Der Immissionsschutzbeauftragte genießt einen besonderen Kündigungsschutz, so weit, so gut. Ist das aber auch dann der Fall, wenn er gar nicht die für seine Bestellung notwendigen Voraussetzungen aufweist? Was müssen Arbeitgeber hier beachten, wenn sie das Arbeitsverhältnis kündigen wollen?
Einleitung
Der Arbeitgeber hat gem. § 53 BImSchG einen oder mehrere Betriebsbeauftragte für Immissionsschutz zu bestellen. Dieser muss gem. § 55 BImSchG besondere Anforderungen an Fachkunde und Zuverlässigkeit erfüllen, die in § 7 der 5. BImSchV näher definiert sind. Erforderlich ist demnach u.a. der Abschluss eines Studiums auf den Gebieten des Ingenieurwesens, der Chemie oder der Physik an einer Hochschule. Außerdem ist die Teilnahme an einem oder mehreren Lehrgängen notwendig, auf denen entsprechende Kenntnisse vermittelt werden.
In bestimmten Fällen kann bzw. muss der Arbeitgeber einen betriebsangehörigen Arbeitnehmer zum Immissionsschutzbeauftragten bestellen. Dieser Arbeitnehmer ist dann gem. § 58 Abs. 2 BImSchG vom Zeitpunkt seiner Bestellung an besonders gegen Kündigungen geschützt, d.h. er kann nur noch aus wichtigem Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden, ordentliche Kündigungen, z.B. betriebsbedingte oder verhaltensbedingte, sind dagegen ausgeschlossen. Ein entsprechender Schutz besteht außerdem noch bis Ablauf eines Jahres nach Abberufung des Immissionsschutzbeauftragten. Einmal bestellt, bedarf es also schon erheblicher Gründe, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis einseitig per Kündigung beenden möchte. Gerade in der sechsmonatigen Wartezeit, d.h. solange das Kündigungsschutzgesetz noch nicht gilt, kann sich dies als echtes Problem entpuppen.
Nun kann es aber durchaus einmal sein, dass Mitarbeiter zu Immissionsschutzbeauftragten bestellt werden, die hierfür notwendigen Voraussetzungen gar nicht erfüllen, weil ihnen z.B. der entsprechende Hochschulabschluss fehlt. Es stellt sich dann die Frage, ob auch ein solcher „unechter“ Immissionsschutzbeauftragter tatsächlich Sonderkündigungsschutz genießt. Außerdem ist zu überlegen, ob der Arbeitgeber einen etwaigen Schutz je nach Fallkonstellation nicht auch rückwirkend wieder beseitigen kann. Diese Frage wurde bislang soweit ersichtlich weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur behandelt. Dabei sprechen die besseren Argumente, wie noch zu zeigen sein wird, gegen einen Sonderkündigungsschutz für den „unechten“ Immissionsschutzbeauftragten.
Fallgruppen
Erfüllt der Arbeitnehmer nicht die nach dem BImSchG bzw. der BImSchV notwendigen Voraussetzungen für seine Bestellung, handelt es sich um einen unechten Immissionsschutzbeauftragten. Im Hinblick auf die Handlungs- bzw. Argumentationsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Falle einer beabsichtigten Kündigung ist es jedoch zweckmäßig bzw. notwendig, im Detail weiter zu unterscheiden. Hierbei lasen sich bestimmte Fallgruppen bilden, nach denen zu differenzieren ist.
Der unechte Immissionsschutzbeauftragte
Der unechte Immissionsschutzbeauftragte ist gewissermaßen der Prototyp, den es an dieser Stelle zu betrachten gilt. Darunter sollen solche Arbeitnehmer verstanden werden, die weder im Zeitpunkt der Bestellung, noch im Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung die für eine Bestellung notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Mit Blick auf den Sonderkündigungsschutz gilt dann Folgendes:
Das Kündigungsverbot des § 58 Abs. 2 BImSchG greift in diesen Fällen nicht ein, die Vorschrift ist teleologisch zu reduzieren. Wie sollte sie auch ihren Zweck erreichen? Dieser besteht darin, dem Immissionsschutzbeauftragten die sachgerechte Wahrnehmung seiner Aufgaben zu ermöglichen, ohne dabei permanent eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses befürchten zu müssen. Zu einer sachgerechten Aufgabenwahrnehmung in diesem Sinne war und ist der „unechte“ Immissionsschutzbeauftragte aber zu keinem Zeitpunkt in der Lage (selbst wenn ihm praktisch keine Fehler unterlaufen sollten). Bestellt der Arbeitgeber nämlich z.B. eine Person ohne hinreichende Fachkunde, kann er von der zuständigen Behörde jederzeit zu deren Abberufung und Bestellung einer geeigneten Person angehalten werden. Der unechte Immissionsschutzbeauftragte kann seine Tätigkeiten also nicht nur nicht wahrnehmen, er darf es öffentlich-rechtlich auch gar nicht. Die unzulässige Wahrnehmung von Aufgaben bedarf indes keines besonderen Kündigungsschutzes. „Geschützt“ würde insoweit eine theoretische Stellung auf dem Papier, nicht aber, wie es das Gesetz verlangt, die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben eines Immissionsschutzbeauftragten i.S.d. BImSchG.
