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Arbeitsrecht 4.0 Betriebsverfassung

Mitbestimmung bei Social Engineering Tests – „Zuverlässigkeitstest 4.0“

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Social Engineering Tests

Cybersecurity-Konzepte und mögliche technische Lösungen zur Abwehr gezielter Angriffe auf die IT-Infrastruktur eines Unternehmens stehen immer stärker im Fokus. Dabei wird aber häufig der „Faktor Mensch“ außer Acht gelassen. Die als Social Engineers bekannt gewordenen Cyberkriminellen versuchen gezielt, Mitarbeiter zu beeinflussen, um sie zur Preisgabe von Geschäftsgeheimnisse oder einem anderen für das Unternehmen wirtschaftlich nachteiligen Handeln zu bewegen. Grund genug, ein entsprechendes Konzept mit Gegenmaßnahmen zu implementieren. Bei dessen Einführung stellt sich immer die Frage: Hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht?

Informations- und Mitbestimmungsrechte

Die Einführung (grundsätzlich zulässiger) Social Engineering Tests dient der Prüfung der Reaktion von Mitarbeitern und Identifikation möglicher Schwachstellen im Sicherheitskonzept. Sie unterscheidet sich von klassischen (analogen) Zuverlässigkeitskontrollen dadurch, dass der Arbeitgeber nicht offen und nicht aufgrund konkreter Verdachtsmomente gegen einen einzelnen Mitarbeiter handeln kann. Er ist auf abstraktes, verdecktes und präventives Vorgehen angewiesen.

Die Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers (zwecks realistischer Testbedingungen) werden regelmäßig mit dem allgemeinen Informationsinteresse des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG kollidieren. Im konkreten Einzelfall ist auszutarieren, welche Informationen der Betriebsrat wann benötigt, um z.B. seinen gesetzlichen Überwachungsaufgaben nachzukommen. In jedem Fall sollte der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat das Thema Verschwiegenheit gegenüber der Belegschaft während laufender Tests thematisieren.

Mitbestimmungsrechte im Sinne zwingender Mitbestimmung können sich nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergeben, wenn der Arbeitgeber (oder externe Dienstleister) mittels technischer Einrichtungen das Arbeitnehmerverhalten überwachen (könnten) – beispielsweise also, wenn die Reaktion auf verdächtige e-Mails abgeprüft wird.

Da die meisten „Standard“-IT-Betriebsvereinbarungen sich zu Social Engineering Tests ausschweigen, wird es regelmäßig sinnvoll sein, in diesen Fällen eine Ergänzungsregelung zu verhandeln. In dieser kann zugleich die datenschutzrechtlich stets komplexe Übermittlung von Daten auch zwischen Arbeitgeber und externem Auditor abgedeckt werden, was insbesondere vor dem Hintergrund der DSGVO praxisrelevant sein wird.

Der Betriebsrat hat kein Mitspracherecht hinsichtlich der Auswahl der Testpersonen, solange der Arbeitgeber nicht willkürlich oder diskriminierend bestimmte Arbeitnehmer heraussucht. Dem kann durch ein zufallsbasiertes System begegnet werden.


Social Engineering: Vom „Microsoft-Anruf“ zur „Chef-Masche“

Die Erscheinungsformen von Social Engineering sind vielfältig. Beispielhaft wurden in letzter Zeit die so genannten „Microsoft-Anrufe“ bekannt, bei denen angebliche Mitarbeiter von Microsoft Zielpersonen anrufen und diesen mitteilen, dass ihr PC-System akut sicherheitsgefährdet sei. Nur das Befolgen konkreter Anweisungen (lies: die Installation einer Remote Access-Software) könne diese Sicherheitslücke beheben. Es bedarf keiner großen Phantasie, um sich vorzustellen, wie Social Engineers mit dieser Taktik auch in gesicherte Unternehmensnetzwerke vordringen könnten.

Massive Schäden im Unternehmen kann auch die so genannte „Chef-Masche“ anrichten, wie kürzlich bei dem Automobilzulieferer Leoni. Eine Vielzahl weiterer Fälle ist nur zum Teil bekannt geworden. In diesem Szenario gibt sich der „Social Engineer“ unter Verwendung gefälschter Dokumente und Identitäten sowie unter Nutzung elektronischer Kommunikationswege als Unternehmensvorstand oder hochrangiger Mitarbeiter aus, der Mitarbeitern im Unternehmen direkte Anweisungen erteilt – etwa zur Veranlassung von Zahlungen auf unbekannte Konten, die sich im Falle von Leoni auf einer Abfluss liquider Mittel von rund 40 Mio. EUR summierten.

