Luftverkehr, Bahn und ÖPNV, Kitas und andere kommunale Betriebe: auch in 2016 sind Arbeitgeber vielerorts nicht von Streikandrohungen und Arbeitskämpfen verschont geblieben. Auch wenn in Deutschland Arbeitskämpfe zumeist nicht in der Heftigkeit ausgetragen werden, wie dies zum Teil in Frankreich der Fall ist, beschäftigt die Suche der Gewerkschaften nach „neuen Formen“ des Arbeitskampfes immer wieder die Gerichte – und überschreitet häufig Grenzen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat nunmehr klargestellt: Betriebsblockaden durch Streikposten oder Gegenstände sind kein valides Arbeitskampfmittel.
Was hat das LAG entschieden?
Das LAG Berlin-Brandenburg hat am 15. Juni 2016 (23 SaGa 968/16) [PM] im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens entschieden, dass das Blockieren von Zuwegen zum Betrieb durch Gegenstände und/oder Streikposten vom Streikrecht nicht gedeckt ist. Es hat insoweit die Vorinstanz (Arbeitsgericht Potsdam vom 10. Juni 2016) bestätigt. Die Entscheidung ist vollumfänglich zu begrüßen, zeigt sie doch die klare Trennlinie zwischen (zulässigem) Arbeitskampf und (rechtswidriger) Eigentumsverletzung auf.
Inhaltlich ging es um das einstweilige Verfügungsverfahren eines Sägewerkes in Brandenburg, welches sich einem Arbeitskampf durch die IG Metall ausgesetzt sah. Hintergrund waren Forderungen der Gewerkschaft nach Gehaltserhöhungen über die von der Arbeitgeberin angebotenen und umgesetzten Steigerungen hinaus. Die Gewerkschaft hielt es für angemessen, die Zuwege zum Werk zunächst durch das Abstellen sperriger Gegenstände vor Eingängen und Einfahrten zu blockieren und, nachdem das Arbeitsgericht Potsdam dies untersagt hatte, diese Gegenstände durch Streikposten zu ersetzen, um die Anfahrt von Lastwagen zu verhindern. Dem hat das LAG zu Recht einen Riegel vorgeschoben, und damit die Linie der Rechsprechung weiter konkretisiert. Das BAG hatte in seiner Entscheidung zum sogenannten „Flashmob“ (Urteil vom 22. 9. 2009 – 1 AZR 972/08) noch die Rechtmäßigkeit von Betriebsblockaden offen gelassen. Gegen die Entscheidung des LAG ist kein weiteres Rechtsmittel gegeben.
Praxisempfehlung
Sollten Sie als Arbeitgeber von Arbeitskämpfen (insbesondere in Form von Betriebsblockaden) bedroht oder betroffen sein, ist es zwingend erforderlich, dass Sie schon von Anfang an ein adäquates Reaktionskonzept in der „Schublade“ haben. Dieses sollte die erforderliche Dokumentation, interne Verantwortlichkeiten, interne Aufgabenzuweisungen, Möglichkeiten des gerichtlichen Rechtsschutzes sowie Mittel der Öffentlichkeitsarbeit benennen, damit im Arbeitskampffall jeder Mitarbeiter seine Aufgaben kennt. So können die der jeweiligen Situation angemessenen Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet werden, und die Verwerfungen im operativen Geschäft möglichst gering gehalten werden.
Wann sind Arbeitskampfmittel rechtlich zulässig?
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung eines Arbeitskampfmittels ist zunächst die Weichenstellung, ob es sich überhaupt um einen rechtmäßigen oder einen rechtswidrigen Streik handelt. Nur bei einem rechtmäßigen Streik stellt sich überhaupt die Frage nach der Zulässigkeit einzelner Arbeitskampfmittel; rechtswidrige Streiks belasten den Arbeitgeber möglicherweise faktisch, können aber mit gerichtlicher Hilfe unterbunden werden.
Wann ist ein Streik rechtmäßig?
Ein Streik ist rechtmäßig, wenn er
- auf gewerkschaftlichen Aufruf hin erfolgt,
- auf eine zulässige Regelung gerichtet ist und die Friedenspflicht nicht entgegensteht und
- der Streik das verhältnismäßige Mittel zur Durchsetzung der Forderung ist.
