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Betriebsrat

Einstweiliger Rechtsschutz bei Betriebsratswahlen

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Betriebsratswahl

Vom 1. März bis zum 31. Mai 2018 finden wieder turnusgemäße Betriebsratswahlen statt. Für Arbeitgeber, die Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratswahl haben, stellt sich die Frage, ob und wie sie durch Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes in ein laufendes Wahlverfahren eingreifen können.

Grundsätzlich kommen während eines laufenden Wahlverfahrens zwei verschiedene Formen des einstweiligen Rechtsschutzes in Betracht: der Antrag auf Abbruch der Wahl und der Antrag auf Korrektur des Wahlverfahrens.

Abbruchverfügung

Mit dem Antrag auf Erlass einer sog. „Abbruchverfügung“ wird ein vollständiger Abbruch der Betriebsratswahl angestrebt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine „Abbruchverfügung“ zulässig, wenn die eingeleitete Betriebsratswahl nichtig wäre (BAG, Urteil vom 27.7.2011, 7 ABR 61/10). Nach teilweise vertretener Auffassung soll schon die sichere Anfechtbarkeit der Wahl den Erlass einer „Abbruchverfügung“ rechtfertigen.

Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Rechtsprechung damit, dass das Betriebsverfassungsgesetz einen betriebsratslosen Zustand möglichst vermeiden wolle. Daher sei der Abbruch der Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung nur bei absehbarer Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerechtfertigt.

Die Anforderungen an die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl sind hoch. Nach der gängigen Formel des Bundesarbeitsgerichts führt nur ein offensichtlicher und besonders grober Verstoß gegen wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl (BAG, Urteil vom 27.7.2011, 7 ABR 61/10).

Trotz dieser hohen Anforderungen gibt es in der jüngeren Rechtsprechung der Instanzgerichte und auch des Bundesarbeitsgerichts diverse Beispiele, in denen eine Betriebsratswahl für nichtig erklärt wurde.

Offensichtliche Verkennung des Betriebsbegriffs

Eine wichtige Fallgruppe bildet hierbei die offensichtliche Verkennung des Betriebsbegriffs gemäß Betriebsverfassungsgesetz. Lässt sich der Wahlvorstand bei der Einleitung der Betriebsratswahl nicht von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Betriebsbegriff, sondern von sachfremden Erwägungen leiten, kann dies bei entsprechender Offenkundigkeit zur Nichtigkeit und damit zum Abbruch der Betriebsratswahl führen. Gleiches gilt, wenn der Wahlvorstand evident unzutreffend vom (Nicht-)Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebes bzw. eines selbständigen Betriebsteils ausgeht.

Weitere Beispiele für Nichtigkeit einer Betriebsratswahl sind u.a.

  • die Wahl eines Betriebsrats für nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz fallende Betriebe, etwa für Religionsgemeinschaften und deren karitative und erzieherische Einrichtungen gemäß § 118 Abs. 2 BetrVG oder für Einrichtungen des öffentlichen Dienstes gemäß § 130 BetrVG
  • die Bestellung des Wahlvorstandes unter evidentem Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften
  • die Wahl eines Betriebsrats unter Missachtung einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Statusverfahren gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG.

Verfügungsgrund

Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt regelmäßig in der unmittelbar bevorstehenden Betriebsratswahl. Es wäre völlig unverhältnismäßig, wenn der Arbeitgeber die Kosten einer nichtigen Betriebsratswahl zu tragen hätte und die Mitglieder des Wahlvorstandes zur Vorbereitung einer nichtigen Betriebsratswahl freistellen müsste. Auch würde es den Arbeitgeber unzumutbar belasten, wenn er auf ein nachträgliches, ggfs. langwieriges Nichtigkeitsfeststellungsverfahren verwiesen würde.

Einstweilige Verfügung vor Einleitung der Betriebsratswahl

In Rechtsprechung und arbeitsrechtlicher Fachliteratur ist umstritten, ob die sog. „Nichtigkeitslehre“ des Bundesarbeitsgerichts auch dann anzuwenden ist, wenn bereits vor Einleitung der Betriebsratswahl, also noch vor Erlass des Wahlausschreibens die Durchführung der Wahl durch einstweilige Verfügung verhindert werden soll.

Richtigerweise dürfte es vor Einleitung der Betriebsratswahl auf die (voraussichtliche) Nichtigkeit der Betriebsratswahl nicht ankommen. Denn in einem solch frühen Stadium können Fehler bei der Betriebsratswahl verhindert werden, ohne dass ein betriebsratsloser Zustand droht. Da vor Erlass des Wahlausschreibens regelmäßig noch ausreichend Zeit bleibt, um eine rechtskonforme Betriebsratswahl vor Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats durchzuführen, kann es auf die Frage, ob die Betriebsratswahl nichtig oder nur anfechtbar wäre, nicht ankommen.

Antrag auf Berichtigung des Wahlverfahrens

Neben dem Antrag auf Abbruch einer Betriebsratswahl kann einstweiliger Rechtsschutz auch mit dem Ziel in Anspruch genommen werden, Rechtsverstöße im laufenden Wahlverfahren zu korrigieren. Da es hier nicht um den Abbruch einer Wahl geht, muss der gerügte Rechtsverstoß weder zur Nichtigkeit noch zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen. Typische Fälle sind:

  •  Fehler im Wahlausschreiben bzw. bei der Bekanntmachung des Wahlausschreibens
  • Fehler bei der Erstellung der Wählerliste
  • Fehler bei der Zulassung/Nichtzulassung von Wahlvorschlagslisten
  • Nicht ordnungsgemäße Bestellung des Wahlvorstandes.

Fazit

Arbeitgeber sollten Rechtsverstöße im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl möglichst schon während des laufenden Wahlverfahrens geltend machen. Die nachträgliche Feststellung der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl bzw. die Anfechtung der Wahl sind oft mit langwierigen Rechtsstreitigkeiten verbunden, sodass effektiver Rechtsschutz nur im einstweiligen Verfügungsverfahren möglich ist. Bei besonders gravieren Verstößen, wie der offensichtlichen Verkennung des Betriebsbegriffes durch den Wahlvorstand, sollte eine einstweilige Verfügung auf Abbruch der Betriebsratswahl beantragt werden.

Mehr zum Thema Betriebsratswahl finden Sie im Beitrag von Dr. Till Hoffmann-Remy vom 31. August 2017, Betriebsratswahl 2018: Fallstricke vor und nach der Wahl.

Dr. Markus Janko 

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Markus Janko berät Arbeitgeber ins­be­son­dere bei Umstruk­tu­rie­run­gen, Unter­neh­mens­käu­fen und Due Diligence-Prozessen. Besondere Expertise besitzt er in der Unterstützung inter­na­tio­na­ler Konzerne, dem Einsatz von Trans­fer­ge­sell­schaf­ten und im Insol­venz­ar­beits­recht. Hier zeichnet er sich durch die Beratung namhafter Insol­venz­ver­wal­ter in großen Insol­venz­ver­fah­ren sowie von Unter­neh­men bei Unter­neh­mens­käu­fen aus der Insolvenz und der arbeits­recht­li­chen Sanierung in Schutz­schirm­ver­fah­ren aus. Er ist Mitglied der Fokusgruppe „Digitalisierung und Mitbestimmung“.
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