen werden können. Aus der Presseerklärung lassen sich indes bereits einige wichtige Eckpunkte ableiten:

  • Der Referenzzeitraum, d.h. der Zeitraum, innerhalb dessen die von dem Arbeitnehmer tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit mindestens EUR 8,50 brutto pro Stunde vergütet werden müssen, ist der Kalendermonat. Das Bundesarbeitsgericht hat den in jedem Kalendermonat geleisteten Zahlungen des Arbeitgebers ausdrücklich Erfüllungswirkung gem. § 362 Abs. 1 BGB zugesprochen. Der Arbeitgeber agiert also „mindestlohnfest“ wenn er die im Kalendermonat insgesamt von dem Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden am Ende des Monats mit mindestens EUR 8,50 brutto pro Stunde vergütet. Eine Durchschnittsbetrachtung, z.B. bei Stück- oder Akkordlöhnen, ist möglich. Auch Überstundenklauseln, nach denen eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Monat mit dem Grundgehalt abgegolten sind, werden daher unter Beachtung dieses Grundsatzes (und sofern sie transparent sind) zulässig sein; es ist nicht jede Überstunde zusätzlich mit EUR 8,50 brutto zu vergüten.
  • Sonderleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld können auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden. Aber Vorsicht: Urlaubsgeld ist nicht gleich Urlaubsgeld (gleiches gilt für das Weihnachtsgeld). Zumindest das LAG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) hatte hier noch deutlich darauf abgestellt, dass genau nach den Leistungsvoraussetzungen der jeweiligen Zahlung unterschieden werden müsse. Sei das Urlaubsgeld von den Urlaubsregelungen abhängig bzw. diene es dazu, erhöhte Urlaubsaufwendungen abzudecken, könne es nicht angerechnet werden. Handele es sich dagegen um eine „saisonale Sonderleistung“ (also ein durch den besonderen Zeitpunkt der Auszahlung gekennzeichnetes „Arbeitsentgelt“), sei die Anrechnung möglich. Wichtig sei insbesondere gewesen, dass die Zahlung des Urlaubsgelds nicht von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs abhänge. Es ist davon auszugehen, dass das Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) diese Ansätze, die dem Prinzip der funktionalen Gleichwertigkeit entsprechen, übernommen hat. Dies deutet die Formulierung an, wonach der Mindestlohn durch Zahlungen erfüllt werden könne, die als „Gegenleistung für Arbeit“ erbracht würden. Ersatz für erhöhte Urlaubs- oder Weihnachtsaufwendungen ist etwas anderes. Außerdem bleiben in jedem Einzelfall die weiteren Voraussetzungen der Anrechenbarkeit zu prüfen, d.h. die vorbehaltlose und unwiderrufliche sowie vor allem rechtzeitige Zahlung. Die Anrechenbarkeit von lediglich jährlich gewährten Sonderleistungen ist nach wie vor nicht möglich (bzw. erfüllt nur Mindestlohnansprüche für den der Auszahlung vorangegangenen Kalendermonat).
  • Zahlungen, die ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung erbracht werden oder auf einer besonderen gesetzlichen Grundlage beruhen, können nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Demnach sind Zahlungen, mit denen z.B. die reine Betriebstreue (Treue- oder Halteprämien) honoriert wird, nicht anrechenbar. Nicht anrechenbar ist auch, wie bislang bereits überwiegend angenommen, der gesetzliche Nachtarbeitszuschlag gem. § 6 Abs. 5 ArbZG. Aus der Betonung der anderen „Zweckbestimmung“ dieses gesetzlichen Zuschlags lässt sich ableiten, dass das Bundesarbeitsgericht sich auch bei der Frage der Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn klar am Prinzip der funktionalen Gleichwertigkeit orientiert.
  • Der gesetzliche Nachtarbeitszuschlag gem. § 6 Abs. 5 ArbZG ist auf der Basis des gesetzlichen Mindestlohns und nicht etwa unter Zugrundelegung eines niedrigeren, im Arbeitsvertrag vereinbarter Stundenlohns zu berechnen. Indes dürfte auch hier Zuschlag nicht gleich Zuschlag sein. Zumindest das LAG Berlin-Brandenburg (a.a.O.) hatte entschieden, dass die Zuschläge für Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf die erst im Arbeitsvertrag ein Anspruch begründet wurde, auf das Basis des vertraglich vereinbarten Stundenlohns – der unterhalb des gesetzlichen Mindestlohn lag – berechnet werden könnten. Nachdem das Bundesarbeitsgericht die Revision zurückgewiesen hat ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass es auch diesen Ansatz übernommen hat.
  • Der Mindestlohn ist für „tatsächlich geleistete“ Arbeit zu bezahlen. Ob diesem Satz ein „nur“ hinzugefügt werden kann, ist fraglich. Jedenfalls wäre es verfrüht, daraus abzuleiten, dass für Zeiten, in denen nicht gearbeitet wird, aber gesetzliche Entgeltfortzahlungsansprüche bestehen, wie z.B. im Urlaub, bei Krankheit oder im Annahmeverzug, kein Mindestlohn gezahlt werden muss bzw. dieser nicht die Berechnungsgrundlage darstellt. Klarheit wird hier erst bestehen, wenn das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (a.a.O.) in vollständig abgefasster Form vorliegt. Ob sich darin Ausführungen zu der streitigen Frage befinden, inwieweit bei gesetzlichen Entgeltfortzahlungsansprüchen auch die Bußgeldvorschriften des Mindestlohngesetzes bei verspäteter oder Nichtzahlung eingreifen, bleibt abzuwarten.

Besteht Handlungsbedarf für Arbeitgeber?

Arbeitgeber werden durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2016 in die Lage versetzt, „mindestlohninduzierte“ Lohnerhöhungsansprüche von Arbeitnehmern erfolgreich abzuwehren. Bestehende Regelungen zu Urlaubs- und Weihnachtsgeldern können überprüft und diese Leistungen ggf. auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden. Für die Zukunft könnte es sich – vorbehaltlich der Entscheidungsgründe – empfehlen, die Berechnungsgrundlage für arbeitsvertragliche vereinbarte Zuschläge noch klarer bzw. mit Blick auf das Mindestlohngesetz zu definieren. Auch nach der ersten höchstrichterlichen Entscheidung bleibt das Thema also – mindestens – spannend.

Mehr zum Thema Anrechnung von Entgeltbestandteilen auf den gesetzlichen Mindestlohn finden Sie in diesem Blog auch hier.

 

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