Der Streik wird durch einen Streikbeschluss der Gewerkschaft initiiert. Durch den Streikbeschluss werden der Arbeitskampfgegner, der Beginn (und ggf. die Dauer des Streiks) die aufgerufenen Personen, die betroffenen Betriebe/Betriebsteile, die Streikformen und die Streikziele/-forderungen festgelegt. Einzelne Maßnahmen wie Demonstrationen im Betrieb o.Ä., die ohne vorherigen Streikbeschluss stattfinden, stellen daher keine (zulässigen) Arbeitskampfmaßnahmen dar. Der Streikbeschluss muss in adäquater Weise bekanntgemacht werden. Vorsicht ist geboten: Auch eine Verlautbarung über die Medien, ein Flugblatt o.Ä. kann im Einzelfall genügen.
Ein Streik muss, damit er rechtmäßig ist, um eine gesetzlich zulässige Tarifregelung geführt werden. Ein Streik ist rechtswidrig, wenn er gegen die Friedenspflicht eines geltenden Tarifvertrages oder gegen eine Schlichtungsvereinbarung verstößt. Die Friedenspflicht verpflichtet die Tarifpartner, sich solange Kampfmaßnahmen zu enthalten, wie die umstrittene Materie tariflich geregelt ist.
Der Streik muss schließlich immer geeignet und erforderlich sein und bezogen auf das rechtmäßige Kampfziel angemessen (d.h. verhältnismäßig) eingesetzt werden. Die schwierigsten rechtlichen Probleme stellen sich bei der Frage nach der Angemessenheit. Zu berücksichtigen sind das angestrebte Kampfziel, aber auch die Rechtspositionen der vom Streik unmittelbar oder mittelbar Betroffenen. Hierbei ist zu beachten, dass es gerade das Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme ist, durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck auszuüben. Andererseits darf keine Seite über so starke Kampfmittel verfügen, dass dem Gegenspieler keine wirksame Reaktionsmöglichkeit verbleibt. Hierdurch würden die Chancen auf die Herbeiführung eines angemessenen Verhandlungsergebnisses zerstört werden. Insbesondere dürfen Streiks nicht auf die Existenzvernichtung der Gegenseite abzielen. Die Fortsetzung der Arbeit nach Beendigung des Streiks muss möglich bleiben.
Die vorgenannten Kriterien gelten nicht nur für den Streik insgesamt, sondern auch für jede einzelne konkrete Arbeitskampfmaßnahme. Das bedeutet, dass innerhalb eines insgesamt zulässigen Streiks einzelne Maßnahmen exzessiv sein können und entsprechend zu unterlassen sind.
Zulässige und unzulässige Arbeitskampfmittel
Liegt ein generell rechtmäßiger Streik vor, haben sich sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite bestimmte Kampfmittel etabliert, ohne dass das Streikrecht auf eine Ausübung nur in diesen Formen beschränkt ist (siehe z.B. „Aktion Dreckiger Schuh“ bzw. (analoge oder digitale) „Flashmobs“ und Ähnliches). Stark umstritten sind in diesem Zusammenhang insbesondere die sogenannten Betriebsblockaden. Hierunter versteht man die Abriegelung aller Zugänge des Betriebs, um Streikarbeit zu verhindern und gleichzeitig die Zulieferung von Material und Auslieferung hergestellte Produkte unmöglich zu machen oder aber Betriebsbesetzungen, bei denen die Arbeitnehmer die Betriebsräume nicht mehr verlassen und damit die reguläre Weiterarbeit verhindern.
Das Bundesarbeitsgericht geht bislang davon aus, dass eine Betriebsblockade grundsätzlich nicht vom Streikrecht gedeckt ist, da sie unverhältnismäßig ist. Es hat aber bislang – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden, ob und ggf. unter welchen Bedingungen sie doch ein rechtmäßiges, weil verhältnismäßiges Kampfmittel sein könnte. Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg liegt derzeit noch nicht im Volltext vor, dürfte aber Licht in genau dieses Dunkel bringen und den Arbeitgebern somit ein Mehr an Sicherheit in zukünftigen Arbeitskämpfen bieten.