Viele Unternehmen versuchen, mit Kapitalbeteiligungsprogrammen die Identifikation ihrer Mitarbeiter (und insbesondere der Führungskräfte und Schlüsselpersonen) mit dem Unternehmen zu erhöhen. Eine besonders effektive Form der Mitarbeiterbeteiligung sind Aktienoptionsprogramme, die sich seit dem Börsenboom der New Economy Ende der 1990er Jahre auch in Deutschland etabliert haben.
Ziele von Aktienoptionsprogrammen
Aktienoptionsprogramme dienen primär der Motivation der Mitarbeiter zur Steigerung des Unternehmenswertes (im Sinne einer Börsenwertmaximierung). Daneben lassen sich durch geschickte Programmgestaltung (insbesondere durch Kombination von Wartefristen und Verfallklauseln) auch Anreize für eine langfristige Mitarbeiterbindung schaffen. Nicht zuletzt sind Aktienoptionsprogramme eine liquiditätsschonende Vergütungsform, da bei Optionsausübung lediglich die Differenz zwischen dem aktuellen Verkehrswert der Aktie und dem vereinbarten Ausübungspreis aufgewendet werden muss und zugleich neues Eigenkapital generiert wird.
Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
Sofern der Arbeitgeber selbst die Aktienoptionen ausgibt, dürfte bei der Verteilung der Aktienoptionen an die einzelnen Mitarbeiter regelmäßig ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehen (jedenfalls sofern nicht die Hauptversammlung verbindliche Kriterien zur Vergabe der Optionen an die Mitarbeiter beschlossen hat). Denn bei der Zuteilung der Optionen handelt es sich um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung.
Sind inländische Gesellschaften in internationale Konzernstrukturen eingebunden, werden Aktienoptionsprogramme allerdings häufig nicht von der inländischen Tochtergesellschaft, sondern von einer ausländischen Konzernobergesellschaft ausgegeben. Drei Landesarbeitsgerichte haben jüngst, mit teils unterschiedlicher Begründung, ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Zuteilung der Aktienoptionen durch eine ausländische Konzernobergesellschaft verneint (LAG Bremen v. 27.7.2016, 3 TaBV 2/16; LAG Baden-Württemberg v. 17.1.2017, 19 TaBV 3/16; LAG München v. 11.8.2017, 9 TaBV 34/17).
Dabei erfolgte die Vergabe der Aktienoptionen jeweils in der Weise, dass allein die ausländische Konzernobergesellschaft mit den einzelnen Arbeitnehmern Gewährungsverträge abschloss und ihnen die Optionen zuteilte. Die inländische Tochtergesellschaft war an diesem Vorgang nicht beteiligt. Auch war die Möglichkeit zur Teilnahme an dem Aktienoptionsprogramm der Konzernobergesellschaft weder arbeitsvertraglich vereinbart, noch war sie Gegenstand von Bewerbungs- oder Einstellungsgesprächen.
Zu Recht sahen die Landesarbeitsgerichte in diesen Fällen keinen Entscheidungsspielraum der inländischen Tochtergesellschaft bei der Vergabe der Aktienoptionen, der unter Mitwirkung des Betriebsrats hätte ausgefüllt werden können. Denn die Tochtergesellschaft hatte keine Möglichkeit, auf das Aktienoptionsprogramm der Konzernobergesellschaft einzuwirken. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass ein das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eröffnender Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers nicht nur bei entgegenstehenden gesetzlichen oder tariflichen Regelungen ausgeschlossen ist, sondern dass ein solcher Gestaltungsspielraum auch rein faktisch, etwa infolge einer (mitbestimmungsfrei getroffenen) unternehmerischen Entscheidung begrenzt sein kann.
Unterschiedliche Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte zum Auskunftsanspruch des Betriebsrats
Nicht einheitlich bewertet wird in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte hingegen, ob der Betriebsrat einen Anspruch gegen die inländische Tochtergesellschaft auf Auskunft über die Verteilungsgrundsätze hat, nach denen die ausländische Konzernobergesellschaft den Mitarbeitern des Betriebes die Aktienoptionen zuteilt.
Die Landesarbeitsgerichte Bremen und Baden-Württemberg waren der Auffassung, der Betriebsrat müsse die Einhaltung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (§ 75 BetrVG) überprüfen können und bejahten deshalb einen Auskunftsanspruch. Das Landesarbeitsgericht München wies demgegenüber das Auskunftsbegehren des Betriebsrats zurück.
Zutreffend stellte das Landesarbeitsgericht München fest, es könne nicht Aufgabe des Betriebsrats sein, darüber zu wachen, ob die ausländische Konzernobergesellschaft unternehmerische Entscheidungen treffe, die den Grundsätzen von Recht und Billigkeit entsprächen. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht anwendbar, da die Vergabe der Optionen nicht aufgrund betrieblicher Verteilungsgrundsätze erfolge.
Unmöglichkeit der Erfüllung des Auskunftsanspruchs
Häufig kann der Arbeitgeber Auskunftsansprüche über die von der Konzernobergesellschaft vorgenommene Zuteilung selbst auch gar nicht erfüllen, weil ihm die Verteilungsgrundsätze der Konzernobergesellschaft nicht bekannt sind. Ob sich der Arbeitgeber erfolgreich auf Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB berufen kann, wenn er nachweist, dass die Konzernobergesellschaft nicht zur Herausgabe entsprechender Informationen bereit war, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt.
Nach Auffassung der Landesarbeitsgerichte Bremen und Baden-Württemberg folge aus der Überwachungspflicht gemäß § 75 BetrVG auch eine Pflicht des Arbeitgebers, sich die entsprechenden Informationen bei der ausländischen Konzernobergesellschaft notfalls mit gerichtlicher Hilfe zu beschaffen.
Dies überzeugt jedoch schon deshalb nicht, weil eine Pflicht zur Informationsbeschaffung bei der beherrschenden Gesellschaft, wie § 17 Abs. 3 a KSchG und § 5 Abs. 2 ERBG zeigen, nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Regelung angenommen werden kann und deshalb einen eng begrenzten Ausnahmefall darstellt. Auch dürfte es dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebsparteien widersprechen, wenn der Betriebsrat die Tochtergesellschaft dazu zwingen könnte, einen Rechtsstreit auf Informationsbeschaffung gegen die eigene Konzernobergesellschaft zu führen.
BAG muss für Klarheit sorgen
Das Bundesarbeitsgericht hat nun Gelegenheit, für die Praxis Klarheit zu schaffen. Denn sowohl gegen die Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Bremen und Baden-Württemberg, als auch gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München ist Rechtsbeschwerde anhängig. Zu hoffen bleibt, dass Aktienoptionsprogramme für Arbeitnehmer in Deutschland nicht durch allzu weite Kontrollmöglichkeiten des Betriebsrats an Attraktivität verlieren. Denn häufig dürfte ein starkes Interesse an konzerneinheitlicher Ausgestaltung des Aktienoptionsprogramms bestehen. Werden ausländische Gesellschaften aber gezwungen, die Ausgestaltung ihrer Aktienoptionsprogramme für Arbeitnehmer in Deutschland an den Besonderheiten des Betriebsverfassungsgesetzes auszurichten, ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass Arbeitnehmer in Deutschland zukünftig von der Teilnahme an konzernweit aufgelegten Aktienoptionsprogrammen ausgeschlossen bleiben und ihnen so attraktive Verdienstmöglichkeiten entgehen.