Externe Arbeitskräfte werden in fast jedem Unternehmen und in allen Branchen benötigt. Es haben sich die verschiedensten Modelle etabliert, um vorübergehenden Mehrarbeitsbedarf ohne die kostenträchtige Einstellung eigener Arbeitskräfte zu decken, z.B. durch Einsatz freier Mitarbeiter oder Auftragsvergabe an Werk- und Dienstunternehmer. Eine häufig anzutreffende Konstellation ist die Zwischenschaltung einer „Ein-Mann-GmbH“. Oftmals werden auch Leiharbeitsfirmen bemüht. Werden dabei aber die Maßgaben von Gesetz und Rechtsprechung nicht eingehalten, führt dies meist zur ungewollten Begründung von Arbeitsverhältnissen. Das BAG (Urteil vom 17.1.2017 – 9 AZR 76/16) befasste sich jüngst mit einem Fall, in dem sich ein Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer „Ein-Mann-GmbH“ kurzum selbst an ein anderes Unternehmen verliehen hatte. Im Nachhinein machte der Geschäftsführer geltend, Arbeitnehmer des entleihenden Unternehmens geworden zu sein.
Der Fall
Der Kläger war als freier Mitarbeiter bei dem beklagten Unternehmen tätig. Dieses wies ihn nach mehrjähriger Tätigkeit darauf hin, auf Basis einer Arbeitnehmerüberlassung könne man ihn in weitaus größerem Umfang beschäftigen als bisher. Daraufhin gründete der Kläger eine GmbH. Er selbst war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Mit dem Unternehmen schloss die GmbH eine Rahmenvereinbarung über die Überlassung von „Produktionspersonal“. Jahrelang verlieh sie einzelne Arbeitnehmer und den Kläger selbst – mit wirksamer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis – an verschiedene Unternehmen; zuletzt für fast sechs Jahre ausschließlich an das beklagte Unternehmen. Nach Ende der Arbeitnehmerüberlassung machte der Kläger geltend, er sei Arbeitnehmer des Unternehmens geworden und fortan als solcher zu beschäftigen. Er sei weisungsgebunden für das beklagte Unternehmen tätig und in dessen Betrieb eingegliedert gewesen. Das AÜG sei auf ihn als „Nicht-Arbeitnehmer“ unanwendbar, sodass eine Arbeitnehmerüberlassung nicht entgegenstehe.
Keine Anwendung des AÜG auf Gesellschafter-Geschäftsführer
Das BAG stellt in seiner Entscheidung aus Januar 2017 – in Anwendung der alten Fassung des AÜG – im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung fest, der Kläger sei als Alleingesellschafter-Geschäftsführer kein Arbeitnehmer iSd. AÜG, da er allein die Entscheidungen der GmbH treffe.
Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht nach Unionsrecht. Danach hänge die Arbeitnehmerschaft des Mitglieds eines Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft ungeachtet der rechtlichen Einordnung nach nationalem Recht maßgeblich von einem Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft ab (EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – Rs. C-232/09 „Danosa“). Ein solches ist bei einem Alleingesellschafter nicht gegeben.
Damit sei das AÜG unanwendbar und der Einsatz des Klägers sei keine wirksame Arbeitnehmerüberlassung. Denn wirksam können nur beim Verleiher-Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer verliehen werden. Dies ist mit der Reform des AÜG – zum 1. April 2017 in Kraft getreten – nochmals ausdrücklich im Gesetzestext klargestellt worden.
Für einen Arbeitnehmer würde nun nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher fingiert. Nach dem BAG ist dieser Gedanke grundsätzlich auch auf Geschäftsführer übertragbar.
Führt die Selbstüberlassung damit zum Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher?
Für die entschiedene Konstellation beantwortet das BAG diese Frage mit nein.
Denn nach dem Wortlaut der Rahmenvereinbarung zwischen Kläger und Unternehmen – Überlassung von „Produktionspersonal“ – sei der Kläger nicht gezwungen, selbst tätig zu werden. Er sei danach vielmehr frei, zu entscheiden, sich selbst anstatt seiner Arbeitnehmer zu entleihen und sei daher nicht schutzwürdig.
