Flexibilität ist die zentrale Herausforderung der modernen Arbeitswelt. Diese Flexibilität in einem – häufig langjährigen – Arbeitsverhältnis rechtlich zu gewährleisten, ist Aufgabe von Versetzungsklauseln. Versetzungsklauseln hinsichtlich der Art der Tätigkeit unterliegen uneinheitlichen und bisweilen recht strengen Voraussetzungen. Demgegenüber lässt die Rechtsprechung bei Versetzungsklauseln hinsichtlich des Arbeitsortes wesentlich geringe Anforderungen ausreichen. Gleichwohl verdient eine aktuelle Entscheidung des BAG Aufmerksamkeit, nach der die Versetzung einer Arbeitnehmerin von Hamburg nach Frankfurt am Main auf Grundlage einer Versetzungsklausel trotz familiärer Verpflichtungen für rechtmäßig erklärt wurde.
Gesetzliche Ausgangslage
Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind“.
Fehlt es gänzlich an einer vertraglichen Festlegung des Arbeitsortes, ergibt sich der Umfang des Weisungsrechts des Arbeitgebers unmittelbar aus § 106 GewO. Dieses gesetzliche Direktionsrecht erlaubt dem Arbeitgeber eine Bestimmung des Ortes der Arbeitsleistung auch in Form einer Versetzung in räumlich entfernte Betriebe (vgl. BAG v. 3. Juni 2004 – 2 AZR 577/03). Selbst eine mehrjährige Tätigkeit an demselben Ort steht diesem Versetzungsrecht nicht im Wege (vgl. BAG v. 17. August 2011 – 10 AZR 202/10). Bei der konkreten Ausübung des Weisungsrechtes sind indes die Grundsätze billigen Ermessens nach § 315 BGB zu berücksichtigen.
Diese gesetzliche Ausgangslage gilt auch dann, wenn der im Arbeitsvertrag benannte Arbeitsort mit einer durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen oder an einem anderen Ort kombiniert wird. Damit findet eine Beschränkung auf einen bestimmten Arbeitsort „durch den Arbeitsvertrag“ nicht statt. In einem solchen Fall wird die arbeitsvertragliche Bestimmung des Arbeitsortes lediglich die erstmalige Ausübung des Direktionsrechts verstanden (vgl. BAG v. 13. November 2013 – 10 AZR 1082/12). Spätere Änderungen bleiben vorbehalten.
Vor diesem Hintergrund kann man sich die Frage stellen, warum es überhaupt Versetzungsklauseln bedarf.
Sinn und Zweck von Versetzungsklauseln
Sofern der Arbeitgeber einen Arbeitsort in den Arbeitsvertrag aufnimmt, ohne sich zugleich eine Einsatzmöglichkeit an einem anderen Ort vorzubehalten, beschränkt sich der Arbeitsort auf diesen bestimmten Ort. Der Arbeitgeber kann den Arbeitsort in diesem Fall nicht mehr durch bloße Ausübung seines Direktionsrechts ändern. Vielmehr müsste der Arbeitgeber nun den Weg einer Änderungskündigung beschreiten, der wegen der Notwendigkeit der sozialen Rechtfertigung ungleich schwieriger als die Versetzung ist. Ein Versetzungsvorbehalt ermöglicht somit die vertragliche Festlegung eines Arbeitsortes, ohne zugleich die Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsortes ohne Not für die Zukunft zu beschränken.
Allerdings kann der Arbeitgeber mit einer Versetzungsklausel auch weitergehende Zwecke im Hinblick auf eine etwaige Versetzung verfolgen (bspw. eine Konzernversetzung). In räumlicher Hinsicht ist auch an einer Versetzung ins Ausland zu denken. Solche „direktionserweiternden“ Versetzungsklauseln unterliegen der strengen AGB-Kontrolle, da sie ggf. eine Änderung der Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages ermöglichen, sodass bei der Formulierung und Ausgestaltung entsprechende Vorsicht geboten ist.
Beachtung billigen Ermessens
Bei Ausübung der Versetzung hat der Arbeitgeber in jedem Falle die Grundsätze billigen Ermessens gemäß §§ 315 Abs. 1 BGB, 106 Satz 1 GewO zu beachten. Dabei sind die arbeitgeberseitigen Interessen mit denen des Arbeitnehmers abzuwägen und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, Angemessenheit und Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Soweit die Versetzung durch eine unternehmerische Entscheidung bedingt ist, kommt dieser im Rahmen der Interessenabwägung ein besonderes Gewicht zu. Insoweit müssen unter Umständen sogar familiäre Verpflichtungen des Arbeitnehmers hinter den Interessen des Arbeitgebers zurücktreten. Gleichwohl hat der Arbeitgeber aber die Interessen des Arbeitnehmers in seiner Abwägung umfassend aufzunehmen. Dabei kann unter anderem von Bedeutung sein, inwieweit längere Ortsabwesenheiten zum typischen Berufsbild des Arbeitnehmers gehören. Darauf hatte das BAG kürzlich im Rahmen einer Interessenabwägung bei der Versetzung einer Flugbegleiterin abgestellt (vgl. BAG v. 30. November 2016 – 10 AZR 11/16). Daraus dürfte auch für alle anderen Berufe abzuleiten sein: Umso mehr die Tätigkeit des Arbeitnehmers Reisetätigkeiten beinhaltet, desto eher ist ihm eine Versetzung zu einem weiter entfernten Ort zuzumuten.
Zumutbare Entfernungen
Welche Entfernungen für den Arbeitnehmer angemessen und noch zumutbar sind, bleibt jeweils eine Einzelfallentscheidung. Starre Grenzen hat die Rechtsprechung hierzu nicht aufgestellt. Die sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung (§ 140 Abs. 4 SGB III) können nach Ansicht des BAG jedenfalls nicht als verbindlicher Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung eines Ermessensgebrauchs herangezogen werden (vgl. BAG v. 17. August 2011 – 10 AZR 202/10).
Dass eine große Entfernung allein nicht zur Unzumutbarkeit führt, wird auch in der bereits oben erwähnten Entscheidung des BAG erkennbar: Im Falle einer Betriebsschließung billigte der 10. Senat die Versetzung einer Flugbegleiterin von Hamburg nach Frankfurt am Main (ca. 500 km Entfernung). Flugbegleiter könnten nach Ansicht des BAG angesichts des Vertragszwecks nicht die berechtigte Erwartung haben, die sozialen und sonstigen Vorteile eines dauerhaften ortsfesten Arbeitseinsatzes in Anspruch zu nehmen (vgl. BAG v. 30. November 2016 – 10 AZR 11/16).
Fazit
Die Entscheidung des BAG bleibt nicht auf das Flugpersonal beschränkt. Insgesamt kann zumindest von Arbeitnehmern, die arbeitsbedingt viel reisen, im Falle einer Versetzung ein erhebliches Maß an Flexibilität hinsichtlich des Einsatzortes verlangt werden. Hier müssen eventuell sogar familiäre Verpflichtungen zurücktreten. Räumliche Versetzungsklauseln sind also wirksames Flexibilisierungsinstrument. Ungleich schwieriger bleibt die Rechtslage bei Versetzungsklauseln hinsichtlich der Art der Tätigkeit (vgl. den Blog-Beitrag von Herrn Dr. Frank Zaumseil vom 26. Oktober 2016). Insoweit führt das BAG seine Differenzierung zwischen Versetzungsklauseln hinsichtlich des Arbeitsortes und hinsichtlich der Art der Tätigkeit bei den Anforderungen an die vertragliche Gestaltung sowie bei der konkreten Ausübung des Versetzungsrechts fort.