Die US-Notenbank macht es vor und hebt den US-Leitzins auf 1,25% an. Davon ist man bei der EZB noch weit entfernt (0,0% in der Eurozone). Das Niedrigzinsumfeld hat Deutschland somit weiter fest im Griff und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Die Folgen für den deutschen Arbeitgeber: die Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen sind in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen und dies wird sich auch in nächster Zeit nicht ändern. Was tun? – Schon einmal über ein Outsourcing von Pensionsverbindlichkeiten nachgedacht?
Catch 22: Schlechte Aussichten – Keine Alternativen?
Bekanntermaßen werden Zusagen betrieblicher Altersversorgung auf lange Zeit erteilt. Leistungen betrieblicher Alterszusage waren ursprünglich reine Fürsorgeleistungen des Arbeitgebers, werden seit einiger Zeit aber von der Rechtsprechung als Gegenleistung für die erbrachte bzw. erwartete Betriebstreue angesehen – ein Eingriff in diese Rechte ist daher nur schwer möglich. Die Versorgungsanwartschaft als goldene Kuh des Dritten BAG-Senats ist auch vor einer Übertragung auf Dritte besonders geschützt. Schließlich muss der Versorgungsberechtigte (und der Pensionssicherungsverein a.G. – PSV) davor geschützt werden, dass ein Versorgungsschuldner die ihn treffenden Versorgungspflichten auf einen nicht solventen Schuldner abstreift und die Belegschaft entweder leer ausgeht oder ein möglicher Zahlungsausfall über den PSV vom Kollektiv getragen werden muss. Auch aus diesem Grund können Versorgungsverpflichtungen gemäß § 4 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) nur unter besonderen Voraussetzungen übertragen werden.
Gleichwohl dürften in den letzten Jahren viele Arbeitgeber mit alten Direktzusagen (mit ggf. hohen Zinszusagen) darüber nachgedacht haben, daraus entstehende Versorgungsverbindlichkeiten loszuwerden bzw. den Verpflichtungsumfang zu beschränken. Zum einen lassen sich die gemachten Zusagen kaum einhalten, zum anderen drücken sie auf die Bilanz. Denn Verbindlichkeiten aus derartigen Zusagen sind bilanziell zu passivieren und die Rückstellungen hierfür steigen immer weiter. Die HGB-Bilanzierungsgrundsätze sehen zur Bewertung von Pensionsrückstellungen nämlich einen am Marktzins orientierten Abzinsungszinsfuß vor, der aufgrund eines Durchschnitts der letzten sieben/zehn Jahre gebildet wird (§ 253 Abs. 2 HGB). Da in diese Mischbetrachtung aktuell noch Zeiträume mit vergleichsweise hohen Marktzinsen einbezogen werden, wird das Niedrigzinsumfeld hier erst in den nächsten Jahren richtig zuschlagen.
Doch wie erst kürzlich wieder zu hören war: Probleme sind nur dornige Chancen. Die Möglichkeiten zur Übertragung von Versorgungsverbindlichkeiten sind begrenzt, aber wir zeigen Ihnen, wie es gehen könnte.
Ausgliederung von Verbindlichkeiten auf eine Rentnergesellschaft
Ein oft genutztes Konzept zur Bilanzbereinigung besteht in der Ausgliederung von Pensionsverbindlichkeiten auf eine sogenannte Rentnergesellschaft. Dazu werden alle gegenüber bereits ausgeschiedenen Mitarbeitern und Rentnern bestehenden Versorgungsanwartschaften aufgrund einer Spaltung (zumeist im Wege einer Ausgliederung) auf eine separate Gesellschaft übertragen.
Eine solche Übertragung auf einen bereits bestehenden Rechtsträger setzt den Abschluss eines Ausgliederungs- bzw. Spaltungsvertrages voraus. Der bisherige und der neue Versorgungsschuldner können im Rahmen dieses Vertrages eine freie Zuordnung der zu übertragenden Versorgungsverpflichtungen vornehmen, so dass diese Verbindlichkeiten auch dem neuen Versorgungsschuldner zugewiesen werden können. Mit Abschluss des Vertrages und anschließender Eintragung der Spaltung im Handelsregister erfolgt eine wirksame Übertragung der dem übernehmenden Rechtsträger zugeordneten Versorgungsverbindlichkeiten auf diesen. Einer Zustimmung der Versorgungsberechtigten oder des PSV hierzu bedarf es nicht.
