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Befristung

Drum prüfe, wer sich kürzer bindet: Die Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages bedarf eines Sachgrundes!

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Verkürzung Befristung

Die einvernehmliche Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages birgt ungeahnte Risiken: Denn nach einer neuen Entscheidung des BAG (Urt. v. 16.12.2016 – 7 AZR 49/15) kann eine Vereinbarung, mit der die Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages geändert wird, eine neue Befristung darstellen. Eine solche bedarf nach Auffassung des BAG eines sachlichen Grundes, da eine (erneute) sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ausgeschlossen sei.

Die Entscheidung des BAG vom 16.12.2016

Im vom BAG entschiedenen Fall hatten die Parteien einen auf rund zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag geschlossen, der als Beendigungsdatum den 31.7.2014 vorsah. Vereinbart war außerdem eine sechsmonatige Probezeit, innerhalb derer der Vertrag mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden konnte. Etwa einen Monat vor Ablauf der Probezeit trafen die Parteien eine Vereinbarung, die mit „Arbeitsvertrag auf Zeit – Änderung der Vertragslaufzeit“ überschrieben war. Mit dieser wurde der Arbeitsvertrag dahingehend modifiziert, dass dieser nunmehr bereits am 31.7.2013, also ein Jahr vor dem ursprünglich vereinbarten Beendigungstermin, sein Ende finden sollte. Die übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrages blieben unverändert. Später erhob der Arbeitnehmer Klage und machte die Unwirksamkeit der Befristung zum 31.7.2013 und das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses geltend.

Abgrenzung Aufhebungsvertrag – befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses

In einem ersten Schritt prüfte das BAG, ob es sich bei der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung um einen Aufhebungsvertrag oder eine Abrede über eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses handelt. Diese Abgrenzung ist von entscheidender Bedeutung: Denn während ein Aufhebungsvertrag nicht der Befristungskontrolle unterfällt, ist die Wirksamkeit einer Befristungsabrede an § 14 TzBfG zu messen.

Der wesentliche Unterschied zwischen einem Aufhebungsvertrag und einer Abrede über die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses liegt in der Wahl des Beendigungszeitpunkts. Ein Aufhebungsvertrag ist auf eine alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet. Der Beendigungszeitpunkt muss sich in der Regel an der jeweiligen Kündigungsfrist orientieren. Von einer Befristungsabrede ist hingegen auszugehen, wenn der vorgesehene Beendigungszeitpunkt die ordentliche Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschreitet. Daneben fehlen bei einer Befristungsabrede die für einen Aufhebungsvertrag typischen Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig getroffen werden, bspw. Freistellungen, Urlaub, Abfindung, Rückgabemodalitäten, Zeugnis, Ausgleichsklausel etc.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kam das BAG in dem vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass es sich bei der von den Parteien geschlossenen Vereinbarung nicht um einen Aufhebungsvertrag handelt. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung galt eine einmonatige Kündigungsfrist. Diese wurde durch die Wahl eines Beendigungszeitpunkts in gut sieben Monaten um ein Vielfaches überschritten. Zudem waren weitere typische Abwicklungsmodalitäten nicht vereinbart worden.

Änderung des Beendigungsdatums als neue Befristungsabrede

Das BAG sah in der Änderung des Beendigungsdatums und der damit verbundenen Verkürzung der Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrages eine neue Befristungsabrede. Diese sei ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes unwirksam. Eine sachgrundlose Befristung sei wegen § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ausgeschlossen, da zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Befristungsabrede bereits ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe.

Das BAG betont in diesem Zusammenhang, eine sachgrundlose Befristung sei ausweislich des eindeutigen Wortlauts des § 14 Abs. 2 TzBfG nur bei Neueinstellungen oder Vertragsverlängerungen – und damit gerade nicht bei Vertragsverkürzungen – zulässig. Auch der Zweck des § 14 Abs. 2 TzBfG gebiete dies. Die Vorschrift soll zum einen dem Arbeitgeber ermöglichen, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren. Für den Arbeitnehmer soll die befristete Beschäftigung eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und eine Brücke zur Dauerbeschäftigung sein. Die Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Vertrages diene nicht der Verwirklichung dieser Zwecke. Das BAG sieht außerdem Missbrauchsgefahren: Wären Verkürzungen ohne sachlichen Grund zulässig, so könnte ein befristeter Vertrag mehrmals verkürzt und anschließend wieder verlängert werden. Im Extremfall könnte so innerhalb der zweijährigen Höchstbefristungsdauer die Vertragslaufzeit bis zu sechs Mal geändert werden, obwohl die maximal zulässige Laufzeit bereits durch den ersten Vertrag ausgeschöpft war.

