Bei Massenentlassungen ergeben sich für die Rechtswirksamkeit ausgesprochener Kündigungen regelmäßig erhebliche Risiken durch die Anforderungen des Konsultationsverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 KSchG. Das BAG hat sich erneut mit dem Konsultationsverfahren beschäftigt. In seinem Urteil vom 22. September 2016 (2 AZR 276/16) entschied es zum einen, dass die Unterrichtung des Arbeitgebers über anzeigepflichtige Entlassungen an den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG in Textform gemäß § 126b BGB erfolgen kann. Zum anderen stellte es fest, dass ein Arbeitgeber das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG als beendet ansehen darf, wenn der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Massenentlassungen erkennen lässt.
Worum ging es im Einzelnen?
In der Entscheidung ging es um die Wirksamkeit zweier Kündigungen und hilfsweise um die Zahlung eines Nachteilsausgleichs. Die Beklagte erbrachte Dienstleistungen im Passagierverkehr an Flughäfen und beschäftigte die Klägerin im Check-In. Nachdem die einzige Auftraggeberin der Beklagten im September 2014 sämtliche Aufträge spätestens zum 31. März 2015 kündigte, unterrichtete die Beklagte unverzüglich den bestehenden Betriebsrat über die geplante Betriebsstilllegung. Verhandlungen über einen Interessenausgleich im Dezember 2014 scheiterten, selbst nachdem eine Einigungsstelle eingesetzt worden war. Die Beklagte leitete daraufhin im Januar 2015 ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ein und entschied Ende Januar 2015, den Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Nach erfolgter Massenentlassungsanzeige und Anhörung des Betriebsrat nach § 102 BetrVG kündigte die Beklagte sämtliche Arbeitsverhältnisse. Hiergegen erhobene Kündigungsschutzklagen waren unter Hinweis auf Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich zum Teil erfolgreich. Die Beklagte entschied sich daher vorsorglich für den nochmaligen Ausspruch der Kündigungen. Im Juni 2015 leitete sie mit einem durch Telefax übermittelten Schreiben ein weiteres Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG sowie weitere Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ein. Hierbei teilte die Beklagte jeweils mit, dass es bei der Betriebsstilllegung verbleiben solle. Sie beriet noch im Juni 2015 mit einer vom Betriebsrat entsandten „Verhandlungskommission“ über mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Entlassungen. Da der Betriebsrat keine weitere Bereitschaft erkennen ließ, an solchen Maßnahmen mitzuwirken, konnte eine Einigung nicht erzielt werden und eine „Wiedereröffnung“ des Betriebs scheiterte. Die Beklagte erstattete daraufhin Ende Juni 2015 erneut eine Massenentlassungsanzeige und kündigte den verbliebenen Beschäftigten sodann vorsorglich ein zweites Mal. Die Klägerin hat gegen beide Kündigungen fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben und hilfsweise einen Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrVG geltend gemacht. Das LAG hielt beide Kündigungen für unwirksam.
Die Entscheidung des BAG
Die zugelassene Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg. Zwar sei nach Auffassung des BAG die erste Kündigung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG i.V.m. § 134 BGB nichtig, da die Beklagte den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat in der ersten Massenentlassungsanzeige nicht korrekt dargelegt habe. Die zweite Kündigung hielt das BAG aber für wirksam, weil die Beklagte das Konsultationsverfahren, auch unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben, nunmehr ordnungsgemäß durchgeführt habe. So habe die Beklagte das Konsultationsverfahren zu Recht mit dem noch ein Restmandat nach § 21b BetrVG ausübenden Betriebsrat geführt, es rechtzeitig und ordnungsgemäß eingeleitet, und den Betriebsrat über alle notwendigen Auskünfte informiert, so dass dieser auf den Entschluss der Beklagten, an der Betriebsstilllegung festzuhalten, einwirken konnte.
Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 KSchG per Telefax
Das verwendete Telefaxschreiben habe insbesondere den in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestimmten Anforderungen genügt. Die sich aus § 126 BGB ergebenden formellen Anforderungen fänden auf die Unterrichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KSchG als geschäftsähnliche Erklärung, die nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge kraft rechtsgeschäftlichen Willens gerichtet ist, weder direkt noch analog Anwendung. Für die Unterrichtung des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KSchG genüge die Wahrung der Textform entsprechend § 126b BGB und damit die Übersendung eines Schriftstücks per Telefax.
Ende des Konsultationsverfahrens durch fehlende Verhandlungsbereitschaft des Betriebsrats
Die Beklagte habe mit dem Betriebsrat ferner ausreichend gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG beraten und sich mit den Vorschlägen des Betriebsrats auseinandergesetzt. Ein Einigungszwang bestehe ebenso wenig wie es eine „absolute Verhandlungs(mindest)dauer“ gäbe. Der Arbeitgeber dürfe den Konsultationsanspruch des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG als erfüllt ansehen, wenn er den Betriebsrat zuvor vollständig unterrichtet und ihm alle zweckdienlichen Auskünfte erteilt habe, der Betriebsrat aber keine weitere Bereitschaft für zielführende Verhandlungen erkennen lässt. Insoweit komme dem Arbeitgeber eine Beurteilungskompetenz zu (vgl. BAG vom 26.02.2015 – 2 AZR 955/13). Nach Auffassung des BAG durfte die Beklagte die Verhandlungen mit dem Betriebsrat im vorliegenden Fall als gescheitert ansehen.
Wirksamkeit der zweiten Kündigung und kein Nachteilsausgleich
Die zweite Kündigung sei auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Schließlich scheide auch ein Anspruch der Klägerin auf Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 BetrVG aus, da die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstilllegung unterrichtet und sich um einen Interessenausgleich bemüht habe.
Fazit
Die vorliegende Entscheidung differenziert die Rechtsprechung des BAG zum Schriftformerfordernis bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen weiter aus: Während für die Beanspruchung von Elternzeit nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG die strenge Schriftform gemäß § 126 Abs. 1 BGB gilt (vgl. BAG vom 10.05.2016 – 9 AZR 145/15), kann die Unterrichtung des Arbeitgebers über anzeigepflichtige Entlassungen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 1 bis Nr. 6 KSchG ebenso wie die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats bei einer Versetzung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (vgl. BAG vom 11.06.2002 – 1 ABR 43/01), jeweils als „rechtsgeschäftsähnliche Handlungen“, in Textform gemäß § 126b BGB erfolgen.
Die Entscheidung stärkt ferner die Rechte des Arbeitgebers im Konsultationsverfahren bei Massenentlassungen. Der Arbeitgeber darf im Rahmen seiner insoweit bestehenden Beurteilungskompetenz von einer Beendigung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG ausgehen, wenn er den Betriebsrat vollständig unterrichtet und ihm alle zweckdienlichen Auskünfte erteilt hat, der Betriebsrat im Rahmen der Beratungen aber keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung von Massenentlassungen erkennen lässt. Ob dasselbe gilt, wenn der Betriebsrat nach ordnungsgemäßer Unterrichtung von vornherein seine Verhandlungsbereitschaft ablehnt, ist damit zwar nicht entschieden. Ein Gleichlauf liegt aber nahe. Der Arbeitgeber sollte sich jedoch in jedem Fall die fehlende Verhandlungsbereitschaft des Betriebsrats nachweisbar bestätigen lassen. Hierbei ist erhebliches taktisches Geschick gefordert.