Die Frage nach einem Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit ist trotz intensiver gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischer Diskussion in der Vergangenheit ungemindert aktuell. Ist im Frühjahr 2017 noch eine entsprechende Gesetzesinitiative der SPD gescheitert, haben die jüngsten GroKo-Sondierungen zu einer Verständigung auf die Einführung eines Rechts auf befristete Teilzeit geführt. Die Entscheidung des BAG vom 17.10.2017 (9 AZR 192/17) zeigt die gegenwärtigen Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf Verlangen von Arbeitnehmern zur Verlängerung deren Arbeitszeit auf.
Der Fall
Die Klägerin, eine Musikschullehrerin an einer städtischen Musik- und Kunstschule, ist im Umfang von wöchentlich elf Unterrichtsstunden in Teilzeit beschäftigt. Der Arbeitgeber, der beabsichtigte den Beschäftigungsumfang in der Musik- und Kunstschule zu erhöhen, entschied sich jedoch nicht für die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes, sondern stattdessen für die Erhöhung der bisherigen Stundendeputate. Nachdem sich die Klägerin erfolglos auf die zusätzlichen Stundendeputate beworben hat, erhob sie Klage und machte eine Erhöhung ihrer Stundendeputate aufgrund eines Anspruchs auf Verlängerung der Arbeitszeit geltend.
Kein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit bei Erhöhung des Arbeitsumfanges
Das Gericht hat festgestellt, dass mit einer Erhöhung des im Unternehmen bestehenden Beschäftigungsumfanges kein Recht der Arbeitnehmer auf Verlängerung deren Arbeitszeit sowie auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Besetzung freier Arbeitsplätze korrespondiert. Darüber hinaus hat es die gegenseitigen Rechte und Pflichten bei Teilzeitbeschäftigung instruktiv herausgearbeitet.
Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer sind gemäß § 9 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) lediglich bei der Besetzung freier Arbeitsplätze bevorzugt zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber ist jedoch weder verpflichtet, erhöhten Beschäftigungsbedarf durch Schaffung weiterer Arbeitsplätze abzudecken, noch in der Auswahl derjenigen Arbeitnehmer eingeschränkt, denen er eine Verlängerung deren Arbeitszeit anbieten will.
Bevorzugte Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigten bei der Besetzung freier Arbeitsplätze
Ein Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer besteht nach § 9 TzBfG, wenn der betroffene Arbeitnehmer den Wunsch nach Verlängerung seiner Arbeitszeit angezeigt hat, fachlich gleich geeignet ist und der Arbeitgeber freie Arbeitsplätze besetzen will, es sei denn, der Berücksichtigung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers stehen dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer Teilzeitbeschäftigter entgegen. Nur unter diesen Voraussetzungen besteht ein Anspruch von Arbeitnehmern auf Verlängerung deren Arbeitszeit bzw. sogar auf Rückkehr in Vollzeit; einen generellen Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit bzw. Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit gibt es nach aktueller Rechtslage hingegen nicht.
Keine Pflicht zur Arbeitsorganisation nach den Wünschen von Teilzeitbeschäftigten
Der Anspruch des Arbeitnehmers aus § 9 TzBfG ist auf die Bevorzugung von Teilzeitbeschäftigten bei der Besetzung freier Arbeitsplätze begrenzt. Entsprechend besteht ein Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung, wenn der Arbeitgeber neue Arbeitsplätze schafft oder aber unbesetzte Arbeitsplätze wiederbesetzt. Umgekehrt ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, auf entsprechende Verlängerungsanzeigen von Arbeitnehmern hin Arbeitsplätze neu zu schaffen, vorhandene Arbeitsplätze deren Wünschen gemäß zuzuschneiden oder bestimmten teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern geplante Arbeitszeiterhöhungen zuzuweisen. Ein freies Arbeitszeitvolumen ist nach Ansicht des BAG nicht mit einem freien Arbeitsplatz gleichzusetzen.
Auswahlentscheidung des Arbeitgebers und billiges Ermessen bei Erhöhung der Arbeitszeit
Hat sich ein Arbeitgeber zur Abdeckung bestehenden Beschäftigungsbedarfs mittels Erhöhung der Arbeitszeiten von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern entschieden, ist er in der Auswahl derjenigen Arbeitnehmer, denen eine Arbeitszeiterhöhung angeboten werden soll, frei. Der Arbeitgeber ist entsprechend bei seiner Auswahlentscheidung weder an § 9 TzBfG noch an das billige Ermessen gemäß § 315 BGB gebunden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es nach geltender Rechtslage einen generellen Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit bzw. auf Rückkehr in Vollzeit für Teilzeitbeschäftigte nicht gibt. Ferner zeigt diese Entscheidung sehr deutlich, dass das Teilzeit- und Befristungsgesetz der Organisationshoheit des Arbeitgebers weitestgehend den Vorrang vor Beschäftigteninteressen einräumt. Im Übrigen zeigt diese Entscheidung, dass nach geltender Rechtslage etliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, um die Arbeitgeberinteressen abzusichern.
Werden Arbeitnehmer in Teilzeit eingestellt oder aber nach entsprechenden Verlangen in Teilzeit beschäftigt, haben Arbeitgeber diese Beschäftigten bei gleicher Eignung bei der Besetzung freier Arbeitsplätze bevorzugt zu berücksichtigen. Wollen Arbeitgeber dieser Bevorzugungspflicht entgehen, sind sie gut beraten, zu prüfen, ob der Arbeitskräftebedarf durch andere organisatorische Maßnahmen als der Besetzung freier Arbeitsplätze abgedeckt werden kann. Auch im Hinblick auf die Gestaltung neuer Arbeitsplätze und der Definition entsprechender Anforderungsprofile und damit im Hinblick auf die notwendige Eignung von Arbeitnehmern sind Gestaltungsspielräume eröffnet. Schließlich vermögen entsprechende Organisationskonzepte dringende betriebliche Gründe darzustellen, die Arbeitnehmerwünschen entgegengehalten werden können.
Arbeitgeber von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern werden daher in vielen Fällen befriedigende Ergebnisse erzielen können, wenn die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten konsequent genutzt werden.