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Betriebsverfassung Matrix Unternehmensführung

Der Betrieb in der Matrix-Struktur

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Der Betrieb in der Matrix-Struktur

Häufig werden gerade international agierende Konzerne nicht ausschließlich nach gesellschaftsrechtlich vorgegebenen Hierarchieebenen, sondern gleichzeitig nach Funktions- und Produktbereichen organisiert (sog. „Matrix-Organisation“). Kennzeichnend für eine solche Matrix-Organisation sind mehrdimensionale Berichts- und Weisungsstrukturen. Insbesondere können disziplinarisches und fachliches Weisungsrecht auf unterschiedliche Vorgesetzte aufgeteilt sein. Während das disziplinarische Weisungsrecht (Weisungsrecht in Bezug auf Urlaub, Beurteilungen, Abmahnungen, Kündigungen, etc.) beim Vertragsarbeitgeber liegt, wird das fachliche Weisungsrecht häufig von einem Matrixmanager wahrgenommen, der konzernweit für den entsprechenden Funktions- oder Produktbereich verantwortlich ist.

Einheitliche Leitungsmacht

Die mehrdimensionalen Berichts- und Weisungsstrukturen von Matrixstrukturen sind mit dem klassischen Betriebsbegriff, wie ihn das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung anwendet, nicht immer kompatibel. Insbesondere ist häufig nicht sicher, ob die jeweiligen Matrixzellen einen eigenständigen Betrieb gemäß Betriebsverfassungsgesetz bilden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Betrieb eine organisatorische Einheit, in der arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt werden. Entscheidendes Kriterium für das Vorliegen der organisatorischen Einheit „Betrieb“ gemäß Betriebsverfassungsgesetz ist die einheitliche Leitungsmacht bzw. das Bestehen eines einheitlichen Leitungsapparates. Die Leitungsmacht muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten (§§ 87, 99 BetrVG) erstrecken.


Unternehmensinterne Matrixzelle

Die Anforderungen an die einheitliche Leitungsmacht können erfüllt sein, wenn innerhalb eines Unternehmens eine separierte Matrixzelle mit eigener Leitung gebildet wird und ein Matrixmanager das disziplinarische und fachliche Weisungsrecht gegenüber allen innerhalb der Matrixzelle beschäftigten Arbeitnehmern ausübt. Eine Übertragung auch des disziplinarischen Weisungsrechts auf den Matrixmanager ist jedenfalls dann unkritisch möglich, wenn sich die Matrixzelle auf das Anstellungsunternehmen beschränkt (sog. unternehmensinterne Matrixzelle).

Auch eine Matrixzelle, die von zwei Matrixmanagern gesteuert wird, kann einen eigenständigen Betrieb bilden. Ist etwa ein Konzern nach Produkt- und Funktionsbereichen gegliedert und besteht für jeden Funktionsbereich eine eigenständige Tochtergesellschaft, so können die Manager dieses Funktionsbereiches, die häufig ohnehin Geschäftsführer der jeweiligen Tochtergesellschaft sein werden, gegenüber den Arbeitnehmern dieser Tochtergesellschaft das disziplinarische Weisungsrecht ausüben. Die Manager des Funktionsbereiches besitzen somit die einheitliche Leitungsmacht in sozialen und personellen Angelegenheiten gegenüber den in der Matrixzelle beschäftigten Arbeitnehmern. Dass der unternehmensübergreifend agierende Produktmanager für seinen Geschäftsbereich einen Teil des fachlichen Weisungsrechts ausübt, steht der einheitlichen Leitung im Sinne des Betriebsbegriffes nicht entgegen.

Unternehmensübergreifende Matrixzelle

Häufig sind Matrixzellen jedoch unternehmensübergreifend organisiert. Der Matrixmanager übt hier nur das fachliche Weisungsrecht aus, während das disziplinarische Weisungsrecht beim Vertragsarbeitgeber verbleibt. Da der außerhalb des jeweiligen Vertragsarbeitgebers stehende Matrixmanager somit keine Leitungsmacht in personellen Angelegenheiten ausübt, wird eine unternehmensübergreifende Matrixzelle in der Regel keinen eigenständigen Betrieb gemäß Betriebsverfassungsgesetz bilden.

