Die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder ist nicht selten Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen und öffentlichkeitswirksamer strafrechtlicher Ermittlungen (siehe hierzu bereits den Blogbeitrag von Jörn-Philipp Klimburg vom 11.3.2016). Grund hierfür ist das Fehlen klarer gesetzlicher Vorschriften. Eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Eine Gesetzesinitiative, nach der § 37 BetrVG ergänzt werden sollte, ist gescheitert.
78 Satz 2 BetrVG bestimmt, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfen. Nach § 37 Abs. 4 S. BetrVG darf deren Vergütung nicht geringer bemessen sein, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die entscheidenden praxisrelevanten Fragen beantwortet das Gesetz gerade nicht: Welche Arbeitnehmer sind vergleichbar? Welche berufliche Entwicklung ist betriebsüblich? Was gilt, wenn ein Mitarbeiter – wäre er für die Betriebsratstätigkeit nicht freigestellt gewesen – befördert worden wäre?
Im diametralen Gegensatz zu dieser unklaren Gesetzeslage stehen die teilweise empfindlichen Sanktionen, die Unternehmen und ihren verantwortlichen Organen im Falle einer unzulässigen Betriebsratsvergütung drohen. Im schlimmsten Fall können Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren verhängt werden.
Im Zusammenhang mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Betriebsratsmitglied im Laufe seiner Amtszeit eine Vergütungserhöhung verlangen kann, ist eine Anfang letzten Jahres veröffentlichte Entscheidung des BAG (Urt. v. 18.1.2017 – 7 AZR 205/15) von Bedeutung.
Die Entscheidung des BAG vom 18.1.2017
In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es um die Klage eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf Vergütungsanpassung. Dabei bestand die Besonderheit darin, dass der Kläger bereits vor der Amtsübernahme die höchste Steigerungsstufe der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe erreicht hatte, und nunmehr eine Vergütungserhöhung beanspruchte, die die regelmäßigen Tariferhöhungen überstieg. Bei der Beklagten existiert eine „Regelungsvereinbarung über Grundsätze und Verfahren für die Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern“. Auf deren Grundlage waren während der Amtszeit des Klägers für diesen rückwirkend für den Zeitpunkt der Freistellung drei Arbeitnehmer als Vergleichspersonen festgelegt worden. Zwei dieser Vergleichspersonen waren ebenfalls in die höchste Vergütungsgruppe eingruppiert, hatten indes noch nicht die höchste Steigerungsstufe erreicht. Die durchschnittliche prozentuale Vergütungsentwicklung dieser Vergleichspersonen lag über derjenigen des Klägers.
Anknüpfungspunkt: Vergleichbare Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Amtsübernahme
Nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Vergleichbar sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie das Betriebsratsmitglied und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren. Das BAG betont in seiner Entscheidung, dass es auf die Vergleichbarkeit im Zeitpunkt der Amtsübernahme, nicht auf den (u.U. späteren) Zeitpunkt der Freistellung ankommt. Ob die Vergleichspersonen schon bei Amtsübernahme zu bestimmen sind (ex ante) oder ob auch eine rückwirkende Bestimmung im Laufe der Amtszeit zulässig ist (ex post), hat das BAG offengelassen. Ebenso wenig musste sich das BAG mit der Frage befassen, ob Vergleichspersonen später ausgetauscht werden können, sei es, weil sie ausgeschieden sind, sei es, weil sie aus späterer Sicht doch nicht vergleichbar scheinen.
Außertarifliche Gehaltserhöhung nur bei Betriebsüblichkeit
Bei der Prüfung, wie sich das Betriebsratsmitglied entwickelt hätte, ist auf die betriebsübliche Entwicklung der Vergleichspersonen abzustellen. Betriebsüblich i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG ist die Entwicklung, die ein Arbeitnehmer bei vergleichbarer persönlicher und fachlicher Qualifikation unter Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen hat.
Im vorliegenden Fall betonte das BAG, dass ein Betriebsratsmitglied eine Anhebung seines Gehalts in den außertariflichen Bereich nur dann beanspruchen könne, wenn innerhalb des Kreises der vergleichbaren Arbeitnehmer eine Entwicklung in den Kreis der außertariflichen Mitarbeiter betriebsüblich sei. Es genügt hingegen nicht, wenn vergleichbare Arbeitnehmer, die noch nicht den Endwert der höchsten Vergütungsgruppe erreicht haben, Tariferhöhungen erhalten oder wenn nur einige wenige Mitarbeiter den Sprung in den AT-Bereich schaffen.
Empfehlungen für die Praxis
Empfehlenswert ist in jedem Fall, das Verfahren zur Festlegung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder in einer Regelungsabrede zu konkretisieren und – spätestens zum Zeitpunkt der Freistellung des jeweiligen Betriebsratsmitgliedes – eine Gruppe der zum Zeitpunkt der Wahl zum Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer festzulegen. Die Zulässigkeit einer solchen Regelungsabrede hat das BAG ausdrücklich bestätigt, solange sie sich in den Grenzen der § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG und § 78 Satz 2 BetrVG bewegt.
Betriebsratsmitgliedern, die bereits bei Amtsübernahme eine Vergütung nach der höchsten tariflichen Vergütungsgruppe erhalten haben, kann ein Anspruch auf Zahlung einer außertariflichen Vergütung aus § 37 Abs. 4 BetrVG zustehen, sofern ein Aufstieg der Vergleichspersonen in den AT-Bereich betriebsüblich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Mehrzahl der Mitarbeiter der höchsten Vergütungsgruppe ein AT-Vertrag angeboten wird.
Eine Vergütungserhöhung kann jedoch möglicherweise auch auf andere Weise gerechtfertigt sein: Nicht entschieden hat das BAG beispielsweise, ob die Vergütung eines Betriebsratsmitglieds auch mit der Begründung erhöht werden kann, dieses wäre – wäre es nicht freigestellt – befördert worden. Höchstrichterlich ungeklärt bleibt auch, was gilt, wenn dem Betriebsratsmitglied – etwa aufgrund herausragender Qualifikationen und seiner Erfahrungen – ein konkretes Angebot auf eine Beförderungsstelle unterbreitet wird, dieses Angebot jedoch nicht angenommen wird. Ließe man diese individuellen Umstände außer Betracht, so könnte ein Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG vorliegen, wonach Betriebsratsmitglieder in ihrer beruflichen Entwicklung nicht benachteiligt werden dürfen.