In Teil 1 unseres Beitrags zur „Chef-Masche“ haben wir aufgezeigt, an welchen Indizien ein Betrugsversuch zu erkennen ist und welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen können, um sich vor derartigen betrügerischen Angriffen zu schützen. Teil 2 beleuchtet mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen für die in unberechtigte Zahlungsvorgänge involvierten Mitarbeiter.
Wird ein Unternehmen Opfer der „Chef-Masche“, kann nicht nur ein immenser finanzieller Schaden entstehen. Vielfach wird auch das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und den in die Zahlungsvorgänge involvierten Arbeitnehmern (ob zu Recht oder Unrecht) schwer belastet. Arbeitsrechtliche Konsequenzen haben die Arbeitnehmer indes nur dann zu befürchten, wenn sie nicht lediglich Opfer eines (nur schwer durchschaubaren) Betrugsversuchs geworden sind, sondern dabei auch schuldhaft gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen haben. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Arbeitnehmer durch ihr Verhalten gegen Arbeitsanweisungen verstoßen haben.
Die in Teil 1 unseres Beitrags empfohlenen arbeitgeberseitigen Vorgaben für die Bearbeitung von Zahlungsaufträgen und die Durchführung von Überweisungen minimieren also nicht nur das Risiko, überhaupt Opfer von Betrugsmaschen zu werden. Sie verbessern auch die arbeitsrechtliche Ausgangssituation, falls es doch zu einer unberechtigten Zahlung gekommen ist. Doch welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen kommen realistischerweise in Betracht?
Abmahnung?
Existiert im Unternehmen eine Arbeitsanweisung für die Bearbeitung von Zahlungsaufträgen sowie die Durchführung von Überweisungen und verstößt der Arbeitnehmer dagegen, kann der Arbeitgeber ihn wegen Nichtbefolgung der Arbeitsanweisung abmahnen. Denn durch die Nichtbefolgung einer konkreten, ihm bekannten Arbeitsanweisung verletzt der Arbeitnehmer zweifellos seine arbeitsvertraglichen Pflichten.
Zwar mag die Abmahnung aus Sicht des Arbeitgebers eine unzureichende Reaktion auf eine gegebenenfalls mit erheblichen finanziellen Schäden verbundene Pflichtwidrigkeit darstellen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass das deutsche Kündigungsschutzrecht nicht auf eine Sanktionierung vergangenen Fehlverhaltens, sondern auf die Vermeidung zukünftiger Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses ausgerichtet ist.
In vielen Fällen dürfte der Ausspruch einer Abmahnung ausreichen, um ein erneutes, gleichartiges Fehlverhalten des abgemahnten Arbeitnehmers in der Zukunft zu verhindern. Mit anderen Worten: Auf die „Chef-Masche“ wird der abgemahnte Arbeitnehmer nicht noch einmal hereinfallen.
Kündigung?
Spricht der Arbeitgeber im Falle eines Verstoßes gegen die internen Arbeitsanweisungen unmittelbar – das heißt ohne vorherige einschlägige Abmahnung – eine Kündigung aus, wird diese häufig wegen Verstoßes gegen das Ultima-Ratio-Prinzip unwirksam sein. Denn wie vorstehend gezeigt, stellt die Abmahnung im Regelfall ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
In besonderen Ausnahmefällen kann eine sofortige Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung indes durchaus gerechtfertigt sein. Denn eine Abmahnung wird insbesondere dann für entbehrlich gehalten, wenn es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Zumindest wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer im Vorfeld über die „Chef Masche“ informiert und ihnen die Einhaltung der entsprechenden Arbeitsanweisungen noch einmal besonders eingeschärft hat, kann ein solcher Fall vorliegen.
Dies gilt vor allem, wenn es sich bei dem betroffenen Arbeitnehmer um eine Führungskraft in besonderer Vertrauensposition handelt (z.B. den Leiter Finanzen), da in diesem Fall eher von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung ausgegangen werden kann. Sicherlich wird es zudem eine Rolle spielen, wie leicht die Betrugsmasche im jeweiligen Einzelfall zu durchschauen war.
Rechtskräftige Gerichtsurteile zu Kündigungssachverhalten im Zusammenhang mit der „Chef-Masche“ existieren – soweit ersichtlich – noch nicht, was gewisse Rechtsunsicherheiten nach sich zieht. Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber idealerweise möglichst frühzeitig, spätestens aber vor dem Ausspruch einer Abmahnung oder gar Kündigung (fach-)anwaltlichen Rat einholen, um insoweit keine unnötigen Fehler zu begehen.
Schadensersatz?
Da die betroffenen Unternehmen das zu Unrecht überwiesene Geld meist nicht oder jedenfalls nicht vollständig zurückerlangen, stellt sich die Frage nach einer möglichen Schadensersatzpflicht der in die Überweisungen involvierten Arbeitnehmer. Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zu, wenn dieser schuldhaft eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Mithin zeigt sich auch insoweit die Bedeutung konkreter Arbeitsanweisungen. Denn deren schuldhafte Missachtung kann durchaus die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden.
Bei der Inanspruchnahme eines Arbeitnehmers auf Schadensersatz gelten allerdings die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Danach haftet der Arbeitnehmer lediglich abhängig vom Grad seines Verschuldens, wobei sich das (vom Arbeitgeber zu beweisende!) Vertretenmüssen – anders als im allgemeinen Schadensrecht – nicht nur auf die Pflichtverletzung selbst, sondern auch auf den Schaden beziehen muss. Gerade letzteres erschwert die Realisierung eines Schadensersatzanspruchs häufig beträchtlich, da die Pflichtverletzung (Verstoß gegen die Arbeitsanweisung) zwar möglicherweise bewusst erfolgt, den Arbeitnehmern im Hinblick auf den Schadenseintritt jedoch allenfalls leichte Fahrlässigkeit nachzuweisen ist.
Hilfreich kann es auch insoweit sein, die Mitarbeiter im Vorfeld deutlich über die kursierende Betrugsmasche zu informieren und bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass jeder Verstoß gegen die Arbeitsanweisungen für die Bearbeitung von Zahlungsaufträgen erhebliche finanzielle Schäden nach sich ziehen kann. Einem derart instruierten Arbeitnehmer kann nämlich durchaus der Vorwurf gemacht werden, im Falle eines bewussten Verstoßes gegen die Arbeitsanweisungen einen Schaden zumindest billigend in Kauf genommen zu haben.
Fazit
Die neue Form des professionellen Unternehmensbetrugs kann hohe finanzielle Schäden anrichten. Arbeitgebern stehen jedoch praktikable Maßnahmen zur Verfügung, um die bestehenden Risiken zu minimieren. Die Unterrichtung der Mitarbeiter über die kursierende Betrugsmasche sowie klare Arbeitsanweisungen für die Bearbeitung von Zahlungsaufträgen und die Durchführung von Überweisungen sind dabei von entscheidender Bedeutung. Durch diese Maßnahmen dürfte eine Vielzahl von betrügerischen Angriffen von vorneherein vereitelt werden.
Selbst wenn ein Unternehmen jedoch Opfer der „Chef-Masche“ geworden ist, verbessern sie die arbeitsrechtliche Ausgangssituation. Gegenüber den an den Überweisungsvorgängen beteiligten Arbeitnehmern ist dabei in erster Linie der Ausspruch einer Abmahnung in Erwägung zu ziehen. Je nach Einzelfall kann aber auch eine (ggf. fristlose) Kündigung und/ oder die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs in Betracht kommen.