Jedenfalls dann, wenn der Leiter der Matrixzelle ein einheitliches Arbeitsverhältnis mit allen konzernangehörigen Unternehmen abgeschlossen hat, die Mitarbeiter in der Matrixzelle beschäftigen, kann ihm auch das disziplinarische Weisungsrecht übertragen werden mit der Folge, dass die personelle Leitungsmacht bei dem Matrixmanager gebündelt wird (eine solche Konstellation lag der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg v. 28.5.2014, 4 TaBV 7/13 zugrunde).

Ausnahmsweise kann die unternehmensübergreifende Matrixzelle auch als Gemeinschaftsbetrieb zu bewerten sein. Allein die Bildung einer unternehmensübergreifenden Matrixzelle ist jedoch noch kein Indiz für eine stillschweigend abgeschlossene Führungsvereinbarung. Denn die disziplinarische Eigenständigkeit der beteiligten Unternehmen bleibt auch innerhalb einer konzernweiten Matrixstruktur aufrecht erhalten.

„Flucht aus dem Betriebsverfassungsgesetz“ möglich?

Sofern Leitungsfunktionen innerhalb der Matrix vom Ausland aus wahrgenommen werden, bestehen Zweifel, ob Arbeitnehmer überhaupt einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit zugeordnet werden können. Denn das Betriebsverfassungsgesetz findet aufgrund des Territorialitätsprinzips nur auf Betriebe innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.

In diesem Zusammenhang hatte das Arbeitsgericht Frankfurt (v. 21.7.2009, 12 BV 184/09) einen Fall zu beurteilen, in dem die Entscheidungsbefugnis in personellen und sozialen Angelegenheiten gemeinsam von der Unternehmensleitung im Inland und der Leitung einer im Ausland befindlichen „Business Unit“ wahrgenommen wurde. Das Arbeitsgericht Frankfurt war der Ansicht, dass jedenfalls am Sitz der Geschäftsleitung des inländischen Tochterunternehmens ein Betrieb gemäß § 1 Abs. 1 BetrVG bestehe, stützte dies jedoch auf eher pragmatische Erwägungen: Nach Ansicht des Arbeitsgerichts dürften die Anforderungen an die betriebliche Leitungsmacht nicht überspannt werden. Ansonsten ermöglichte die Bildung internationaler Matrixstrukturen eine „Flucht aus dem Betriebsverfassungsgesetz“. Betriebsräte wären möglicherweise nicht mehr zu bilden. Verallgemeinernd dürfte nach dieser Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt immer dann von einer einheitlichen inländischen Leitung im Sinne des Betriebsbegriffes auszugehen sein, wenn das Anstellungsunternehmen seinen rechtlichen Sitz im Inland hat.

Fazit

Der klassische Betriebsbegriff, wie ihn das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung anwendet, lässt sich mit betriebswirtschaftlichen Matrixstrukturen nur schwer in Einklang bringen. So führt die Aufsetzung einer Matrixstruktur zu erheblicher Rechtsunsicherheit, gerade mit Blick auf den Abschluss betriebsverfassungsrechtlicher Kollektivvereinbarungen. Rechtsprechung zur Bestimmung betriebsratsfähiger Organisationseinheiten innerhalb einer internationalen Matrixorganisation gibt es kaum. Um eine mögliche Unwirksamkeit von Betriebsvereinbarungen zu verhindern (die allerdings nur ex-nunc Wirkung hätte), kann der Arbeitgeber eine Klärung im Wege des Statusverfahrens gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG herbeiführen. Zur Vermeidung von Unklarheiten über die betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstruktur sollte auch über den Abschluss von Zuordnungstarifverträgen gemäß § 3 BetrVG und hierbei insbesondere über die Bildung von Spartenbetriebsräten (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) sowie alternativer Beteiligungsformen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) nachgedacht werden.

Mehr zum Betriebsbegriff in der Matrix-Organisation, insbesondere zu den Auswirkungen auf den Kündigungsschutz, finden Sie im Beitrag von Dr. Barbara Reinhard: „Arbeitsrechtliche Tücken der Matrixstruktur“. Mit der Zuordnung von Arbeitnehmern, insbesondere leitenden Angestellten, zu bestimmten Betrieben innerhalb von Matrixstrukturen beschäftigt sich der Beitrag von Dr. Markus Janko: „Riskantes Leiten in der Matrixorganisation“.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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