Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie nimmt auf den letzten Metern noch einmal Fahrt auf. Ende Februar hat es einen Referentenentwurf für das „Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters“ veröffentlicht. Unter Hochdruck will es den Entwurf noch diese Legislaturperiode durch das parlamentarische Verfahren schleusen. Auch aus arbeitsrechtlicher Sicht ist diese Entwicklung relevant, denn zahlt ein Arbeitgeber u. a. keinen Mindestlohn, kann dies künftig zur Eintragung in das Wettbewerbsregister des Bundes und damit zum Ausschluss aus Vergabeverfahren führen.
Wieso bedarf es eines bundeseinheitlichen Wettbewerbsregisters?
Das geplante Wettbewerbsregister soll das im April 2016 in Kraft getretene Vergaberechtsmodernisierungsgesetz flankieren und eine bundeseinheitliche Liste „wirtschaftskrimineller“ Unternehmen schaffen. Das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz hatte ‑ in Umsetzung diverser europäischer Richtlinien ‑ das öffentliche Auftragswesen grundlegend modernisiert, mit dem Ziel das Vergabeverfahren einfacher und effizienter zu gestalten. En passant wollte die Bundesregierung dabei auch Wirtschaftskriminalität wirksamer bekämpfen. So schließen die 2016 implementierten Regelungen Unternehmen aus dem Vergabeverfahren aus, wenn diesen ein Verstoß gegen den Straftatenkatalog des § 123 GWB zugerechnet werden kann (zwingender Ausschluss). Zudem kann auch ein Verstoß gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge zum Vergabeausschluss führen (fakultativer Ausschluss), § 124 GWB.
Um eine rechtmäßige Vergabeentscheidung nach den §§ 123, 124 GWB treffen zu können, muss der öffentliche Auftraggeber daher im weiteren Sinne eine „Zuverlässigkeitsprüfung“ durchführen. Die notwendigen Informationen sind ihm derzeit nur bruchstückhaft zugänglich. Denn mangels einer bundeseinheitlichen „Lösung“, schufen die Bundesländer eigene sogenannte „Korruptionsregister“, in welche die relevanten Informationen eingetragen werden. Dabei variieren die Eintragungsvoraussetzungen erheblich, was mitunter zu großen Rechtsunterschieden hinsichtlich existierender Vergabesperren führt. Das geplante Gesetz soll nun eine einheitliche Rechtslage schaffen.
Was soll das Wettbewerbsregistergesetz regeln?
Nach dem Willen des BMWi soll in Zukunft bundesweit ein einheitliches elektronisches Register eingerichtet und geführt werden. Öffentliche Auftraggeber sollen verpflichtet sein, vor Erteilung des Zuschlages für einen Auftrag, der einen Wert von EUR 30.000,00 übersteigt, Einsicht in dieses Register zu nehmen. Eingetragen werden ‑ neben Kartellrechtsverstößen, Steuerhinterziehung, Bestechung, Betrug u. ä. ‑ Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz und das Mindestlohngesetz. Auch das Vorenthalten von Sozialabgaben oder von Arbeitsentgelt wird eintragungsfähig sein. Der Verstoß ist dem Unternehmen zurechenbar und damit einzutragen, wenn er von einer zur Leitung des Unternehmens berufenen natürlichen Person im Zusammenhang mit dem Geschäftsverkehr begangen wurde. Der Entwurf setzt insofern die Unternehmensverantwortlichkeit des Ordnungswidrigkeitenrechts fort, vgl. § 30 OWiG. Soweit die Registerbehörde den öffentlichen Auftraggeber über einen eingetragenen Verstoß gegen die aufgeführten arbeitsrechtlich relevanten Vorschriften informiert, liegt es im Ermessen des Auftraggebers, ob er das Unternehmen vom Vergabeverfahren ausschließt oder nicht. Denn es handelt sich insoweit um fakultative Ausschlussgründe nach § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
Vorsicht bei Fehlen eines Compliance-Management-Systems!
Verstöße von natürlichen Personen, die nicht zur Leitung des Unternehmens berufen sind, sind ausschließlich dann eintragungsfähig, wenn sie auf ein Aufsichts- oder Organisationsverschulden des Inhabers des Unternehmens zurückzuführen sind. Der Entwurf rekurriert insoweit auf § 130 OWiG. Hiernach ist der Betriebsinhaber, d. h. je nach Gesellschaftsform der Geschäftsführer oder der Vorstand eines Unternehmens, aufsichtspflichtig. Die Aufsichtspflicht kann zwar nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG auch auf Personen übertragen werden, die zur Wahrnehmung der Aufsichtspflicht beauftragt wurden (Stichwort: Compliance-Manager), ein Aufsichtsversagen dieses Personenkreises führt nach dem derzeitigen Entwurf allerdings nicht zur Eintragung.
Die Bedeutung von Compliance-Management-Systemen (CMS) könnte daher weiter zunehmen: Schon heute gebietet es eine sorgfältige und verantwortliche Unternehmensführung sich mit der Notwendigkeit eines CMS auseinanderzusetzen, §§ 76, 91 Abs. 2 AktG, § 43 GmbHG. Zukünftig könnte ein CMS nun zusätzlich die Eintragung im geplanten Wettbewerbsregister verhindern. Denn kommt es zu einem eintragungsfähigen Verstoß aus dem Unternehmen heraus, kann sich der Inhaber auf den ordnungsgemäßen Einsatz eines CMS berufen, um darzulegen, dass kein Verstoß gegen seine Aufsichtspflicht im Sinne des § 130 OWiG vorliegt. Dieser Einwand ist umso bedeutsamer, als sich die Pflichten nach § 130 OWiG verringern, soweit sie auf einen Compliance-Manager übertragen werden. Dieser ist durch den Betriebsinhaber zwar sorgfältig auszuwählen und zu überwachen, indes wird nicht jeder Verstoß des Compliance-Managers dem Unternehmen vergaberechtlich zugerechnet werden.
Darüber hinaus kann der Einsatz eines CMS zur Löschung der Eintragung im Wettbewerbsregister führen. Denn nach einer gemäß § 125 Abs. 1 GWB durchgeführten Selbstreinigung kann der Vergabeausschluss aufgehoben werden. In aller Regel wird das Unternehmen hierfür auch personelle Maßnahmen ‑ bis hin zur Kündigung ‑ ergreifen müssen. Ob die unternommenen Schritte den gesetzlichen Anforderungen zur Löschung genügen, ermittelt die Registerbehörde von Amts wegen.
Alter Wein in neuen Schläuchen? Jein.
Tatsächlich führen die meisten der oben aufgezeigten Verstöße gegen arbeitsrechtlich relevante Normen schon heute nach § 149 Abs. 2 GewO zur Eintragung in das Gewerbezentralregister. Auch dieses Register hat der öffentliche Auftraggeber vor einer Vergabeentscheidung einzusehen, § 150a Abs. 1 Nr. 4 GewO. Besonders praxisrelevant war dies bisher aber nicht. Denn das Gewerbezentralregister wird nicht elektronisch geführt. Eine Auskunft ist schriftlich zu beantragen und wird im schriftlichen Verfahren mit einiger Wartezeit bearbeitet. Neu ist ‑ neben der erhöhten Bedeutung von Compliance-Maßnahmen ‑ auch, dass Verstöße gegen das Mindestlohngesetz zur Eintragung führen.
Ausblick
Damit das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden kann, müsste es im März im Kabinett beschlossen werden. Wir werden berichten, ob es gelingt, diesen knappen Zeitplan einzuhalten.