Die SE (Societas Europaea – Europäische Aktiengesellschaft) gewinnt zunehmend an Bedeutung. Arbeitsrechtlich bedeutsam ist die Rechtsform insbesondere für die Mitbestimmung. Vor der Eintragung der SE muss das Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchgeführt werden, in das auch Gewerkschaften eingebunden sind. Kann es zur Verzögerung der Eintragung führen, wenn sich eine Gewerkschaft übergangen fühlt? Diese durchaus kritische Frage hatte das LAG Berlin-Brandenburg zu entscheiden.
Bei der SE-Gründung müssen Arbeitnehmer beteiligt werden
Eine SE kann erst eingetragen werden, wenn ein sog. Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren durchgeführt wurde. Zweck des Beteiligungsverfahrens ist der Abschluss einer Mitbestimmungsvereinbarung zwischen den Leitungen der beteiligten Unternehmen und einem aus Arbeitnehmer bestehenden „besonderen Verhandlungsgremium“. Diese regelt die Unterrichtung und Beteiligung der Arbeitnehmer, etwa durch die Bildung eines SE-Betriebsrates. Das Beteiligungsverfahren ist im „Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft – SE-Beteiligungsgesetz (SEBG)“ geregelt.
Die in jedem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer der beteiligten Gesellschaften einschließlich Tochtergesellschaften und betroffene Betriebe müssen im besonderen Verhandlungsgremium vertreten sein. Je angefangene 10 % der Gesamtarbeitnehmerzahl der beteiligten Gesellschaften, Tochtergesellschaften und Betriebe aus dem Mitgliedstaat ergeben einen Sitz (§ 5 Abs. 1 SEBG). Daraus ergibt sich eine Mindestgröße von mindestens zehn Mitgliedern.
Bei Verteilung auf mehrere Mitgliedstaaten kann sich auch eine größere Zahl ergeben. Gehören dem besonderen Verhandlungsgremium mehr als zwei Mitglieder aus dem Inland an, muss nach § 6 Abs. 3 SEBG jedes dritte Mitglied ein Vertreter einer Gewerkschaft sein, die in einem an der Gründung der SE beteiligten Unternehmen vertreten ist.
Der Fall des LAG Berlin-Brandenburg
Die Z. SE schloss bei ihrer Gründung eine Mitbestimmungsvereinbarung gemäß den gesetzlichen Regelungen, in der die Zusammensetzung und die Rechte des SE-Betriebsrates geregelt waren. Obwohl in beteiligten Unternehmen vertreten, gehörten Mitglieder der vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) dem zum Abschluss der Mitbestimmungsvereinbarung getroffenen besonderen Verhandlungsgremium nicht an. Mit dem Abschluss des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens löste sich das Gremium auf. Die Gewerkschaft ver.di verlangte nun die gerichtliche Feststellung, dass die Mitbestimmungsvereinbarung unwirksam sei, weil sie zu Unrecht keinen Vertreter in das besondere Verhandlungsgremium entsandt habe. Die Mitbestimmungsvereinbarung sei daher neu zu verhandeln.
Die Entscheidung: Mehr Sicherheit bei der SE-Gründung
Wie schon das Arbeitsgericht Berlin (Beschluss vom 30. Juni 2016 – 4 BV 12102/15) hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. März 2017 – 6 TaBV 1585/16 [Pressemitteilung]) den Antrag für unzulässig gehalten.
Die allgemeine Feststellungsklage ist auf ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten gerichtet. Ein der Feststellungsklage zugängliches Rechtsverhältnis liegt vor, wenn die Rechte und Pflichten von Personen zueinander oder zu Sachen betroffen sind. Dabei muss es nicht immer um das gesamte Rechtsverhältnis gehen muss, sondern auch einzelne Rechte und Pflichten sind feststellungsfähig. Es muss allerdings immer um ein konkretes Rechtsverhältnis gehen. Abstrakte Rechtsfragen können mit der Feststellungsklage nicht geklärt werden.
Nach Auffassung des LAGBerlin-Brandenburg besteht zwischen der Gewerkschaft ver.di und der Z. SE kein solches fortbestehendes Rechtsverhältnis. Die Arbeitsgerichte seien ferner auch für die beantragte Verpflichtung der SE zur Neuverhandlung der Mitbestimmungsvereinbarung nicht zuständig.
Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Ausblick
Wie sich Fehler bei der Durchführung des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens bei der SE-Gründung auswirken, ist weitgehend offen. Das SEBG gibt nur Anhaltspunkte vor. Obwohl in Deutschland mittlerweile 230 operativ tätige SEs bestehen (Stand 31.12.2016), ist höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema soweit ersichtlich nicht vorhanden.
Es ist zu begrüßen, dass das LAG Berlin-Brandenburg nun zur Frage der gerichtlichen Überprüfung einer Mitbestimmungsvereinbarung durch eine Gewerkschaft Stellung genommen und Rechtssicherheit geschaffen hat.
Die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht. Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin war der Auffassung gefolgt, dass auch eine Anfechtung der Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums durch die Gewerkschaft in entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 2 SEBG zulässig gewesen wäre. Im Fall der Z. SE war jedoch bei Eingang der Antragsschrift die Anfechtungsfrist bereits verstrichen.
Weiter hatte das ArbG Berlin eine analoge Anwendung des § 19 BetrVG in Betracht gezogen, um die Nichtigkeit der Wahl bei einem groben und offensichtlichen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften festzustellen. Selbst die Unwirksamkeit der Beteiligungsvereinbarung führe aber nur zur Verpflichtung der Leitung der SE, das Wahlverfahren nach §§ 4 ff. SEBG erneut in Gang zu setzen. Dieses Ziel ließe sich aber nur durch eine Klage vor den ordentlichen Gerichten erreichen.
Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie sich das LAG zu diesen im Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen positioniert.