Umwandlungsgessetz vs. Betriebsrentengesetz
Zu beachten ist jedoch, dass sich die Anforderungen an eine solche Spaltung sowie deren Rechtsfolgen nicht nach dem BetrAVG richten, sondern das Umwandlungsgesetz (UmwG) Anwendung findet. Dies bedeutet, dass das betriebsrentenrechtliche Übertragungsverbot des § 4 BetrAVG von den Spezialvorschriften des UmwG verdrängt wird und keine Anwendung findet. Zugleich sind allerdings die Bestimmungen des UmwG insbesondere zur Nachhaftung des übertragenden Rechtsträgers zu berücksichtigen. Danach haftet der bisherige Versorgungsschuldner gesamtschuldnerisch mit dem neuen Versorgungsschuldner für einen Zeitraum von zehn Jahren auf die Erfüllung der Versorgungsverbindlichkeiten. Solange eine Inanspruchnahme des übertragenden Rechtsträgers aus der Nachhaftung jedoch nicht droht, muss dieses Risiko bilanziell nicht passiviert werden, so dass der bilanzbereinigende Effekt der Spaltung grundsätzlich nicht gefährdet wird.
Ausreichende Kapitalisierung als „Haken“?
Die Übertragung von Versorgungsverbindlichkeiten auf eine Rentnergesellschaft im Wege einer Spaltung hat jedoch einen Haken: Die Rentnergesellschaft muss mit ausreichend Kapital ausgestattet werden, um die übertragenen Versorgungsverbindlichkeiten bedienen zu können. Diese Pflichten gehen über die allgemeinen Anforderungen in Form des Verbots der Unterpari-Emission sowie der Verhinderung einer bilanziellen Überschuldung beim übernehmenden Rechtsträger hinaus. Hierzu hat das BAG dezidierte Vorgaben gemacht, wonach insbesondere zukünftige Anpassungsverpflichtungen zu berücksichtigen als auch bestimmte versicherungsmathematische Annahmen zur Bewertung der Versorgungsverbindlichen zu beachten sind. Andernfalls können die „ausgegliederten“/„abgespaltenen“ Versorgungsberechtigten Schadensersatz von ihrem früheren Arbeitgeber verlangen.
„Abgeleitete Rentnergesellschaft“ qua Betriebsübergang
Diese besondere Kapitalausstattungspflicht hält das BAG erstaunlicher Weise jedoch dann für nicht erforderlich, wenn eine „abgeleitete“ Rentnergesellschaft im Wege des Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB geschaffen wird. Das heißt, räumt der Arbeitgeber seine bisher operativ tätige Gesellschaft im Wege des Betriebsübergangs leer, so dass in der Gesellschaft nur noch die von § 613a BGB nicht erfassten Versorgungsanwartschaften der Rentner und bereits ausgeschiedenen Mitarbeiter zurückbleiben, können die Vorgaben des BAG zur Ausstattung von Rentnergesellschaften qua Umwandlung ignoriert werden. Die Schaffung einer „abgeleiteten“ Rentnergesellschaft hat dadurch an Attraktivität gewonnen.
Auslagerung von Risiken auf einen externen Anbieter
Es gibt jedoch Alternativen zur Rentnergesellschaft. Während zur Bildung einer Rentnergesellschaft das operative Geschäft von den Versorgungsverbindlichkeiten isoliert wird und dazu eine zweite Gesellschaft als Vehikel zum „Parken“ der Pensionsverbindlichkeiten benutzt wird, gibt es für den Versorgungsschuldner auch die Möglichkeit, Rückstellungen in der Bilanz ohne gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung zu minimieren. Dazu können unmittelbar durchgeführte Versorgungssysteme auf einen mittelbar durchgeführten, meist versicherungsförmigen Durchführungsweg umgestellt werden. Hier hat sich insbesondere aus steuerrechtlichen Gründen das Modell bewährt, den Past Service, d.h. die bis zum Übertragungsstichtag erdienten Anwartschaften, auf einen Pensionsfonds auszulagern und den Future Service, d.h. die nach dem Stichtag entstehenden Anwartschaften, über den Durchführungsweg der Unterstützungskasse durchzuführen.
