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Arbeitsvertrag

Erledigungsklauseln in Arbeitsverträgen – Problem erkannt, Gefahr gebannt?

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Zum Einsatz von Erledigungsklauseln bei Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags im laufenden Arbeitsverhältnis

Nicht ganz selten in der Praxis: Ein Arbeitsvertrag wurde vor vielen Jahren abgeschlossen; inzwischen „passt“ er nicht mehr: Infolge eines beruflichen Aufstiegs hat sich die Tätigkeit grundlegend verändert oder haben sich die Vereinbarungen sonst überlebt und sollen der Realität angepasst werden. Vielleicht wollen die Vertragsparteien auch einen wiederkehrenden Streitpunkt aus der Welt schaffen. Nicht zuletzt kann sich die Rechtslage (z.B. durch geänderte Rechtsprechung) geändert haben und der „alte“ Vertrag ist deswegen in Teilen unwirksam oder könnte es sein.

Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit einer Regelung dazu, dass damit auch alle Ansprüche aus dem vorangegangenen Arbeitsvertrag erledigt sind, sollte doch hier Abhilfe schaffen können. Einige jüngere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts („BAG“) zu negativen Schuldanerkenntnissen schärfen diesen Blick (Urteile vom 21.04.2016 – 8 AZR 474/14, vom 27.01.2016 – 5 AZR 277/14 sowie vom 23.10.2013 – 5 AZR 135/12):

Erledigungsklauseln – bedingt hilfreich

Vereinbaren die Parteien den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, so wird es vielfach im beiderseitigen Interesse liegen, die Vergangenheit tatsächlich abzuschließen. Insofern könnte an eine „Erledigungsklausel“ gedacht werden, die bestätigt, dass die Bedingungen des neuen Arbeitsvertrages diejenigen des bisherigen ersetzen und zudem sämtliche Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsvertrag, gleich welcher Art und gleich ob bekannt oder unbekannt, abgegolten und erledigt sind. Wie eine solche Erledigungsklausel zu verstehen ist und ob sie tatsächlich eine wirksame Erledigung etwaiger Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis herbeiführt und somit die gewünschte Befriedungsfunktion hat, ist allerdings zunächst noch zu ermitteln. So gibt es zunächst diverse Schranken:

Soll sich die Erledigungsklausel auf tarifliche Rechte beziehen, so bedürfte es eines von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleichs, § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG. Dies jedenfalls dann, wenn der Tarifvertrag aufgrund beiderseitiger Tarifbindung normativ oder aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gilt. Ebenso sind Rechte aus Betriebsvereinbarungen ohne Zustimmung des Betriebsrates unverzichtbar, § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG. Gleiches gilt bei gesetzlich begründeten Ansprüchen, sofern sie im laufenden Arbeitsverhältnis durch Individualvereinbarung nicht verzichtbar sind, etwa der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub, § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. Nicht vom Verzichtsverbot erfasst sind allerdings sogenannte Tatsachenvergleiche, mittels derer die Parteien ihre Meinungsverschiedenheiten über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzung eines durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung begründeten Anspruchs durch Vereinbarung beilegen.

Formularmäßig verwendete Erledigungsklauseln müssen zudem die AGB-Kontrolle bestehen. Keinesfalls dürfen sie daher „versteckt“ unter falschen oder irreführenden Überschriften in einen neuen Arbeitsvertrag aufgenommen werden, anderenfalls werden sie nicht Vertragsinhalt, § 305c Abs. 1 BGB. Ebenso wenig dürfen sie einseitig nur Rechte des Arbeitnehmers für erledigt erklären oder rückwirkend bestehende Regelungen abändern mit der Folge einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers. Unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB ist dabei jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sind, und durch gleichwertige Vorteile beim Arbeitnehmer ausgeglichen wird (BAG, Urt. v. 21.04.2016 – 8 AZR 474/14).


Deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnis

Schließlich stellt sich ganz grundsätzlich die Frage nach Reichweite und Bedeutung einer solchen Erledigungsklausel, die grundsätzlich entweder konstitutiv oder deklaratorisch wirken kann.