Der bösgläubige unechte Immissionsschutzbeauftragte
Daneben kann es sich auch um einen bösgläubigen Immissionsschutzbeauftragten handeln. Hierunter ist derjenige Arbeitnehmer verstehen, der im Zeitpunkt der Bestellung wusste, dass er die notwendigen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, dies dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt hatte und dem es im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung immer noch an den Voraussetzungen fehlt. Auftreten kann dieser Fall z.B. dann, wenn der Arbeitnehmer beim Besuch eines Lehrgangs erfährt, dass es ihm an den weiteren Voraussetzungen (die dort regelmäßig thematisiert werden) erfährt. Auch gegenüber dem bösgläubigen unechten Immissionsschutzbeauftragten kann selbstverständlich mit einer teleologischen Reduktion des § 58 Abs. 2 BImSchG argumentiert werden, auch er bedurfte zu keinem Zeitpunkt eines besonderen Schutzes bei der öffentlich-rechtlich unzulässigen Wahrnehmung seiner Aufgaben. Noch darüber hinaus gilt aber Folgendes:
Der Arbeitgeber kann die Bestellung zum Immissionsschutzbeauftragten gem. § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten. Täuschungshandlung ist die unterlassene Aufklärung des Arbeitgebers über die tatsächlich fehlenden Voraussetzungen für die Bestellung. Eine entsprechende Aufklärungspflicht ergibt sich dabei aus einer Vielzahl von Erwägungen. Auf den Kenntnisstand des Arbeitgebers bzw. dessen diesbezügliche Verpflichtungen kommt es insoweit nicht an. Dieser ist insbesondere nicht dazu geeignet, den Informationsvorsprung des Arbeitnehmers quasi zu egalisieren. Insoweit spielen auch die Gründe für die Aufklärungspflicht eine wichtige Rolle. Der Arbeitnehmer weiß nämlich regelmäßig, dass der Arbeitgeber mit der Bestellung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nachkommt und er selbst damit auch eine öffentlich-rechtliche Funktion innehat. Insoweit hat er dafür Sorge zu tragen, dass es nur zu rechtmäßigen Bestellungen kommt. Er darf den Arbeitgeber auch nicht dem Risiko öffentlich-rechtlicher Sanktionen oder Ansprüche Dritter z.B. infolge fehlerhafter Aufgabenerfüllung mangels hinreichender Fachkunde aussetzen. Deswegen muss er ungefragt aufklären und deswegen ist auch regelmäßig Arglist auf Seiten des Arbeitnehmers anzunehmen. Er darf nicht etwa davon ausgehen, der Arbeitgeber wolle ihn in Kenntnis der fehlenden Fachkunde und unter Inkaufnahme derartiger Risiken bestellen.
Das ist schließlich auch der Grund, warum sich der bösgläubige unechte Immissionsschutzbeauftragte jedenfalls analog § 162 Abs. 2 BGB im Prozess nicht auf den treuwidrig erlangten Kündigungsschutz (sofern überhaupt bestehend oder nicht durch Anfechtung beseitigt) berufen kann. Treuwidrig herbeigeführte Bedingung ist hier die Bestellung trotz fehlender Fachkunde.
Der ex-unechte bösgläubige Immissionsschutzbeauftragte
Denkbar ist außerdem noch der Fall des ex-unechten bösgläubigen Immissionsschutzbeauftragten. Hierbei handelt es sich um einen Arbeitnehmer, der bei Bestellung um die fehlende Qualifikation wusste, diese aber bis zum Zugang der Kündigung nachgeholt hat, z.B. durch den Abschluss eines Studiums. Eine teleologische Reduktion des § 58 Abs. 2 BImSchG scheidet demnach aus, weil ja der Zweck der Vorschrift (zumindest jetzt) erreicht werden kann. Unberührt bleibt aber natürlich die Möglichkeit des Arbeitgebers, die Bestellung unter den Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB anzufechten. Ebenso unbenommen bleibt ihm der Einwand der treuwidrigen Herbeiführung des Sonderkündigungsschutzes analog § 162 Abs. 2 BGB im Prozess.