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Betriebsrat Vergütung

Betriebsrat: Keine Sonderbehandlung bei Fahrtzeiten

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Fahrtzeiten

EUR 40,35 – das ist der Betrag, um den vor dem Bundesarbeitsgericht für aufgewendete Fahrtzeiten eines Betriebsratsmitglieds von genau drei Stunden für insgesamt drei Sitzungen des Betriebsrats gestritten wurde. Das Arbeitsgericht hatte dem Betriebsratsmitglied diese Vergütung nicht zugestanden, das Landesarbeitsgericht dagegen schon und das erstinstanzliche Urteil aufgehoben. Im Revisionsverfahren hob das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. v. 27.07.2016 – 7 AZR 255/14) nun wiederum die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (Urt. v. 27.11.2013 – 2 Sa 18/13) auf. Dabei ging es um eine höchstrichterlich bislang nicht entschiedene Rechtsfrage: Ist die Zeit, die das Betriebsratsmitglied für die Fahrt von der Wohnung in den Betrieb zur Ausführung seiner Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit aufwendet, vergütungspflichtig? Die klare Antwort des BAG lautet nun: Nein.

Ehrenamt – Arbeitsbefreiung – Vergütung

Zunächst einmal sind für die Beantwortung dieser Frage die Grundsätze des § 37 BetrVG zu beachten, diese sind gleichsam die Ausgangslage:

  • Das Amt als Mitglied des Betriebsrates ist gem. § 37 Abs. 1 BetrVG ein Ehrenamt, eine besondere Vergütung gibt es für die Wahrnehmung des Amtes also nicht.
  • Mitglieder des Betriebsrats sind gem. § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, soweit es zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Nachteile dürfen und sollen dem Betriebsratsmitglied also auch nicht entstehen.
  • Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied gem. § 37 Abs. 3 BetrVG Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung. Ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.

Gelten diese Grundsätze uneingeschränkt auch dann, wenn – wie das klagende Betriebsratsmitglied behauptete – die Fahrten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit stehen?


Lohnausfallprinzip

Im vorliegenden Fall befand sich das Betriebsratsmitglied außerhalb seines Urlaubs berechtigt zu Hause und musste zu drei Sitzungen des Betriebsrates den Betrieb aufsuchen. Es argumentierte, die Fahrten wären ohne die anberaumten Sitzungen nicht erforderlich gewesen, deswegen bestehe der unmittelbare Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit.

Das BAG wies diese Argumentation zu Recht zurück. Es arbeitet in seiner Entscheidung vom 27.07.2016 – 7 AZR 255/14 auf Basis seiner bisherigen Rechtsprechung sehr differenziert heraus, wann und warum Vergütungspflicht bestehen kann.

Zunächst enthalte § 37 Abs. 3 BetrVG überhaupt keinen Vergütungsanspruch, es gelte das Lohnausfallprinzip. Der dort auch geregelte Freizeitausgleich für außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte Betriebsratstätigkeit betreffe lediglich die Folgen einer aus betriebsbedingten Gründen notwendigen Abweichung von dem Grundsatz, dass Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit stattzufinden hat (BAG, Urt. v. 28. Mai 2014 – 7 AZR 404/12).

Nur ausnahmsweise Vergütung

Soweit § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG ausnahmsweise eine Vergütung der für Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeit wie Mehrarbeit vorsehe, gelte nichts anderes: Der Vergütungsanspruch für die außerhalb der Arbeitszeit aufgewendete Zeit sei nur eine Kompensation dafür, dass der vorgesehene Freizeitausgleich aus Gründen, die in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, zeitnah nicht möglich ist. Ein von dem Grundsatz des unentgeltlichen Ehrenamts abweichender gesetzlicher Regelungsplan liege darin nicht (BAG, Urt. v. 28. Mai 2014 – 7 AZR 404/12).

Auch Fahrt- oder Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit aufwendet, können einen Anspruch auf Freizeitausgleich oder bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einen Vergütungsanspruch nach § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG auslösen, soweit sie mit der Durchführung der ihnen zugrunde liegenden Betriebsratstätigkeit in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen (BAG, Urt. v. 12. August 2009 – 7 AZR 218/08). Genau darauf hatte die Klägerin abgestellt.

Verstoß gegen das Begünstigungsverbot

Das BAG verwies nun aber auf § 78 Satz 2 BetrVG, wonach Mitglieder des Betriebsrates wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden dürfen. Für die Bewertung von Fahrt- und Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben aufwendet, dürften – so das BAG – also keine anderen Maßstäbe gelten als für Fahrtzeiten, die ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Arbeitspflicht aufwendet (vgl. BAG 12. August 2009 – 7 AZR 218/08).

Und danach gilt: Fahrtzeiten von Arbeitnehmern ohne Betriebsratsmandat von der Wohnung zum Betrieb sind in der Regel nicht als Arbeitszeit zu vergüten (BAG, Urt. v. 21. Dezember 2006 – 6 AZR 341/06). Solche Fahrtzeiten seien regelmäßig der Privatsphäre des Arbeitnehmers zugeordnet. Ob überhaupt und in welchem Umfang sie anfielen, hänge maßgeblich davon ab, welchen Wohnort ein Arbeitnehmer wählt. Dementsprechend seien auch Fahrtzeiten zwischen der Wohnung und dem Betrieb, die ein Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeit aufwendet, nicht vergütungspflichtig. Diese Entscheidung hat das BAG nun in  Kenntnis der EuGH-Rechtsprechung (Urt. v. 10.09.2015 – C-266/14 – [Tyco]) getroffen und trotz der vom EuGH festgestellten Wegezeit als Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn keinen Grund gesehen, seine nationale Rechtsprechung zur Wegezeit zu ändern, vgl. zur „Tyco“-Entscheidung im Einzelnen den Beitrag von Philipp Wiesenecker hier auf unserem Blog.

Ersatz von Reisekosten bleibt

Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Dies umfasst auch Reisekosten für die Fahrten von der Wohnung zum Betrieb außerhalb der Arbeitszeit zur Durchführung von Betriebsratsarbeit. Anderenfalls würde das Betriebsratsmitglied wegen seiner Tätigkeit benachteiligt, was einen Verstoß gegen § 78 S. 2 BetrVG bedeutete (BAG, Beschluss v. 16. Januar 2008 – 7 ABR 71/06).

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