Arbeitgeber und Betriebsrat sollen gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG vertrauensvoll zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenarbeiten. Dieses hehre Ziel wird in der Praxis häufig nicht erreicht. Stattdessen kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den Betriebsparteien. Dem Arbeitgeber verbleibt im Falle von Konflikten lediglich die Möglichkeit, die Auflösung des Betriebsrats oder den Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht zu beantragen. Da die Anforderungen hierfür sehr hoch sind, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber auf etwaige Verstöße des Betriebsrats anderweitig reagieren kann. Dies hat das Arbeitsgericht Solingen mit seiner Entscheidung vom 18.02.2016 (Az.: 3 BV 15/15) bejaht, indem es die Abmahnung des Betriebsratsgremiums insgesamt für zulässig erachtete.
Sachverhalt
Hintergrund der streitgegenständlichen Abmahnung des Betriebsrats war eine nach Auffassung des Arbeitgebers zu kurzfristige Einberufung einer Betriebsversammlung. Der Betriebsrat beschloss am 26.03.2015, „aus aktuellem Anlass“ eine Abteilungsversammlung noch am gleichen Tag einzuberufen. Aufgrund der kurzfristigen Einberufung forderte der Arbeitgeber den Betriebsrat auf, die Versammlung nicht durchzuführen. Dem kam der Betriebsrat nach. Er führte aber stattdessen vier Tage später am 30.03.2015 eine Betriebsversammlung durch. Daraufhin sprach der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat eine „betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“ aus. Er rügte unter anderem die Kurzfristigkeit der Einberufung der Betriebsversammlung und forderte den Betriebsrat auf, künftig bestimmte Vorgaben einzuhalten. Zugleich kündigte er im Falle eines wiederholten Verstoßes die Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 BetrVG an. Hiergegen wandte sich der Betriebsrat und klagte vor dem Arbeitsgericht Solingen auf Rücknahme der Abmahnung.
Entscheidung
Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Betriebsrats als unzulässig und unbegründet zurück. Es stellte insoweit klar, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Betriebsratsgremium zulässig sei. Die Abmahnung sei insbesondere keine Behinderung der Betriebsratsarbeit; vielmehr könne sie sogar Ausdruck des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG sein. Da ein Arbeitgeber gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG bei einer groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten lediglich die Auflösung des Betriebsrats beantragen könne, sei eine vorherige betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung regelmäßig ein geeignetes, milderes Mittel im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung gegenüber dem Betriebsratsgremium komme daher die Funktion einer „gelben Karte“ vor Erteilung einer „roten Karte“ – der Auflösung des Betriebsrats – zu.
Bewertung
Die Entscheidung stellt eine neue Facette der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung dar. Während die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung einzelner Betriebsratsmitglieder im Schrifttum und der Rechtsprechung (BAG, Urteil v. 05.12.1975 – 1 AZR 94/74; LAG Düsseldorf, Beschluss v. 23.02.1993 – 8 TaBV 245/92) überwiegend für unzulässig erachtet wird, hat das Arbeitsgericht Solingen erstmals die Zulässigkeit der Abmahnung des gesamten Gremiums bejaht. Dem Arbeitgeber wird damit eine zusätzliche Möglichkeit an die Hand gegeben, betriebsverfassungswidriges Verhalten des Betriebsrats zu rügen. Die Abmahnung darf jedoch nicht als zwingende Voraussetzung für einen Auflösungs- oder Ausschlussantrag des Arbeitgebers nach § 23 Abs. 1 BetrVG missverstanden werden. Da ein solcher Antrag lediglich bei einer „groben Verletzung der gesetzlichen Pflichten“ begründet ist, sind die rechtlichen Anforderungen hierfür bereits sehr hoch. Ein Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG kann daher nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Die Relevanz der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung beschränkt sich daher vielmehr auf die Rüge- und Hinweisfunktion und stellt keine zusätzliche Voraussetzung für einen Antrag nach § 23 BetrVG dar.
Praxishinweise
Sollte es zu Beanstandungen des Arbeitgebers im Hinblick auf die Ausführung der Betriebsratstätigkeit kommen, kann gegenüber dem Gremium eine Abmahnung ausgesprochen werden. Hierbei sollte klargestellt werden, dass es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung handelt, mit der eine Verletzung der Amtspflichten gerügt wird. Ferner ist darauf zu achten, dass der betriebsverfassungsrechtliche Verstoß korrekt und hinreichend konkret bezeichnet wird. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung des BAG besteht ein Entfernungsanspruch insbesondere dann, wenn die (betriebsverfassungsrechtliche) Abmahnung inhaltlich zu unbestimmt ist oder unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält (BAG, Beschluss v. 04.12.2013 – 7 ABR 7/12). Da sich die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung auf die Verletzung von Amtspflichten bezieht und diese von den arbeitsvertraglichen Pflichten streng zu trennen sind, kann im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung auch nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Falle eines wiederholten Verstoßes gedroht werden. Eine solche Drohung würde zur Unwirksamkeit der Abmahnung führen (BAG, Beschluss v. 09.09.2015 – 7 ABR 69/13).