Schaltet der Arbeitgeber auf seiner Facebook-Seite die Pinnwandfunktion frei, so dass Besucher Kommentare auch über das Verhalten oder die Leistung einzelner Mitarbeiter veröffentlichen können, unterliegt dies der Mitbestimmung des Betriebsrats. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) laut Pressemitteilung mit Beschluss vom 13.12.2016 (1 ABR 7/15) entschieden. Damit hat das BAG erstmals zu der umstrittenen und zugleich hochgradig praxisrelevanten Frage Stellung genommen, wann ein Social Media-Auftritt zur mitbestimmungspflichtigen Überwachungseinrichtung wird.
Worum ging es in dem Fall?
Der Beschluss des BAG sollte alle Unternehmen aufhorchen lassen, die Social Media als Marketinginstrument und insoweit zur zeitgemäßen Interaktion mit Kunden, Klienten oder Patienten nutzen. Denn der zugrundeliegende Sachverhalt ist alles andere als außergewöhnlich:
Der Arbeitgeber, ein Betreiber von Blutspendezentren, richtete ohne Beteiligung des Betriebsrats eine Facebook-Seite ein. Die Mitarbeiter wurden mittels Social Media-Leitfaden auf die Einhaltung der „Netiquette“ hingewiesen. Eine Gruppe von etwa zehn Mitarbeitern übernahm die Betreuung der Facebook-Seite und erhielt hierfür eine Administratorenkennung. Ferner wurde die virtuelle Facebook-Pinnwand freigeschaltet, so dass externe Besucher hierauf Kommentare einstellen konnten. Bereits kurze Zeit später hinterließ ein Blutspender folgenden Kommentar auf der Pinnwand:
„Ich war am 14. April 2013 in N. mein kostbares abzapfen lassen. Gehe schon spenden seit ich 18 bin. Muss aber sagen die gestern die Nadel gesetzt hat, solle es noch lernen. Stechen kann die nicht.“
Dieser sowie ein weiterer kritischer Besucher-Kommentar über einen anderen Mitarbeiter riefen den (Konzern-)Betriebsrat auf den Plan, der die Abschaltung der Facebook-Seite forderte. Letztlich jedenfalls teilweise mit Erfolg: Zwar muss die Facebook-Seite nicht abgeschaltet werden. Das BAG untersagte dem Unternehmen allerdings, den Besuchern der Facebook-Seite die Nutzung der Pinnwandfunktion zu ermöglichen, solange hierüber keine Einigung mit dem Betriebsrat erreicht ist.
Und das bedeutet?
Obwohl zu der Entscheidung vom 13.12.2016 bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, lassen sich jedenfalls erste Schlussfolgerungen ziehen. Festzuhalten ist zunächst, das Betreiben einer Facebook-Seite an sich ist nicht mitbestimmungspflichtig. Allerdings sind bereits in den Vorinstanzen (ArbG Düsseldorf v. 27.6.2014 – 14 BV 104/13 und LAG Düsseldorf v. 12.1.2015 – 9 TaBV 51/14) insbesondere folgende Punkte diskutiert worden:
- Ist die Pinnwandfunktion mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG?
- Ist die Betreuung der Facebook-Seite durch Mitarbeiter per Administratorenkennung mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG?
- Ist der Social Media-Leitfaden mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG?
Von hinten nach vorne:
Social Media-Leitfaden
Ob der Social Media-Leitfaden mitbestimmungspflichtig ist, konnten die Gerichte hier offen lassen. Denn das Betreiben der Facebook-Seite erfolgt unabhängig von der Verwendung des Social Media-Leitfadens. Bei einer Verletzung etwaiger Mitbestimmungsrechte könnte sich der Betriebsrat daher allenfalls gegen die Verwendung des Leitfadens wenden, nicht aber die Abschaltung der Facebook-Seite verlangen. Ob ein solcher Leitfaden überhaupt Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auslöst, hängt letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Denn wenn der Leitfaden nur die Social Media-Nutzung im privaten Bereich betrifft, wird das Mitbestimmungsrecht nicht ausgelöst. Werden Facebook & Co. allerdings als dienstliches Kommunikationsmittel eingeführt und insoweit verbindliche Vorgaben gemacht, kann dies das mitbestimmungspflichtige Ordnungsverhalten betreffen.
Mitarbeiter als Facebook-Administratoren
Die Betreuung der Facebook-Seite durch Mitarbeiter ist mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn diese Mitarbeiter individuelle Administratorenkennungen nutzen. Denn dann kann nachvollzogen werden, welcher Mitarbeiter wann welche Aktion auf der Facebook-Seite vorgenommen hat. Hieraus können unmittelbar Erkenntnisse über das Arbeitsverhalten des betroffenen Mitarbeiters gewonnen werden. Anders ist die Rechtslage allerdings, wenn sich eine größere Gruppe von Mitarbeitern über eine allgemeine Administratorenkennung einloggt. Denn wenn lediglich Rückschlüsse auf das Verhalten einer Gruppe von Mitarbeitern gezogen werden können, wird ein Mitbestimmungsrecht nicht ausgelöst. Dies war hier der Fall. Denn bei einer Gruppe von zehn Mitarbeitern kann selbst bei Urlaubsabwesenheit einzelner Mitarbeiter nicht nachvollzogen werden, wer sich wann als Administrator eingeloggt hat.
Pinnwand = Überwachungseinrichtung?