In einem solchen Fall könne er sich nicht auf die Schutzmechanismen des AÜG berufen und ihm sei der Verstoß gegen die gesetzlichen Voraussetzungen selbst zuzurechnen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Verleihunternehmen – wie im entschiedenen Fall – über eine Überlassungserlaubnis nach dem AÜG verfüge und auch tatsächlich Arbeitnehmer verleiht.
Aber: Trotzdem kann die Selbstüberlassung Rechtsmissbrauch sein
So hatte es die Vorinstanz (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 1.12.2015 – 1 Sa 439 b/14) noch gesehen. Das LAG nahm an, zwischen den Parteien sei durch den tatsächlichen Einsatz des Klägers auch ohne ausdrücklichen Vertragsschluss ein Arbeitsverhältnis begründet worden. Dass der Kläger nur die Rahmenüberlassungsvereinbarung zum beklagten Unternehmen erfülle, stehe dem nicht entgegen. Eine solche Konstellation diene der Umgehung der Arbeitnehmerschutzvorschriften und die Berufung darauf sei rechtsmissbräuchlich.
Das BAG lehnte dies vorliegend ab. Es liege kein Rechtsmissbrauch vor, wenn die Selbstüberlassung im Rahmen der „unternehmerischen Tätigkeit“ erfolge und diese nicht nur im Einsatz der „Ein-Mann-GmbH“ für das „entleihende“ Unternehmen liege.
Im vorliegenden Fall hatte die GmbH auch vereinzelt andere Personen als den Kläger verliehen und dies an verschiedene Unternehmen. Das ließ das BAG als unternehmerische Tätigkeit genügen. Die Vereinbarung zwischen Unternehmen und Kläger habe daher nicht die Umgehung des Arbeitsverhältnisses zum Zweck gehabt, sondern sei Teil der unternehmerischen Tätigkeit der „Ein-Mann-GmbH“.
Fazit
Das BAG setzt mit seiner Entscheidung Wegmarken für die praktische Ausgestaltung des Einsatzes von externen Arbeitskräften über eine „Ein-Mann-GmbH“. Die Entscheidung sollte aber mit Vorsicht genossen werden. Ihr kann nicht der Grundsatz entnommen werden, ein Gesellschafter-Geschäftsführer kann sich ohne weiteres selbst verleihen.
Im Gegenteil machen die Ausführungen des BAG deutlich, dass schon in geringfügig anders gelagerten Konstellationen, der Weg über die „Ein-Mann-GmbH“ eher als „Strohmann“-Konstellationen zu bewerten ist und die Gefahr eines ungewollten Arbeitsverhältnisses birgt.
Durch umsichtige Vertragsgestaltung, kann dieses Risiko verringert werden. Gemäß den Ausführungen des BAG ist bei der Gestaltung von Rahmenüberlassungsvereinbarungen mit „Ein-Mann-GmbHs“ vor allem auf die Regelung des zu überlassenden Personenkreises zu achten. Dieser sollte nicht auf den Geschäftsführer beschränkt werden. Auf der Kehrseite heißt das aber, die „Ein-Mann-GmbH“ kann auch andere Personen zur Erfüllung der Aufgaben als den Geschäftsführer einsetzen.
Sollen Mitglieder der Leitungsorgane von Gesellschaften „verliehen“ werden, ist zudem eine sorgfältige Statusprüfung im Voraus durchzuführen. Z. B. ist für Fremd-Geschäftsführer, die keine maßgeblichen Gesellschaftsanteile halten, eine andere Beurteilung geboten. Diese sind nach der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 9. Juli 2015 Rs. C-229/14, „Balkaya“) regelmäßig als Arbeitnehmer zu behandeln und können daher grundsätzlich nach dem AÜG verliehen werden. Insbesondere nach Inkrafttreten des neuen AÜG ist daher ein laufendes Controlling der tatsächlichen Vertragsdurchführung ratsamer denn je.
Die Auswirkungen der AÜG-Reform behandelt Dr. Jan L. Teusch im Beitrag „Checkliste AÜG: Fit für den 1. April?“. Weitere Ausführungen zum europarechtlichen Verständnis des Arbeitnehmerbegriffs und seinen exemplarischen Auswirkungen auf das deutsche Arbeitsrecht lesen Sie im Blogbeitrag „Sind Geschäftsführer Arbeitnehmer?“ von Dr. Frank Zaumseil.