Der Wettbewerb erfordert allerorten Flexibilität, so auch beim Personaleinsatz. Insbesondere da, wo Wissenstransfer und Joint Ventures zum täglichen Geschäft gehören, müssen Unternehmen in der Lage sein, kurzfristig auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren und sich strukturell neu aufzustellen. Gleich ob auf Arbeitnehmerüberlassung, Werkverträge oder Befristungen zurückgegriffen wird, mit jedem Beschäftigungsmodell gehen Risiken einher, die jedoch strukturell beherrscht werden können, wie die aktuelle Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 13.6.2017 – 5 Sa 209/16) einmal mehr zeigt.
Der Fall
Die Klägerin ist angestellte Krankenschwester eines Universitätsklinikums, das auf Basis eines Kooperationsvertrages mit einem gemeinnützigen Verein arbeitsteilig und unter gemeinsamer Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts ein ambulantes Nierenzentrum betreibt. Zur Absicherung dieses Geschäftsmodells erwarb das Klinikum zusätzlich die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und verpflichtete die Klägerin auch zu derartigen Einsätzen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin u.a. erhöhte Vergütung nach dem auf den gemeinnützigen Verein anwendbaren Tarifvertrag unter Berufung auf den Equal-pay-Grundsatz des Arbeitnehmerüberlassungsrechts.
Beschäftigung im Gemeinschaftsbetrieb anstatt Arbeitnehmerüberlassung
Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass eine Beschäftigung in einem sog. Gemeinschaftsbetrieb, nicht jedoch im Wege der Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Dazu hat es nochmals die in der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien beider Beschäftigungsarten dargestellt:
Verbinden sich verschiedene Unternehmen zur Verfolgung eines gemeinsamen arbeitstechnischen Zwecks sowie zur gemeinsamen Führung des Betriebes, liegt eine Beschäftigung in einem Gemeinschaftsbetrieb vor. Fördert hingegen ein Unternehmen einen fremden arbeitstechnischen Zweck durch bloßes Bereitstellen von Personal, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor. Maßgeblich ist insoweit die strukturelle Gestaltung entsprechender Kooperationen.
Die Entsendung von Arbeitnehmern in einen Gemeinschaftsbetrieb
Betreiben mehrere Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, stellt die Entsendung von Arbeitnehmern in diesen Betrieb keine Arbeitnehmerüberlassung dar. Einen Gemeinschaftsbetrieb kennzeichnet, dass die in einem Betrieb vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen für einen gemeinsamen arbeitstechnischen Zweck eingesetzt werden und das regelmäßig wechselseitig eingesetzte Personal einer einheitlichen Personalleitung untersteht. Die beteiligten Unternehmen müssen sich also jedenfalls stillschweigend zur gemeinsamen Führung eines solches Betriebes verbunden haben.
Die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitnehmerüberlassung liegt hingegen vor, wenn die Kooperationsvereinbarung der beteiligten Unternehmen die Förderung eines fremden arbeitstechnischen Zwecks durch Bereitstellung von Personal beinhaltet. Entgegen einer Beschäftigung in einem Gemeinschaftsbetrieb üben die beteiligten Unternehmen die Personalführung über die Leiharbeitnehmer nicht gemeinsam aus; die Leiharbeitnehmer werden stattdessen in den Betrieb des Entleihers integriert und unterliegen dessen Weisungsrecht.
Auf das gelebte Vertragsverhältnis kommt es an
Zutreffend hat das Gericht sodann weiter herausgearbeitet, das es für die Bewertung eines Beschäftigungsmodells maßgeblich auf das in praxi gelebte Vertragsverhältnis, nicht jedoch auf den Bezeichnungs- und Gestaltungswillen der Parteien ankommt.
Fazit
Festzuhalten ist damit, dass es im Rahmen der Abgrenzung der Beschäftigungsmodelle maßgeblich auf den Inhalt der getroffenen Kooperationsvereinbarung ankommt. Haben sich die beteiligten Unternehmen zur Erfüllung eines gemeinsamen arbeitstechnischen Zwecks unter Einsatz materieller und immaterieller Betriebsmittel beider Unternehmen sowie unter gemeinsamer Personalleitung verbunden, liegt eine Beschäftigung in einem Gemeinschaftsbetrieb vor. Erschöpft sich die Geschäftsbeziehung hingegen in der Förderung fremder arbeitstechnischer Zwecke durch bloße Personalgestellung liegt hingegen Arbeitnehmerüberlassung vor.
Für die Praxis lassen sich aus dieser Entscheidung etliche Erkenntnisse ableiten. Einerseits zeigt die vorgestellte Entscheidung einmal mehr deutlich, dass bei strukturellem Arbeiten die vorhandenen Gestaltungsspielräume ausgenutzt werden können. Bei der Implementierung derartiger Beschäftigungsmodelle sollte dreistufig vorgegangen werden. Zunächst ist zu untersuchen, welche Gestaltung strukturell dem betrieblichen Bedarf am besten gerecht wird. In einem zweiten und dritten Schritt sind sodann die maßgeblichen vertraglichen Grundlagen zu schaffen und die konsequente operative Umsetzung des Beschäftigungsmodells zu gewährleisten.
Die Entscheidung verdeutlicht des Weiteren, dass nur die konsequente Umsetzung der bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten strukturelle Defizite vermeiden und Risiken minimieren kann. Im vorliegenden Fall machte die als Krankenschwester beschäftigte Klägerin allein für einen Zeitraum von drei Jahren eine Differenzvergütung von rund EUR 14.000 brutto geltend. Ein solches Risiko kann sich indes schnell vervielfachen, wenn es um die Beschäftigung hochbezahlter Arbeitnehmer, einer Vielzahl von Arbeitnehmern oder aber um die Beschäftigung während wesentlich längerer Zeiträume geht. Entsprechend ist es bereits aus Risikogesichtspunkten unerlässlich, sich strukturell adäquat aufzustellen. Dies gilt auch deshalb, weil seit der Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes mit Wirkung ab dem 01.04.2017 Unternehmen nicht mehr auf den doppelten Boden in Form einer höchst vorsorglich beantragten Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zurückgreifen können. Unternehmen, die ungewollte Folgen von Arbeitnehmerüberlassung vermeiden wollen, sind entsprechend mehr denn je auf rechtssichere Strukturen angewiesen.