Bei der Anstellung von Vorstandsmitgliedern sind zwei Rechtsbeziehungen zu unterscheiden: Durch die Bestellung (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG) entsteht ein organschaftliches Kooperationsverhältnis zwischen Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft. Hiervon zu trennen ist das schuldrechtliche Anstellungsverhältnis (§ 84 Abs. 3 Satz 5 AktG), welches üblicherweise durch einen Dienstvertrag geregelt wird, der die wesentlichen Arbeitsbedingungen des Vorstandsmitglieds ausgestaltet („Vorstandsanstellungsvertrag“). Im Regelfall bestehen beide Rechtsbeziehungen zwischen denselben Parteien, d.h. der Vorstandsanstellungsvertrag wird mit der Aktiengesellschaft abgeschlossen, die das Vorstandsmitglied bestellt.
Abweichende Gestaltungen
Dem Gesetz lässt sich allerdings weder eine Pflicht zum Gleichlauf von Bestellung und Anstellung entnehmen noch schreibt es eine bestimmte Vertragsform für das Anstellungsverhältnis vor. Gleichzeitig besteht in der Praxis in verschiedenen Konstellationen das Bedürfnis, die Rechtsbeziehungen des Vorstandsmitglieds – abweichend vom Regelfall – maßgeschneidert und flexibel auszugestalten. Eine Möglichkeit hierfür bieten die unter dem Oberbegriff „Drittanstellung“ diskutierten Fälle, bei denen Bestellung und Anstellung auseinanderfallen. So setzen Aktiengesellschaften in Krisensituationen oder für Restrukturierungen Interimsmanager als Vorstandsmitglieder ein, die durch Unternehmensberatungen oder spezialisierte Managementdienstleister entsendet werden (sog. „Personalleasing“). Das Vorstandsmitglied wird dann regelmäßig auf Grundlage eines Berater- oder Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen der Aktiengesellschaft und dem externen Dienstleister tätig. Ein weiteres Beispiel ist das „Konzernanstellungsverhältnis“: Der Manager wird bei der Obergesellschaft angestellt, um ihn dann – flexibel und auf Grundlage dieses Anstellungsvertrags – als Vorstandsmitglied von Tochtergesellschaften einsetzen zu können.
Die grundsätzliche Zulässigkeit der „Drittanstellung“ zählt zu den klassischen Streitfragen des Vorstandsrechts. Es bestand insoweit ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit. In jüngerer Zeit hat die Rechtsprechung (zuletzt BGH, Urteil vom 28.4.2015 – Az. II ZR 63/14) allerdings für einigermaßen klare Fronten gesorgt:
„Drittanstellung“ wohl grundsätzlich zulässig
Kritiker sehen die „Drittanstellung“ als grundsätzlich unvereinbar mit aktienrechtlichen Grundsätzen. Das Vorstandsmitglied werde zum „Diener zweier Herren“, was insbesondere mit der eigenverantwortlichen Amtsausübung (§ 76 Abs. 1 AktG) nicht vereinbar sei. Denn es drohten Konflikte zwischen der Organstellung einerseits und den Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis andererseits. Etwa bei existenzbedrohenden Weisungen der Obergesellschaft an das Vorstandsmitglied. Befürworter der „Drittanstellung“ sehen die Gefahr widerstreitender Pflichten allenfalls abstrakt. Denn im Zweifel gehe immer das gesetzlich geregelte Organverhältnis vor.
Der II. Senat des BGH hat sich in der o.g. Entscheidung nicht dezidiert mit diesen Argumenten auseinandergesetzt. Das musste er auch nicht, da eine Pflichtenkollision im konkreten Fall praktisch ausgeschlossen war. Der Senat hat jedoch ausdrücklich den Begriff „Drittanstellungsverträge“ verwendet und deren Zulässigkeit offenbar als gegeben vorausgesetzt. Insoweit scheint der grundsätzliche Streit über die „Drittanstellung“ entschieden. Diese Position würde im Übrigen auch auf einer Linie mit der Rechtsprechung zu „Vorstandsdoppelmandaten“ liegen. Jene hatte der BGH – trotz der abstrakten Gefahr von Pflichtenkollisionen – ausdrücklich für zulässig erklärt (Urteil vom 9.3.2009 – II ZR 170/07).
