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Kleidungsvorschriften im Betrieb: Verbot von Kopftuch und Absatz?

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Kleidung

Nicht erst seit letztem Dienstag spielen Kleidungsvorschriften in Unternehmen eine Rolle: Der EuGH hatte am Dienstag in Luxemburg in den Rechtssachen C-157/15 und C-188/15 entschieden, dass das Unternehmen Vorgaben zu Kleidungsvorschriften machen kann, auch wenn davon – wie im Falle des Kopftuchverbots – vorwiegend Musliminnen betroffen sind, und es sich damit um eine mittelbare Diskriminierung handelt (hierzu schon unser Bericht über das Plädoyer der Generalanwältin; in Kürze dazu mehr auf diesem Blog).

Kopftuchverbote haben zumindest bislang (glaubt man entsprechenden Medienberichten) für die Wirtschaft kaum unmittelbare Relevanz. Es gibt aber genügende Branchen, die ihren Mitarbeitern generell während der Arbeitszeit eine bestimmte Kleidung vorschreiben wollen. Was davon hält einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung stand?

Rechtsprechung zur Arbeitskleidung ist selten 

Schlagzeilen machte einst eine Schweizer Großbank, die ihren Angestellten eine mehr als 40 Seiten umfassende Richtlinie zur Kleiderordnung vorlegte. Frauen sollten danach keinen zu stark glitzernden Schmuck tragen und auf die Länger ihrer Röcke achten. Unterwäsche sollte hautfarben und damit unsichtbar sein. Männer waren gehalten, im Anzug zu erscheinen, und (einschließlich Uhr, Ehering und Manschettenknöpfen) nicht mehr als drei Schmuckstücke tragen. Dicke Brieftaschen, bunte Socken oder Parfum am Nachmittag waren auch untersagt.

Ob diese Vorschriften konsequent eingehalten wurde, lässt beim genaueren Blick ins Bankenviertel Zweifel zu. Ob Verstöße sanktioniert wurden, ist nicht bekannt. Für den Ruf als Arbeitgeber waren die Versuche, eine Corporate Identity über die Kleidung zu stiften, eher kritisch. Zu nachweislichen Abwanderungstendenzen jedenfalls führte die vor ein paar Jahren bei einem hessischen Arbeitgeberverband eingeführte Vorschrift, die das Tragen von hochhackigen Schuhen mit einer Absatzlänge von mehr als sieben Zentimetern verbot: Die leidenschaftlich hohe Hacken tragenden Beschäftigten jedenfalls haben heute einen anderen Dienstherrn und tragen weiter, was gefällt.

Dennoch stellt sich die Frage: Wann erwächst eine rechtliche Verpflichtung, den Kleidervorschriften des Arbeitgebers Folge zu leisten? Und wie weit darf der Arbeitgeber mit dem firmeneigenen Dresscode gehen und in das Persönlichkeitsrecht seiner Mitarbeiter eingreifen?


Die Uniform in der Rechtsprechung

Außerhalb von Banken und Kanzleien hat sich die Uniform auch in der Privatwirtschaft durchaus etabliert. Ob Flugbegleiter oder Sicherheitsdienst: Dort vorgeschriebene Kleidungsvorschriften sind Bewerbern schon bei der Berufswahl bekannt und mögen in manchen Fällen sogar Motiv der Berufswahl sein. Soweit bei diesen Berufen vertraglich das Tragen einer Uniform geregelt ist oder durch Betriebsvereinbarung vorgegeben wird, dürfte dies rechtlich unproblematisch sein.

Einschlägige Rechtsprechung, die das Tragen der Uniform in Frage stellt, findet sich jedenfalls kaum. Am Tragen der Dienstkleidung, die zur besonderen Kenntlichmachung dient, besteht regelmäßig ein überwiegendes Interesses des Arbeitgebers (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. v. 17.01.2012, 1 ABR 45/10). Tatsächlich in die zweite Instanz hat es die Frage geschafft, ob das Tragen der Dienstkleidung nicht auch in der Freizeit vorgeschrieben werden dürfe (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.05.2004, 14 Sa 126/03).

