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Betriebsübergang Umstrukturierung

Der „Kettenwiderspruch“ und die „grundlegenden Informationen“ beim Betriebsübergang

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Häufig kommt es in Folge von Unternehmensübernahmen und/oder -umstrukturierungen zu mehreren zeitlich aufeinanderfolgenden Betriebsübergängen im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Es stellt sich dann die Frage, ob und in welchen Grenzen ein Arbeitnehmer die damit jeweils verbundenen Übergänge seines Arbeitsverhältnisses rückabwickeln kann. Das Bundesarbeitsgericht hat die Möglichkeit derartiger „Kettenwidersprüche“ nun in einem Urteil vom 19.11.2015 (8 AZR 773/14) stark eingeschränkt.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts lag im Wesentlichen der Sachverhalt eines Arbeitnehmers zu Grunde, dessen Arbeitsverhältnis zunächst im Jahr 2007 im Wege des Betriebsübergangs auf einen Erwerber und dann von diesem im Jahr 2008 auf einen weiteren Erwerber übergegangen war. Über den ersten Betriebsübergang war der Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß in Sinne des § 613a Abs. 6 BGB unterrichtet worden. Die Unterrichtung über den zweiten Übergang genügte dagegen den gesetzlichen Anforderungen. Etwa drei Jahre nach dem zweiten Übergang widersprach der Arbeitnehmer mit zwei gesonderten Erklärungen den beiden Betriebsübergängen und begehrte die Beschäftigung bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber.

Das LAG hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass ein Widerspruch gegen den zweiten Betriebsübergang wegen Ablaufs der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht mehr möglich war, weshalb auch ein Widerspruch gegen den ersten Betriebsübergang ausscheide, denn seinen Status als „bisheriger Arbeitgeber“ im Sinne des § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB verliere ein vormaliger Arbeitgeber in Folge eines weiteren Übergangs und könne diesen nur wiedererlangen, wenn der Arbeitnehmer zuvor mit Erfolg dem zeitlich nachfolgenden Betriebsübergang widersprochen habe.

Das BAG bestätigte dieses Ergebnis, begründete es jedoch anders: Selbst wenn ein Widerspruch gegen den zweiten Betriebsübergang noch möglich gewesen wäre, käme ein Widerspruch gegen den ersten Betriebsübergang (trotz mangelhafter Unterrichtung) nicht mehr in Betracht, weil der Arbeitnehmer anlässlich des ersten wie des nachfolgenden Betriebsübergangs zumindest jeweils die „grundlegenden Informationen“ über den Zeitpunkt und den Gegenstand des Betriebsübergangs und die Person des Erwerbers erhalten habe und zwischen der Unterrichtung und dem zweiten Betriebsübergang mindestens ein Monat vergangen sei.


Bisherige Rechtsprechung des BAG

Das BAG löste das Problem der Rückabwicklung zeitlich aufeinanderfolgender Betriebsübergänge bisher mittels einer Betrachtung der einzelnen Glieder der „Betriebsübergangskette“. Entscheidend kam es dabei darauf an, dass – beginnend mit dem zeitlich letzten Betriebsübergang – ein Widerspruch nach Maßgabe des § 613a Abs. 6 S. 1 BGB jeweils noch möglich war. Ein verfristeter oder verwirkter Widerspruch sperrte dann die Rückabwicklung der zeitlich vorangegangenen Betriebsübergänge. Umgekehrt war ein „Kettenwiderspruch“ auch lange Zeit nach dem ersten Betriebsübergang noch möglich, sofern das Widerspruchsrecht in Bezug auf diesen und die zeitlich nachfolgenden Betriebsübergänge noch bestand – etwa weil es bezüglich des jeweiligen Betriebsübergangs an einer ordnungsgemäßen Unterrichtung mangelte (vgl. insbesondere BAG v. 13.11.2014 – 8 AZR 776/13). Diese Grundsätze hatte das LAG in der Vorinstanz angewendet und dementsprechend entscheidend auf den letzten Betriebsübergang abgestellt.