Dieses Vorgehen macht zum einen eine Einmalzahlung an den Pensionsfonds zum Funding der von ihm übernommenen Verbindlichkeiten erforderlich und setzt zum anderen eine ordnungsgemäße arbeitsrechtliche Anpassung der bestehenden Versorgungsverhältnisse voraus. Das Outsourcing der Verbindlichkeiten auf den Pensionsfonds bedeutet eine Änderung des ursprünglichen Versorgungsverhältnisses und ist ohne arbeitsrechtliche Beratung kaum wirksam umsetzbar. Dazu müssen bestehende Individualverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge angepasst werden. Gleiches gilt mit Hinblick auf die Änderung der Versorgungszusage für die Zukunft und die zukünftige Durchführung des Versorgungsversprechens über die Unterstützungskasse.
§ 4 BetrAVG steht einem solchen Vorgehen nicht entgegen, da das Versorgungsversprechen weiterhin zwischen dem Versorgungsberechtigten und seinem (früheren) Arbeitgeber besteht. Lediglich der Durchführungsweg hat sich geändert.
Vorteil dieses Vorgehens ist nicht nur, dass aufgrund der Durchführung der Versorgungsverbindlichkeiten über einen externen Versorger eine Bilanzbereinigung erfolgen kann (eine Subsidiärhaftung des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG bleibt aber bestehen). Zugleich liegt in der Durchführung über einen Dritten die Chance, Langlebigkeitsrisiken auf den externen Versorgungsträger zu übertragen und sich von der Anpassungsprüfungspflicht durch eine entsprechende Überschussverwendung in den versicherungsförmigen Durchführungswegen gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG zu befreien. Letzteres hängt natürlich von der Ausgestaltung des Versorgungssystems beim „Erwerber“ sowie der Zulässigkeit gegebenenfalls erforderlicher Planänderungen ab.
Wenn alles zu spät ist – Übertragung auf Liquidationsdirektversicherung
Eine der ganz wenigen Ausnahmen vom generellen Übertragungsverbot des § 4 BetrAVG ist in dessen Absatz 4 geregelt. Demnach können im Falle der Einstellung der Betriebstätigkeit und der Unternehmensliquidation Versorgungszusagen von einer Pensionskasse oder einem Unternehmen der Lebensversicherung (grundsätzlich) ohne Zustimmung des Arbeitnehmers oder Versorgungsempfängers übernommen werden. Eine solche Übertragung ist allerdings nur dann zulässig, wenn die von der Pensionskasse/vom Versicherer erwirtschafteten Überschüsse zur Anpassung der Rentenleistungen gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG verwendet werden.
Diese Regelung soll damit insbesondere verhindern, dass Gesellschaften trotz Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit aufgrund weiterhin bestehender Versorgungsverbindlichkeiten nicht liquidiert werden können und gezwungener Maßen als Rentnergesellschaften fortgeführt werden müssen.
Bei einer Übertragung von Versorgungszusagen gemäß § 4 Abs. 4 BetrAVG handelt es sich um einen Fall einer Schuldübernahme, d.h. der bisher Versorgungsverpflichtete wird von seiner Versorgungspflicht vollständig frei. Damit unterscheidet sich dieser Fall der Übertragung maßgeblich von dem zuvor beschriebenen Fall der Auslagerung der Versorgung auf einen externen Träger, was rechtlich insoweit lediglich eine Änderung des Durchführungsweges jedoch keinen Austausch des Schuldners bedeutet.
Fazit
Bevor sich die Situation weiter verschärft, die Pensionsrückstellungen die Aktivposten der Bilanz aufgefressen haben und ein Insolvenzszenario möglich ist, sollte gehandelt werden.
Auch wenn der besondere Schutz von Versorgungsanwartschaften die Freiheiten auf Arbeitgeberseite extrem einschränkt, hat der Arbeitgeber einige Optionen. Neben den vorstehend dargestellten Möglichkeiten zur Übertragung bzw. zur Auslagerung von Pensionsverbindlichkeiten wäre es ebenfalls vorstellbar, Pensionslasten durch Änderungen der bestehenden Leistungspläne zu reduzieren (siehe hierzu insbesondere unseren Blog-Beitrag vom 28. September 2017) oder Abfindungsprogramme durchzuführen (siehe hierzu auch den Blog-Beitrag vom 17. August 2017). So oder so sind die rechtlichen Anforderungen an eine wirksame Umsetzung der gewählten Maßnahme komplex und bedürfen einer professionellen arbeitsrechtlichen Beratung.