In der Regel beschäftigt die Uniform die Gerichte eher am Rande. So hatte etwa eine Flugbegleiterin die zehnjährige Tochter ihrer Nachbarin zwar mit dem Flieger zum „Girls-Day“ begleitet, war aber anschließend am Zielort verblieben und hatte das Kind später alleine ins Flugzeug nach Hause gesetzt. Damit hatte sie gegen die Vorschriften der Fluggesellschaft verstoßen. Um dies zu vertuschen und einen ordnungsgemäßen unbegleiteten Flug (der bei älteren Kindern zulässig ist) vorzutäuschen, hatte sie bei der Abgabe des Kindes an die Crew ihre Uniform getragen. Die gegen die empört ausgesprochene fristlose Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage hatte das Arbeitsgericht Frankfurt für wirksam erachtet, das Hessische LAG bestätigte diese Entscheidung (Urt. v. 08.06.2009, Az. 17 Sa 45/09).

Bedeutung hat die Kleidung auch bei der Abgrenzung von Werk- und Dienstvertrag zum Arbeitsvertrag: Das BAG hatte über den Einsatz von Drittunternehmen bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen zu entscheiden. Die als Sicherheitspersonal im Rahmen eines Dienstvertrages eingesetzten Mitarbeiter des Drittunternehmens hatten behauptet, sei seien in den (Flughafen-)Betrieb eingegliedert, arbeiteten mit und an den dort vorhandenen technischen Geräten und seien deshalb als Folge unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung Arbeitnehmer des Sicherheitsunternehmens geworden und als Luftsicherheitsassistenten nach TVöD zu bezahlen. Dagegen wandte sich der beklagte Arbeitgeber unter anderem mit der Behauptung, das Sicherheitspersonal habe eigene Uniformen getragen und sei deshalb nicht in den Betrieb eingegliedert. Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht (Urt. v. 18.01.2012, 7 AZR 723/10).

Gebot körperbetonender Kleidung?

Darf der Arbeitgeber, statt bestimmte Kleidungsstücke zu verbieten, auch kurze Röcke, hohe Absätze oder enge Anzüge vorschreiben? Darf etwa Empfangsmitarbeiterinnen vorgeschrieben werden, Stöckelschuhe zu tragen? Oder männlichen Verkäufern das muskelenge T-Shirt?

Rechtlich klar ist die Antwort nur für Schutzkleidung: Bei dieser könnte das Tragen vom Dienstherrn verbindlich angeordnet werden, und müsste das Recht des Arbeitnehmers auf freie Selbstverwirklichung dahinter zurücktreten. Eine hartnäckige Weigerung könnte sogar zur Kündigung führen (LAG Köln, Urt. v. 12.12.2008, 11 Sa 777/08).

Wo nicht Schutzkleidung, sondern eben der Stöckelschuh oder sonstige „übliche“ Kleidung betroffen ist, kommt damit letztlich darauf an, ob sich das Unternehmen auf berechtigte Arbeitgeberinteressen berufen kann. Die können bei Kunden- und Mandantenkontakt durchaus vorliegen. Denn Kleider machen Leute, weshalb es einem Verkäufer untersagt sein kann, in Turnschuhen zu verkaufen (LAG Hamm, Urt. v. 22.10.1991, Az.13 TaBV 36/91).

Anders sieht dies das europäische Ausland: In London hatte sich eine 27-Jährige, als Leiharbeitnehmerin einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingesetzte Empfangskraft gegen die Vorgabe gewehrt, Stöckelschuhe zu tragen. Das hat jedenfalls dazu geführt, dass in der Praxis dort am Empfang nun auch flache Schuhe getragen werden dürfen.

 

Abgewandelte und aktualisierte Fassung eines Beitrags für die Legal Tribune Online (LTO).

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