Überzeugend ist die Argumentation des BAG nicht. Denn durch die Änderung des Beendigungszeitpunkts wird kein neuer befristeter Arbeitsvertrag geschlossen, sondern ein bestehender befristeter Arbeitsvertrag modifiziert. Außerdem soll § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG insbesondere Kettenbefristungen bei demselben Arbeitgeber verhindern. Die einvernehmliche Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages steht diesem gesetzgeberischen Ziel nicht entgegen.

Empfehlungen für die Praxis

Dennoch sollte sich die Praxis auf die Entscheidung des BAG einstellen: Die Verkürzung der Laufzeit eines befristeten Arbeitsvertrages ist mit rechtlichen Unwägbarkeiten und Risiken verbunden. Sofern nicht zweifelsfrei ein sachlicher Grund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt (und dies wird selten der Fall sein), ist von einer Verkürzung der Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrages dringend abzuraten.

Stattdessen kann die vorzeitige Beendigung im Wege eines Aufhebungsvertrages werden. Dieser sollte auch ausdrücklich als ein solcher bezeichnet werden. Zusätzlich ist die Aufnahme typischer Abwicklungsmodalitäten empfehlenswert. Besondere Vorsicht ist bei der Wahl des Beendigungszeitpunkts geboten: Übersteigt dieser die ordentliche Kündigungsfrist um ein mehrfaches, so wird der „vermeintliche“ Aufhebungsvertrag von der Rechtsprechung tatsächlich als Abrede über die befristete Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses qualifiziert, mit der Folge, dass u.U. ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

Weiterführende Hinweise

Näheres zur Abgrenzung von Aufhebungsvertrag und Befristung bei Kliemt, HWK, 7. Auflage 2016, Anh. zu § 9 KSchG Rdnr. 1. Mehr zur sachgrundlosen Befristung finden Sie in dem Beitrag von Dr. Elke Platzhoff.

Prof. Dr. Michael Kliemt 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Michael Kliemt gehört ausweislich der einschlägigen Ranking-Handbücher und Wirtschaftsmagazine zu den führenden Arbeitsrechtlern in Deutschland. Er berät internationale und nationale Unternehmen zu allen Facetten des Arbeitsrechts. Er verfügt über einen immensen Erfahrungsschatz bei der Beratung von Restrukturierungen, Transformations-, Outsourcing- und Integrationsprojekten, der Flexibilisierung, Vereinheitlichung und Optimierung von Arbeitsbedingungen (v.a. Arbeitszeit, Vergütung) sowie der Implementierung von IT-Systemen. Dabei übernimmt er sowohl die strategische Konzeptionierung, als auch die Verhandlungen mit Gewerkschaften und Betriebsräten zu Tarifverträgen (v.a. Haustarifverträge, OT-Mitgliedschaft, Tarifwechsel), Interessenausgleich, Sozialplan, Transfervereinbarungen und Betriebsvereinbarungen ebenso wie die Umsetzung der Maßnahmen und die Führung von Einigungsstellenverfahren. Daneben begleitet er regelmäßig komplexe Compliance- und Whistleblower-Fälle. Ein weiterer Schwerpunkt von Michael Kliemt liegt in der Beratung von Vorständen, Geschäftsführern und Aufsichtsräten beim Abschluss, der Verlängerung und der Beendigung von Dienstverträgen einschließlich sämtlicher Fragen der Organhaftung (z.B. Führung und Abwehr von Schadensersatzprozessen wegen Organhaftung). Er fungierte bereits bei einer Vielzahl bedeutender Schiedsgerichtsverfahren als Schiedsrichter. Das JUVE-Handbuch zählt Michael Kliemt seit vielen Jahren zu den „Führenden Namen in der Führungskräfteberatung“.
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