„Personalleasing“: Achtung bei der Vertretung
Konkret lag der Entscheidung des BGH ein Fall des „Personalleasings“ zugrunde. Die Aktiengesellschaft hatte einen Beratungsvertrag mit einer GmbH abgeschlossen, wonach deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter interimsweise als Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft tätig werden sollte. Die Bestellung zum Vorstandsmitglied erfolgte ordnungsgemäß durch den Aufsichtsrat. Allerdings wurde die Aktiengesellschaft bei Abschluss des Beratervertrags durch ihren Vorstand vertreten. Dies nach einem Rechtsgutachten, welches die Zuständigkeit des Vorstands angenommen hatte. Weil der Abschluss des Beratervertrags einen ordentlichen Geschäftsvorgang im Außenverhältnis darstelle, der in den originären Zuständigkeitsbereich des Vorstands falle.
Der Senat teilte diese Auffassung nicht und sah einen Verstoß gegen die aktienrechtliche Kompetenzverteilung. Der Abschluss von Beraterverträgen, welche die Vergütung von Vorstandsmitgliedern betreffen, sei ein Fall des § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG und falle damit in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Vergütung nicht mit dem Vorstandsmitglied selbst, sondern mit einem Dritten (hier der GmbH) vereinbart worden war. Damit hatte der Vorstand im konkreten Fall zwar seine Pflichten verletzt. Gegen die von den Beteiligten gewählte Konstruktion des „Personalleasings“ äußerte der Senat allerdings – wie schon zuvor in ähnlich gelagerten Fällen das KG Berlin (Urteil vom 28.6.2011 – Az. 19 U 11/11) und das OLG Celle (Urteil vom 10.2.2010 – Az. 4 U 68/09) – keine Bedenken.
Gestaltungsspielraum durch Kombinationsmöglichkeiten
Vor diesem Hintergrund spricht einiges für Spielraum bei Gestaltung der vertraglichen Beziehungen zwischen Aktiengesellschaft und Vorstandsmitglied. Über „Personalleasing“ und „Konzernanstellung“ hinaus kommen weitere Möglichkeiten in Betracht. So könnten beide Konzepte kombiniert werden. Beispielsweise anlässlich einer unternehmensübergreifenden Restrukturierung schließt die Obergesellschaft einen Beratervertrag mit einem externen Dienstleister ab und setzt den „geleasten“ Manager dann als Vorstandsmitglied von verschiedenen Tochtergesellschaften ein.
„Drittanstellungen“ erhöhen die rechtliche Komplexität. So können sich z.B. bei der Trennung von Vorstandsmitgliedern („Kopplungsvereinbarungen“), bei Ausgliederung einer beteiligten Gesellschaft aus dem Konzern („Change of Control“) und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Ober- und Tochtergesellschaft („Interessenkonflikte“) rechtliche Herausforderungen ergeben. Der vielfach erteilte Ratschlag, deswegen von solchen Gestaltungen abzusehen, dürfte allerdings nicht die Lösung sein. Denn die Praxis fordert zunehmend flexible Lösungen auch für solche Konstellationen. Vielmehr lässt sich durch sorgfältige, vorausschauende und interessengerechte Vertragsgestaltung den Eventualitäten vorbeugen.
Weiterführender Hinweis
Auch die Gestaltung von „klassischen“ Vorstandsverträgen bringt vielfältige rechtliche Herausforderungen mit sich. Nicht selten führen rechtliche und handwerkliche Fehler bei der Vertragsgestaltung zu unangenehmen Konsequenzen. Hierzu auch die Video-Reihe „Vorstandsverträge – Die häufigsten Irrtümer“, eine Kooperation der D&O-Spezialisten von Howden (vormals Hendricks & CO) und unserem Partner Prof. Dr. Michael Kliemt.