Die wirksame Ausgestaltung von Befristungen stößt bei Arbeitgebern (verständlicherweise) immer wieder auf Schwierigkeiten. Kürzlich hatte das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden (Urteil vom 21.03.2017 – 7 AZR 222/15), ob die Schließung einer Betriebsstätte, die durch einen neuen Standort an einem 83 Kilometer entfernten Ort ersetzt werden soll, einen ausreichenden Sachgrund für eine Befristung darstellen kann. Maßgeblich war die Frage, ob der Arbeitgeber eine ausreichende Prognose angestellt hatte, wonach der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers aufgrund der Schließung nur vorübergehend bestehen wird.
Hintergrund des Urteils
Die Arbeitgeberin unterhielt an zwei Standorten (B und H) Zentrallager für die Belieferung von Geschäften des Einzelhandels. Diese Standorte sollten geschlossen und durch einen neuen, 83 km entfernten Standort ersetzt werden. Der schriftliche Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers sah dessen Einsatz am Standort in B vor und das Ende des Arbeitsverhältnisses für den Zeitpunkt, an dem der Standort B geschlossen wird.
Der Arbeitnehmer erhob Klage und wollte festgestellt wissen, dass die Befristung seines Arbeitsvertrags unwirksam ist. Nachdem das Bundesarbeitsgericht („BAG“) zunächst klarstellte, dass vor der schriftlichen Unterrichtung der Arbeitgeberin über die Erreichung des Zwecks (vgl. § 15 Abs. 2 TzBfG) lediglich Feststellungsklage (und noch nicht die Befristungskontrollklage nach § 17 S. 1 TzBfG) erhoben werden kann, führte es inhaltlich sinngemäß Folgendes aus:
Beabsichtigt der Arbeitgeber bei Vertragsschluss, seine betriebliche Tätigkeit nach einer räumlichen und/oder organisatorischen Änderung fortzuführen, und besteht der betriebliche Bedarf an der vertraglichen Arbeitsleistung des befristet eingestellten Arbeitnehmers dort fort, sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an dessen Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG) nicht ohne Weiteres erfüllt. Nur wenn bei Vertragsschluss schon feststeht, dass die vertragliche Tätigkeit an dem neuen Standort nicht mehr anfällt oder diese dem Arbeitnehmer nicht mehr zugewiesen werden kann, kann ein ausreichender Sachgrund vorliegen.
Was bedeutet „Zweckbefristung“?
Eine Zweckbefristung liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses enden soll. Die Parteien hatten vorliegend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dem zukünftigen Ereignis der Schließung des Zentrallagers in B abhängig gemacht. Die Schließung war dem Grunde nach sicher, nur der genaue Zeitpunkt stand bei Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem befristet eingestellten Arbeitnehmer noch nicht endgültig fest (und wurde auch tatsächlich einige Male nach hinten verschoben).
Bestimmbarkeit des Zwecks
Eine Zweckbefristung erfordert daneben eine unmissverständliche schriftliche Einigung der Parteien darüber, dass das Arbeitsverhältnis bei Zweckerreichung enden soll. Der Zweck muss außerdem so genau bezeichnet sein, dass das den Arbeitsvertrag beendende Ereignis zweifelsfrei festgestellt werden kann. Die Beschreibung „Schließung des Standorts B“ war nach Auffassung des BAG eindeutig: Das Ereignis trete dann ein, wenn die für ein Zentrallager maßgeblichen Funktionen der Anlieferung, Lagerung und Auslieferung von Warenbeständen dauerhaft eingestellt werden.
Zweck: JA – Sachgrund: NEIN
Die Zweckbefristung bedarf zu ihrer Wirksamkeit letztlich, und erfahrungsgemäß ist dieses Merkmal besonders problemanfällig, des Vorliegens eines sachlichen Grundes. Die für den Fall entscheidende Frage lautete, ob zum Zeitpunkt des Abschlusses der Befristungsabrede als Sachgrund ein betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestand (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG).
Das BAG führte hierzu aus, dass sich ein vorübergehender betrieblicher Bedarf zwar u.a. daraus ergeben kann, dass für einen begrenzen Zeitraum in dem Betrieb zusätzliche Arbeiten anfallen oder aber dass sich der Arbeitskräftebedarf künftig verringern wird – etwa wegen der Inbetriebnahme einer neuen technischen Anlage oder aufgrund von Abwicklungsarbeiten bis zur Betriebsschließung. Es genügt bei der vorzunehmenden Prognose nach Ansicht des BAG aber nicht, dass sich lediglich unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des Arbeitnehmers zukünftig entbehrlich sein könnte. An die Zuverlässigkeit der Prognose müssten umso höhere Anforderungen gestellt werden, je weiter die vereinbarte Zweckerreichung in der Zukunft liege.
Der Arbeitgeber muss zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags demnach bereits eine sichere Vorstellung darüber haben, wie sich die betriebliche Tätigkeit und damit der Bedarf an der Arbeitsleistung konkret weiterentwickelt. Beabsichtigt der Arbeitgeber – wie hier – aber bei Vertragsschluss, dass die betriebliche Tätigkeit nach einer räumlichen und/oder organisatorischen Änderung fortgeführt wird und besteht der betriebliche Bedarf an der vertraglichen Arbeitsleistung des befristet eingestellten Arbeitnehmers dort möglicherweise fort, liege kein ausreichender Sachgrund für eine Befristung vor.
Dass das Vorliegen des „vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs“ nur auf den konkreten Betrieb bezogen zu beurteilen ist und bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in anderen Betrieben des Unternehmens im Rahmen von § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind, war hier unerheblich. Vorliegend sollte die betriebliche Tätigkeit nämlich gerade fortgeführt werden – eben nur an einem anderen Standort.
Das BAG verwies die Entscheidung zurück an die Vorinstanz. Diese wird abschließend zu klären haben, ob die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts (§ 106 GewO) eine Tätigkeit am neuen Standort hätte zuweisen können.
Fazit
Bei einer wie hier vorliegenden Standortverlagerung muss der Arbeitgeber eine genaue Prognose darüber anstellen, inwieweit der Bedarf an der konkreten Arbeitsleistung des betroffenen Arbeitnehmers an dem neuen Standort wegfallen wird. Der Umstand der Standortverlagerung selbst ist nicht ausreichend. Eine derart weitgehende Vorausschau ggf. noch im Planungsstadium des neuen Standorts wird für Arbeitgeber in vielen Fällen kaum möglich sein, erst recht nicht in einer Art und Weise, die den Anforderungen der BAG-Rechtsprechung an eine Zweckbefristung genügt. Von Zweckbefristungen vor Standortverlagerungen ist daher abzuraten. Arbeitgeber sollten genau prüfen, ob andere Vertragsgestaltungen rechtlich und tatsächlich möglich sind, wie z.B. kalendermäßige, sachgrundlose Befristungen, die in begrenztem Umfang auch verlängert werden dürfen.