Am 16. November 2016 konnten wir uns in einer für die hessische Hotel- und Gaststättenbranche wichtigen Rechtsfrage zur Eingruppierung vor dem BAG durchsetzen (BAG, Urteile vom 16. November 2016 – 4 AZR 127/15 und 4 AZR 128/15). Beide Vorinstanzen entschieden zuvor gegen unsere Mandantin.
Worum ging es?
Die von uns vertretene Mandantin betreibt ein Hotel der gehobenen Klasse in Frankfurt. Auf die Arbeitsverhältnisse der ca. 250 bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer findet der Entgelttarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Hessen („ETV HGG“) Anwendung. In die Bewertungsgruppe („BWG“) 5 des ETV HGG sind Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung einzugruppieren. In die nächsthöhere BWG 6 des ETV HGG sind hingegen Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung und „mindestens zweijähriger Berufserfahrung im fachlich entsprechenden Tätigkeitsbereich“ einzugruppieren.
Gestützt auf den Wortlaut dieser Norm verlangten zwei Kellnerinnen nach Ablauf von zwei Jahren Tätigkeit eine Höhergruppierung von der BWG 5 in die BWG 6, da sie mittlerweile die erforderliche zweijährige Berufserfahrung besäßen; eine Änderung der Tätigkeiten war hingegen unstreitig nicht gegeben. Unsere Mandantin lehnte dies ab, da der bloße Zeitablauf für eine Höhergruppierung nicht ausreichend sei.
Prozessverlauf
Sowohl das ArbG als auch das LAG hielten die Klagen für begründet. Sie gaben den Klägerinnen Recht, da aufgrund des „eindeutigen Wortlauts“ der BG 6 eine Höhergruppierung gerechtfertigt sei und die Klägerinnen unstreitig über die geforderte Berufserfahrung verfügten. Das LAG ließ die Revision zum BAG zwar nicht zu.
Die von uns erhobene Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG war jedoch wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache erfolgreich, da die zu entscheidende Rechtsfrage über den konkreten Fall hinaus eine Ausstrahlung auf das gesamte hessische Hotel- und Gaststättengewerbe beinhaltet hätte.
Die Entscheidung des BAG
Nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung folgte das BAG unserer Argumentation. So sah das BAG die tarifliche Regelung der BWG 6, anders als die Vorinstanzen, als vom Wortlaut her nicht eindeutig und daher auslegungsfähig an.
Eine automatische Höhergruppierung durch bloßen Zeitablauf spiegele den Willen der Tarifvertragsparteien zudem nicht wider. Vielmehr ergebe sich aus der systematischen Auslegung des Tarifvertrages, dass für eine Höhergruppierung eine Änderung der Tätigkeiten erforderlich sei. Eine solche Änderung der Tätigkeiten der Klägerinnen lag im vorliegenden Fall jedoch unstreitig nicht vor.
Bedeutung der Entscheidung
Über die zu beurteilenden Einzelfälle hinaus hat die Entscheidung des BAG weitreichende Bedeutung. Nach der uns vom Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA erteilten Auskunft fallen von den insgesamt ca. 74.000 in Hessen beschäftigten Arbeitnehmern im Hotel- und Gaststättengewerbe rund 15.000 unter die Regelungen des ETV HGG. Von diesen rund 15.000 Arbeitnehmern sind wiederum etwa 3.500 in der BWG 5 des ETV HGG eingruppiert.
Hätte die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichtes Bestand gehabt, wären erhebliche Mehrbelastungen für die hessische Hotel- und Gaststättenbranche angefallen.
Beteiligte Rechtsanwälte
Das Verfahren wurde auf Seiten von Kliemt & Vollstädt durch Peter Hoppenstaedt (Partner) sowie die beiden Senior Associates Dr. Frank Zaumseil und Dr. Till Hoffmann-Remy betreut.