Vor Beginn von Verhandlungen mit Betriebsräten steht oft die Frage: Wer ist der zuständige Verhandlungspartner? Dies wird vor allem dann relevant, wenn der Arbeitgeber Regelungen im gesamten Unternehmen oder Konzern einheitlich einführen will. Die Zuständigkeit ist regelmäßig von großer praktischer Bedeutung. Denn eine mit dem unzuständigen Gremium geschlossene Betriebsvereinbarung ist unwirksam. Leidtragender ist bei Fehlern in erster Linie der Arbeitgeber. Denn er muss zeitraubend erneut verhandeln und gegebenenfalls Gerichtsverfahren mit dem – vermeintlich – zuständigen lokalen Gremium führen.
Mit der Frage der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats beschäftigte sich jüngst das LAG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 17.6.2016 (6 TaBV 20/16). Es entschied, freiwillige jährliche Gehaltsanpassungen seien mitbestimmungsfrei. Daher könne der Arbeitgeber auch darüber entscheiden, ob er sie unternehmenseinheitlich einführen will. Tut er dies, sei der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss einer entsprechenden Gesamtbetriebsvereinbarung originär zuständig.
Rechtlicher Rahmen der originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates
Die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats verdrängt nach § 50 Abs. 1 BetrVG die Zuständigkeit des lokalen Betriebsrats unter zwei Voraussetzungen:
- die Angelegenheit ist überbetrieblich, betrifft also mehrere Betriebe
- die Angelegenheit kann nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen der subjektiven und objektiven Regelungsunmöglichkeit. Für die Entscheidung des LAG Düsseldorf war vor allem die subjektive Variante relevant. Diese liegt unter anderem im Falle freiwilliger Maßnahmen vor, die der Arbeitgeber von der unternehmenseinheitlichen Einführung abhängig macht. Plant der Arbeitgeber freiwillige Maßnahmen betriebsübergreifend einheitlich zu regeln, resultiert schon aus dieser Planung selbst, dass der lokale Betriebsrat die Angelegenheit nicht wird regeln können. Die Regelung ist dem lokalen Betriebsrat dann subjektiv unmöglich.
Hintergrund der Entscheidung
Der Entscheidung des LAG Düsseldorf lag ein Streit über die Regelung eines Vergütungssystems zu Grunde, das im gesamten Unternehmen einheitlich angewendet werden sollte. Insbesondere sollte eine Entgeltstruktur mit Mindestvergütungen und jährlichen Gehaltsanpassungen vereinbart werden. Die Regelungen zur Vergütungsstruktur waren, wie auch bereits in der gekündigten Vorgängervereinbarung, mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelt worden. Die lokalen Betriebsräte der beteiligten Arbeitgeberin waren aufgrund der unternehmensweiten Umsetzung nicht beteiligt worden. Einer der bei der Arbeitgeberin gebildeten lokalen Betriebsräte leitete daraufhin ein Einigungsstellenverfahren über die Regelungsthematik ein. Die Einigungsstelle stellte jedoch ihre Unzuständigkeit fest, weil der lokale Betriebsrat für die Regelung nicht zuständig sei. Gegen den Spruch der Einigungsstelle wandte sich der lokale Betriebsrat.
Mitbestimmung bei Vergütungsfragen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
Das LAG Düsseldorf entschied, die Regelungsmaterie der streitgegenständlichen Gesamtbetriebsvereinbarung sei in den entscheidenden Punkten nicht mitbestimmungspflichtig. In Betracht käme für die Regelung einer jährlichen Gehaltsanpassung nur ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Nach dem Gesetzeswortlaut seien Entlohnungsgrundsätze und -methoden mitbestimmungspflichtig. Regelungen zur absoluten Entgelthöhe seien der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates jedoch entzogen. Das LAG stützt sich hierbei vor allem auf den Wortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, der Geldfaktoren nicht ausdrücklich in die Mitbestimmung einbezieht. Eine regelmäßige Prüfung und Anpassung des Entgelts betreffe die Vergütungshöhe und sei daher eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Eine gesetzliche Verpflichtung zu laufender Vergütungsanpassung bestehe nicht.
Originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates für die gesamte Angelegenheit
Daraus folgert das LAG, der Abschluss der betrieblichen Regelungen zur freiwilligen Gehaltsanpassung sei ebenso freiwillig. In der Folge sei die Regelung dem lokalen Betriebsrat subjektiv unmöglich, soweit der Arbeitgeber diese betriebsübergreifend einführen will. Der Gesamtbetriebsrat sei dann nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig.
Die originäre Zuständigkeit erstrecke sich vor allem auch auf die weiteren damit zusammenhängenden Regelungen der Betriebsvereinbarung. Dies zum einen wegen des Prinzips der Zuständigkeitstrennung, nach dem die Aufspaltung einer Regelungsangelegenheit nach unterschiedlichen Zuständigkeiten der einzelnen Vertretungsgremien zu unterbleiben hat. Zum anderen, weil sich aus der Grundvergütung zwangsläufig das Volumen der Gehaltsanpassung und damit die absolute Entgelthöhe ergebe. Würde eine Regelung zur Höhe des Grundgehalts der Zuständigkeit des Betriebsrats zugänglich sein, so könne dieser mittelbar die Entgelthöhe, die mitbestimmungsfrei ist, beeinflussen.
Die Entscheidung im Lichte der Rechtsprechung des BAG
Mit diesem Ergebnis steht das LAG Düsseldorf im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Dieses entschied in 2010 und 2011, wenn der Arbeitgeber eine Leistung freiwillig erbringe, könne er auch darüber entscheiden, auf welcher Mitbestimmungsebene er diese regeln will. Bei der Frage, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein Entgelt auszahlt, sei der Arbeitgeber jedoch nicht frei. Insbesondere auch bei AT-Angestellten, deren Vergütung sich nicht aus einem Entgelttarifvertrag ergibt, sei die Vergütung der Arbeit nicht freiwillig. Sie folge vielmehr zwingend aus § 612 Abs. 1 BGB (BAG v. 18.5.2010 – 1 ABR 96/08; BAG v. 23.3.2010 – 1 ABR 82/08). In einer späteren Entscheidung stellte der gleiche Senat klar, die Vergütungshöhe sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG weiter mitbestimmungsfrei (BAG v. 17.5.2011 – 1 AZR 797/09).
Das LAG analysiert diese Entscheidungen in seinen Ausführungen und gelangt richtig zu dem Ergebnis, auch nach den Grundsätzen der Entscheidungen des BAG, bleibe das zu beurteilende Regelungsthema freiwillig. Denn im zu entscheidenden Fall ging es gerade nicht um die Frage, „ob“ vergütet werden solle, sondern um die (mitbestimmungsfreie) konkrete Höhe der Vergütung.
Fazit
Die Bestimmung des zuständigen Verhandlungspartners ist maßgeblich vom Regelungsgegenstand abhängig und sollte bei betriebsübergreifenden Vorhaben in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Für den Bereich der Mitbestimmung zu Vergütungsfragen ist zu differenzieren zwischen dem mitbestimmungspflichtigen „ob“ der Vergütung und der freiwilligen Regelung zur konkreten Höhe. Regelungen zur Entgelthöhe, wie freiwillige Gehaltsanpassungen, sind freiwillige Regelungstatbestände und können mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelt werden, wenn sie unternehmenseinheitlich eingeführt werden sollen.