Die neue Kategorie der „grundlegenden Informationen“

Das BAG hat dieses Prinzip in seiner Entscheidung vom 19.11.2015 grundsätzlich bestätigt: Nach wie vor muss ein Widerspruch zunächst in Bezug auf einen späteren Betriebsübergang möglich und erklärt sein, damit auch dem vorangehende Betriebsübergang noch mit Erfolg widersprochen werden kann.

Neu ist, dass die Möglichkeit des Widerspruchs gegen einen früheren Betriebsübergang selbst bei einem erfolgreichen Widerspruch gegen den nachfolgenden Betriebsübergang auch unterhalb der Schwelle einer nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung oder einer Verwirkung ausgeschlossen sein kann.

Ausgehend von der Annahme einer dem § 613a Abs. 6 BGB immanenten „Befriedungsfunktion“ konstituiert das BAG gewissermaßen eine „Verwirkung light“ und sieht das Widerspruchsrecht dann als erloschen an, wenn der Arbeitnehmer im Fall weiterer Betriebsübergänge in dem ursprünglichen Unterrichtungsschreiben zwar nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet worden war, ihm aber in diesem und dem Unterrichtungsschreiben über den nachfolgenden Betriebsübergang (1.) zumindest die „grundlegenden Informationen“ über „den mit dem letzten und dem vorangegangenen Betriebsübergang verbundenen jeweiligen Übergang seines Arbeitsverhältnisses unter Mitteilung des Zeitpunktes oder des geplanten Zeitpunktes sowie des Gegenstandes des jeweiligen Betriebsübergangs und des jeweiligen Betriebsübernehmers“ mitgeteilt wurden, er daraufhin (2.) nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Unterrichtung über den letzten Betriebsübergang widersprochen hat und (3.) diese Frist noch vor dem nachfolgenden Betriebsübergang abläuft.

Da die geforderten grundlegenden Informationen praktisch in jedem Unterrichtungsschreiben enthalten sein dürften, hat das BAG damit die Hürde für ein Erlöschen des Widerspruchsrechts im Fall zeitlich aufeinanderfolgender Betriebsübergänge deutlich gesenkt. Die Möglichkeit der Rückabwicklung mehrerer Betriebsübergänge durch Widerspruch des Arbeitnehmers ist damit in der Praxis ganz erheblich eingeschränkt: Sofern die Monatsfrist gewahrt ist, dürfte ein erfolgreicher „Kettenwiderspruch“ regelmäßig kaum noch möglich sein. Auf eine ordnungsgemäße Unterrichtung im Sinne des § 613a Abs. 6 BGB über den ersten Betriebsübergang kommt es jedenfalls nicht mehr entscheidend an.

Fortgeltung der bisherigen Grundsätze bei Nichtablauf der Monatsfrist

Zu beachten ist, dass die neuen Maßstäbe des BAG nur dann gelten, wenn die Monatsfrist gewahrt ist, die Mitteilung der grundlegenden Informationen über den nachfolgenden Betriebsübergang also mindestens einen Monat vor diesem erfolgt ist. Sollte dies nicht der Fall sein, so bleibt es bei den bisher gültigen Regeln zum „Kettenwiderspruch“.

Grenze des Rechtsmissbrauchs

Interessant ist schließlich, wo das BAG die Grenzen eines in den ersten Besprechungen dieses Urteils gelegentlich befürchteten Missbrauchs seiner neuen Rechtsprechung sehen könnte und wie es darauf ggf. reagieren wird. In der genannten Entscheidung hat es sich mit dem Verweis auf „Anhaltspunkte, die […] ausnahmsweise eine andere Bewertung gebieten könnten“ insoweit zumindest eine Hintertür offen gelassen. Der „Betriebsübergang zur Heilung von Fehlern eines Unterrichtungsschreibens“ dürfte aber schon aus Gründen der Praktikabilität eher die Ausnahme bleiben.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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