Im Regelfall dürfte ihre Auslegung ergeben, dass ihr deklaratorische Bedeutung zukommt: Die Parteien wollen mit ihr (lediglich) dokumentieren, wovon sie ohnehin ausgehen, also dass Ansprüche zwischen ihnen aus dem bislang zurückgelegten Arbeitsverhältnis nicht mehr bestehen. Eine Auslegung wird in aller Regel hingegen nicht ergeben, dass die Vertragsparteien mit der Erledigungsklausel eine eigenständige und vom zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis losgelöste Vereinbarung über das Nichtbestehen von Ansprüchen (und damit ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis) treffen wollten. Ein deklaratorisches negatives Schuldanerkenntnisses bewirkt somit, dass sich die Arbeitsvertragsparteien auf solche Einwendungen rechtlicher und tatsächlicher Natur nicht mehr berufen können und mit der Geltendmachung sämtlicher Einreden gegen das Erlöschen der Forderung ausgeschlossen sind, die ihnen bei Abgabe ihrer Erklärung bekannt waren oder mit denen sie jeweils zumindest rechneten.

In seiner Rechtsprechung ist das BAG in Bezug auf die Annahme konstitutiver Erledigungsklauseln deutlich zurückhaltend (vgl. BAG, Urt. v. 27.01.2016 – 5 AZR 277/14: „allenfalls …deklaratorisch“), sofern nicht eine solche Vereinbarung nach vorangegangenen Streit als Bestandteil des gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs oder im Rahmen eines die Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelnden Aufhebungsvertrags abgegeben wird. Die Angabe eines Schuldgrundes spreche auch „entscheidend“ für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis (BAG, Urt. v. 21.04.2016 –  8 AZR 474/14). Wenn auch „unbekannte“ Ansprüche erfasst sind, geht zumindest der Fünfte Senat des BAG eher von einer bloß deklaratorisch wirkenden Vereinbarung aus, es sei denn, sie wurden im Rahmen eines Vergleichs oder bei Aufhebungsverträgen getroffen.

Fazit

Erledigungsklauseln in Arbeitsverträgen, mit denen eventuell bestehende Ansprüche aus vorangegangenen vertraglichen Vereinbarungen als abgegolten und erledigt erklärt werden sollen, tragen auch im laufenden Arbeitsverhältnis ‑ in den aufgezeigten Grenzen ‑ zur Befriedung bei. Sie sollten daher stets in Betracht gezogen werden, wenn ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen wird.

Alternativ kommt auch die Gestaltung mittels eines gesonderten Vertrags in Betracht. Gibt es tatsächlichen Streit über den Umfang bestehender Ansprüche aus dem bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses, z. B. über das Bestehen und den Umfang von Vergütungsansprüchen für geleistete Mehrarbeit, so läge ein Weg zur rechtssicheren Gestaltung in einem gesonderten Vertrag – dann aber mit einer Kompensationsleistung für den Arbeitnehmer und ausdrücklicher Bezeichnung der erledigten Ansprüche.

Stefan Fischer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Stefan Fischer berät nationale und internationale Unternehmen umfassend vor allem in betriebsverfassungsrechtlichen und tarifrechtlichen Themen, etwa bei Restrukturierungs- einschließlich Integrationsmaßnahmen oder bei (Sanierungs-)Tarifverträgen, sowie bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen (u.a. zur Vergütung, zur Arbeitszeit, zu IT-Einführung, Einführung neuer Arbeitsmethoden). Er ist außerdem sehr erfahren in der arbeitsgerichtlichen Prozessführung, u.a. im Zusammenhang mit Compliance-Fragen, sowie in der Gestaltung und Beendigung von Dienstverträgen von Vorständen und Geschäftsführern. Stefan Fischer ist aktives Mitglied in der International Practice Group für Global Mobility/Immigration von Ius Laboris. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Aufsichtsratsberatung".
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