Informationsrechte

Dem Betriebsrat steht ein Informationsrecht nach § 80 Abs. 2 BetrVG zu, welches sowohl aufgaben- als auch anlassbezogen ist. Er muss so rechtzeitig über Planungen des Arbeitgebers informiert werden, dass ihm eine Einflussnahme noch möglich ist. Daher wird man dem Betriebsrat ein Informationsrecht darüber zugestehen müssen,

  • dass überhaupt Social Engineering Tests durchgeführt werden,
  • ob diese intern oder über einen externen Anbieter durchgeführt werden,
  • nach welchem System die Auswahl der Zielmitarbeiter erfolgt,
  • und welche Daten ggf. an einen externen Dienstleister übermittelt werden bzw. wie mit dem Ergebnis der Tests (Datenspeicherung bzw. –löschung) umzugehen ist.

Der Betriebsrat hat jedoch kein Recht auf Auskunft dahingehend, welche konkreten Erkenntnisse aus der Testmaßname resultieren.

Mitbestimmungsrechte

Der Betriebsrat kann bei Social Engineering Tests nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmen, da es schon an einer Regelung mit Relevanz für das betriebliche Ordnungsverhalten mangelt. Es wird schlicht die bestehende Situation unter möglichst realistischen Bedingungen überprüft.

Auch kann der Betriebsrat nicht den Einsatz eines externen Dienstleisters mitbestimmen, der das Audit durchführt. Bei Social Engineering Tests kommt es regelmäßig zu keiner Eingliederung in den Betrieb im Sinne des § 99 BetrVG; vielmehr gehört es zur Natur der Sache, dass Betriebsfremde von außen tätig werden.

Regelmäßig wird jedoch eine Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG relevant werden, wenn etwa geprüft wird, ob ein Arbeitnehmer eine auf einem USB-Stick ins Unternehmen gereichte Datei öffnet, ob er verdächtige Links in e-Mails anklickt oder entsprechende Internetadressen manuell ansurft oder auf Anleitung eines „Supportmitarbeiters“ am Telefon die Firewall und den Virenscanner abschaltet und ein angebliches Update installiert.

Betriebsvereinbarung zu Social Engineering Tests

Eine Betriebsvereinbarung zu Social Engineering Tests muss also vornehmlich die oben genannte Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abdecken.

Zusätzlich bietet sie eine taugliche Eingriffsgrundlage im Sinne des BDSG über die §§ 28, 32 BDSG hinaus. Insbesondere aufgrund der Anforderungen, die die DSGVO ab 2018 an eine zulässige Datenerhebung, Speicherung, Übermittlung und Nutzung stellen wird, ist ein Vorgehen nur auf Grundlage der gesetzlichen Rahmenbedingungen bzw. individueller (widerruflicher) Einwilligungen risikobehaftet. Bei den zu übermittelnden Daten sollte sich der Arbeitgeber auf diejenigen Informationen beschränken, die öffentlich sind oder jedenfalls relativ schnell ermittelt werden können; intern bekannte, sensible Informationen haben im Rahmen von Social Engineering Tests keinen Platz.

 

Zu den Erscheinungsformen und Problemschwerpunkten der so genannten „Chef-Masche“ lesen Sie mehr im Beitrag von Saal, bereits veröffentlicht auf diesem Blog. Die Reihe wird fortgesetzt.

Dr. Till Heimann

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Till Heimann berät Arbeitgeber mit Fokus auf Unter­neh­mens­trans­ak­tio­nen (mit anschlie­ßen­der Integration), Umstruk­tu­rie­run­gen auf Unter­neh­mens- und Betriebsebene und Har­mo­ni­sie­rung von Arbeits­be­din­gun­gen. Besondere Expertise besitzt Till Heimann darüber hinaus hinsichtlich der Beratung zu regulierter Vergütung (Banken/Kapitalanlagegesellschaften u.A. Institute), von Unternehmen der Technologiebranche sowie von Startups. Er besitzt langjährige Erfahrung in der Steuerung inter­na­tio­na­ler Projekte. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "ESG".
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