Wir haben es bereits erwähnt: Die Betriebsratswahl 2018 rückt näher! Dabei wird den Wahlvorständen im Hinblick auf die Einhaltung der teils sehr formalen Vorgaben der Wahlordnung (WO) einiges abverlangt. Nicht zuletzt aufgrund einer Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (16.07.2015 – 18 TaBV 1/15) ist auf die Wählerliste ein besonderes Augenmerk zu legen: Wird diese auch im Intranet veröffentlicht, ist eine fortlaufende Aktualisierung selbiger erforderlich. Daneben meint das LAG, dass ein Anfechtungsrecht auch jenen Arbeitnehmern zustehe, die die Einspruchsmöglichkeit gegen die Wählerliste haben verstreichen lassen.
Was war falsch gelaufen?
In Vorbereitung der Betriebsratswahl 2014 wurde eine Wählerliste vom Wahlvorstand erstellt und ausgehängt und daneben auch im Intranet des Betriebs veröffentlicht. Statt der auf dieser Wählerliste aufgeführten 585 Frauen waren an den Wahltagen dann aber 602 wahlberechtigte Frauen auf der Wählerliste vermerkt. Eine Aktualisierung und Bekanntmachung der Wählerliste war im Intranet zuvor unstreitig nicht erfolgt.
Von diesen 17 nachträglich in die Wählerliste aufgenommenen Personen hatten nur vier Frauen tatsächlich gewählt. Nach Auffassung des LAG war deshalb nicht auszuschließen, dass sich die übrigen 13 der 17 eigentlich auch wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen über ihre Wahlberechtigung ausschließlich über das Intranet informiert hatten, deshalb etwaig aktualisierten Aushängen keine Aufmerksamkeit schenkten und von einer Wahlbeteiligung Abstand genommen haben, weil sie – fehlerhaft – in der im Intranet veröffentlichten Liste bis zuletzt nicht aufgeführt waren.
Weil nach erfolgter Stimmauszählung das Wahlergebnis nur eine Stimmendifferenz von acht Stimmen zwischen den beiden eingereichten Vorschlagslisten aufwies, konnte sich der festgestellte Fehler im Wahlverfahren auch auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben. Nach Auffassung des LAG war dieser Verstoß deshalb geeignet, das Wahlergebnis zu beeinflussen mit der Folge, dass die Betriebsratswahl anfechtbar und im Ergebnis unwirksam war.
In Vorbereitung der Wahl ist vom Wahlvorstand eine Wählerliste aufzustellen (§ 2 Abs. 1 S. 1 WO), in der die Wahlberechtigten getrennt nach Geschlechtern aufgeführt werden. Die nach § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG nicht passiv Wahlberechtigten sind ebenfalls in der Wählerliste auszuweisen. Zweckmäßig ist es im Übrigen, die sonstigen passiv Wahlberechtigten ebenfalls in der Wählerliste zu kennzeichnen. Nur in die Wählerliste eingetragene Arbeitnehmer können ihr aktives und passives Wahlrecht ausüben, weshalb die Wählerliste von erheblicher Bedeutung für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratswahl ist.
Veröffentlichung der Wählerliste
Mit Erlass des Wahlausschreibens (§ 3 WO), das die Betriebsratswahl offiziell einleitet, ist ein Abdruck der Wählerliste und der Wahlordnung ab diesem Tag bis zum Abschluss der Stimmabgabe an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
Ergänzend können der Abdruck der Wählerliste und die Wahlordnung auch mittels der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik bekannt gemacht werden. Die Bekanntmachung ausschließlich in elektronischer Form ist nur zulässig, wenn alle Arbeitnehmer von der Bekanntmachung Kenntnis erlangen können. Um hier Streitigkeiten zu vermeiden, ist deshalb stets zu empfehlen, die Wählerliste auch in körperlicher Form auszulegen. Im vorliegenden Fall erfolgte sowohl – klassisch – ein Aushang der Wählerliste als auch eine Veröffentlichung jener im Intranet.
Der Wahlvorstand ist sodann aber auch verpflichtet, Berichtigungen der Wählerliste bei Unrichtigkeiten fortlaufend vorzunehmen – und zwar auf allen Wählerlisten.
Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG
Gem. § 19 BetrVG kann eine Betriebsratswahl nämlich von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Wahlvorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung dieser Verstöße nicht erfolgt ist. Anfechtbar ist die Betriebsratswahl überdies nur dann, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst werden konnte.
Die nicht erfolgte Aktualisierung der Wählerliste im Intranet stellte nach Auffassung des LAG einen Verstoß gegen eine solche wesentliche Voraussetzung dar. Hinzu kam, dass der Verstoß sich im konkreten Fall auch auf das Wahlergebnis auswirken konnte, sodass die Anfechtung im Ergebnis erfolgreich war.
Anfechtungsberechtigung trotz Einspruchsmöglichkeit
Alle Arbeitnehmer des Betriebs können gegen unrichtige Eintragungen in die Wählerliste aber bereits binnen einer Frist von zwei Wochen nach Erlass des Wahlausschreibens schriftlich Einspruch eingelegen, § 4 WO. Wird diese Frist versäumt, sollte man annehmen, dass ein Anfechtungsrecht, welches erst zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses – also viel später – zu laufen beginnt, daneben nicht besteht. Das Verstreichenlassen der Einspruchsfrist hätte sonst keine umittelbaren Folgen – schließlich könnte sich ein Arbeitnehmer später immer noch in einem Anfechtungsverfahren auf den Verfahrensfehler berufen; freilich nur mit der Unterstützung zweier weiterer wahlberechtigter Arbeitnehmer. Das sieht das LAG anders und meint insbesondere, dass die Wahlordnung als bloße Verordnung (und damit gegenüber einem Gesetz niederrangige Rechtsnorm) nicht dazu führen könne, dass das gesetzliche Anfechtungsrecht von einer zusätzlichen Voraussetzung – nämlich der vorherigen Einlegung eines Einspruchs – abhängig gemacht wird. Das BAG hat diese Frage bislang offengelassen.
Fazit
Der Wahlvorstand tut gut daran, sich im Vorfeld mit dem BetrVG und der Wahlordnung eingehend zu beschäftigen. Neben der Notwendigkeit der Einhaltung etlicher Fristen gibt es auch andere Fallstricke, die zur Anfechtbarkeit der Wahl führen können. Auch der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, dass die Wahl ordnungsgemäß abläuft und nicht später angefochten werden kann: Denn dann muss die Betriebsratswohl wiederholt werden. Und: Das Verstreichenlassen der Einspruchsfrist gegen die Wählerliste bedeutet bis auf weiteres nicht, dass eine Anfechtung aufgrund einer fehlerhaften Wählerliste ausgeschlossen wäre.
Rund um die anstehenden Betriebsratswahlen verweisen wir auch auf den Blog-Beitrag von Till Hoffmann-Remy.