Die noch spannendere Frage ist allerdings, ob die Pinnwandfunktion die Facebook-Seite zur mitbestimmungspflichtigen Überwachungseinrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG macht. Während das LAG Düsseldorf dies verneint hatte, scheint das BAG diese Frage nunmehr zu bejahen – und damit den Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts weiter auszudehnen.
Denn eine Überwachungseinrichtung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BAG voraus, dass Verhaltens- bzw. Leistungsdaten auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden. Die Überwachung muss dabei durch die Einrichtung selbst bewirkt werden. Erforderlich ist also, dass die Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet. Diese Grundsätze hatte das BAG zuletzt noch in der „Google Maps“-Entscheidung betont (BAG v. 10.12.2013 – 1 ABR 43/12). Danach ist die Überprüfung von Entfernungsangaben in Reisekostenanträgen mithilfe von „Google Maps“ nicht mitbestimmungspflichtig. Vielmehr werde die Überprüfung der Entfernungsangaben durch menschliches Handeln in Gang gesetzt. So entscheide der mit der Prüfung der Fahrtkostenabrechnung betraute Sachbearbeiter eigenständig über den Einsatz des Routenplaners und die Verwendung der mit seiner Hilfe erzielten Informationen.
Das LAG Düsseldorf hat vor diesem Hintergrund gut nachvollziehbar argumentiert, dass durch Facebook selbst keine Verhaltens- oder Leistungsüberwachung bewirkt werde. Soweit die Möglichkeit bestehe, kritische personenbezogene Pinnwand-Kommentare zu hinterlassen, würden diese nicht von Facebook, sondern von Besuchern verfasst. Facebook selbst erfasse die Tätigkeit der Mitarbeiter nicht und könne die Mitarbeiter daher auch nicht überwachen. Soweit ein Besucher seine Beobachtungen in Form eines Kommentars wiedergebe, habe dies letztlich keine andere Qualität als das Verfassen einer E-Mail oder eines Beschwerdebriefs an den Arbeitgeber. Auch die Facebook-eigene Suchfunktion, mit der gezielt nach kritischen Kommentaren über namentlich benannte Mitarbeiter gesucht werden könne, mache die Pinnwand nicht zur Überwachungseinrichtung. Denn eine Überprüfung mittels Suchfunktion setze – vergleiche „Google Maps“ – menschliches Handeln und Entscheiden voraus, so dass jedenfalls keine automatisierte Verhaltens- bzw. Leistungskontrolle erfolge. Dem stünden schließlich auch Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts – Schutz des Persönlichkeitsrechts der Mitarbeiter vor anonymer technischer Kontrolle – nicht entgegen. Denn hier gehe es nicht um Gefahren durch die technische Kontrolle selbst, sondern um menschlich kontrolliertes Verhalten, nämlich um Äußerungen Dritter im Rahmen ihrer Meinungsfreiheit.
Mit Spannung ist insoweit zu erwarten, wie das BAG die entgegengesetzte Auffassung im Einzelnen begründet. Naheliegend ist, das BAG argumentiert insbesondere mit dem Normzweck und stellt den Schutz des Persönlichkeitsrechts in den Vordergrund. Denn zuzugeben ist, dass in sozialen Medien geäußerte – möglicherweise sogar unberechtigte – personenbezogene Kritik faktisch ein höheres Gefährdungspotenzial birgt („digitaler Pranger“) als nichtöffentlich geäußerte Kritik per Beschwerdebrief. Denkbar ist insoweit auch eine Differenzierung zwischen moderierten und nicht-moderierten Pinnwänden. Denn soweit Kommentare nicht unmittelbar veröffentlicht, sondern zunächst durch Administratoren freigegeben werden müssen, kann die unkontrollierte Veröffentlichung personenbezogener Kommentare unterbunden werden. Wobei dies einen für viele Unternehmen wohl nicht handhabbaren administrativen Aufwand mit sich bringen dürfte.
Besteht Handlungsbedarf für Arbeitgeber?
Welche Konsequenzen für die betriebliche Praxis gezogen werden müssen, wird sich erst dann abschließend bewerten lassen, wenn der Beschluss vom 13.12.2016 im Volltext vorliegt. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit dieser Entscheidung Vorgaben für die Nutzung anderer Social Media-Plattformen wie Xing, Linkedin oder Twitter entnommen werden müssen.
Ein besonderes Augenmerk sollte bereits jetzt auf den Umgang mit Pinnwand-Kommentaren gelegt werden. Jedenfalls dürfte ratsam sein, kritische Kommentare, die sich auf Verhalten oder Leistung identifizierbarer Mitarbeiter beziehen, rasch zu entfernen. Denn ohne „Anlassfall“ dürfte das Thema nicht so schnell auf der Agenda von Arbeitnehmervertretern landen.
Auch sollten bestehende IT-Betriebsvereinbarungen dahingehend überprüft werden, ob diese bereits Regelungen insbesondere zum Umgang mit Pinnwand- und ähnlichen Kommentarfunktionen auf Social Media-Plattformen beinhalten. Denn soweit diese Funktionalitäten nunmehr der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen und weiterhin genutzt werden sollen, empfiehlt sich die Vereinbarung entsprechender Betriebsvereinbarungen. Der „richtige“ Verhandlungspartner dürfte bei unternehmens- bzw. konzerneinheitlichem Social Media-Auftritt in aller Regel bereits aus technischen Gründen der Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat (soweit vorhanden) sein.
Mehr zu Praxisproblemen der Social Media-Nutzung finden Sie im Beitrag von Till Hoffmann-Remy.