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Betriebsübergang Umstrukturierung

Der Betriebsführungsvertrag – Neues Hindernis für einen Betriebsübergang

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Der Betriebsübergang gem. § 613a BGB beschäftigt fortwährend die Richter des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Gleich zu Beginn des Jahres hatte der 8. Senat erneut über die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs, diesmal in einem Produktionsbetrieb, zu entscheiden (Urt. v. 25.01.2018 – 8 AZR 338/16, Pressemitteilung des BAG Nr. 4/18 vom 25.01.2018). Die Besonderheit des Falls lag nunmehr darin, zu bewerten, ob der zwischen dem „Veräußerer“ und dem „Erwerber“ geschlossene Betriebsführungsvertrag den für einen Betriebsübergang notwendigen Inhaberwechsel herbeiführt. Nein, urteilte das BAG.

Überblick zum Betriebsübergang und Betriebsführungsvertrag

Für einen Betriebsübergang bedarf es:

  • Übergang eines Betriebs/Betriebsteils als wirtschaftliche Einheit,
  • Fortführung der wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität,
  • Inhaberwechsel; d.h. an die Stelle des bisherigen Betriebsinhabers tritt ein anderer, der den Betrieb im eigenen Namen führt und
  • Übergang aufgrund eines Rechtsgeschäfts.

Das Potential des Betriebsführungsvertrages für Arbeitgeber:

Der Betriebsführungsvertrag ist ein Mittel zur Restrukturierung. Er bewirkt die Trennung der Belegschaft von den Betriebsmitteln und bietet für Arbeitgeber ein interessantes Gestaltungspotential. Die Arbeitnehmer werden auf eine, i.d.R. vermögenslose, Betriebsführungsgesellschaft übertragen. Das Eigentum an den Betriebsmitteln verbleibt aber bei dem einstigen Trägerunternehmen (Eigentümergesellschaft). Bei einem echten Betriebsführungsvertrag handelt der Betriebsführer in Vertretung und im fremden Namen der Eigentümergesellschaft. Bei einer unechten Betriebsführung agiert die Betriebsführungsgesellschaft im eigenen Namen und wird nach außen selbst rechtsgeschäftlich berechtigt und verpflichtet. Für eine Umstrukturierungsmaßnahme kann dies steuerliche Vorteile bedeuten. Aber auch aus arbeitsrechtlicher Sicht ergeben sich relevante Vorteile. Bei der unechten Betriebsführung werden die Arbeitnehmer der betreibenden Gesellschaft zugerechnet. Die Arbeitnehmer können nur auf deren – geringes – Vermögen zurückgreifen. Die Restrukturierungskosten könnten daher insbesondere mit Blick auf Sozialplanansprüche nach einer Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 ff BetrVG theoretisch deutlich geringer ausfallen.


Zum Fall

Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Arbeitnehmer noch immer in einem Arbeitsverhältnis mit dem klagenden Arbeitgeber steht, oder ob dieses infolge eines Betriebsübergangs erloschen ist. Der Arbeitgeber, ein Hersteller von Industrieprodukten, gründete 2010 eine Schwestergesellschaft. Das Eigentum an den Immobilen, Produktionsmitteln und Patenten verblieb beim Arbeitgeber. Die neue Gesellschaft übernahm hingegen die Produktion als Lohnfertigung sowie die Führung der drei Betriebe der Klägerin. Der Arbeitgeber und die Betriebsführungsgesellschaft schlossen diesbezüglich im März 2011 eine „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgung über Betriebsführung“. Darin war geregelt, dass die Betriebsführungsgesellschaft ausschließlich für Rechnung und im Namen des Arbeitgebers tätig wird und ihr insoweit Generalhandlungsvollmacht erteilt wird. Die Gesellschaft übernahm die Arbeitgeberpflichten und entrichtete die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Mit der Liquidation der Gesellschaft im Jahr 2013 wurden alle Betriebe stillgelegt. Das Arbeitsverhältnis des beklagten Arbeitnehmers wurde gekündigt. Klageweise begehrte der Arbeitgeber die Feststellung, dass infolge des Betriebsübergangs zwischen ihm und dem Arbeitnehmer nach März 2011 kein Arbeitsverhältnis mehr bestand. Das Arbeitsgericht hatte der Klage noch stattgegeben (ArbG Berlin, Urt. v. 18.11.2015 – 39 Ca 8638/15). Auf die Berufung des Arbeitnehmers wies das LAG Berlin Brandenburg (Urt. v. 11.05.2016 – 15 Sa 108/16) die Klage ab. Nach Ansicht der 15. Kammer des LAG sei die Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der Betriebsführungsgesellschaft ein echter Betriebsführungsvertrag, da die Gesellschaft nach außen gegenüber Kunden und Lieferanten nicht als Betriebsinhaber auftrete. Insoweit fehle es an dem für einen Betriebsübergang erforderlichen Inhaberwechsel.

Auch die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG keinen Erfolg mehr. Der 8. Senat entschied am 25.01.2018, dass das Arbeitsverhältnis des Beklagten nicht im Wege des Betriebsübergangs von der Klägerin auf die Gesellschaft übergegangen sei. Ein Betriebsübergang setze voraus, dass

die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die insoweit die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingehe, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechsele“.

Nach Ansicht des BAG fehle es an dieser Voraussetzung, wenn ein Dritter mit Generalvollmacht des bisherigen Arbeitsgebers ausschließlich für dessen Rechnung und in seinem Namen die Produktion weiterführt und die Betriebsführung übernimmt. In diesem Fall habe, so die bisher nur vorliegende Pressemitteilung des BAG,

die Klägerin ihre Verantwortung für den Betrieb des Unternehmens nicht an die Gesellschaft abgegeben“.

Der unechte Betriebsführungsvertrag als mögliche Brücke?

Es kommt also entscheidend auf die Ausgestaltung des Betriebsführungsvertrages an. Die 15. Kammer des LAG Berlin Brandenburg hat sich differenziert mit den Voraussetzungen eines Betriebsübergangs und dem Unterschied zwischen einem echten und einem unechten Betriebsführungsvertrag auseinandergesetzt. Kurz zuvor hatte noch die 2. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg in einem Parallelverfahren (Urt. v. 15.04.2016 – 2 Sa 2118/15) genau die gegenteilige Auffassung vertreten; die „Vereinbarung über Lohnfertigung und Geschäftsbesorgungsvertrag über Betriebsführung“ als unechten Betriebsführungsvertrag eingestuft und einen Betriebsübergang bejaht. Entscheidend sei, wer im Außenverhältnis gegenüber dem Personal die originären Arbeitgeberrechte und -pflichten übernehme. Hingegen hat die 15. Kammer ausgeführt:

„Nicht ausreichend ist, dass die [Gesellschaft] gegenüber den Steuerbehörden und Sozialversicherungsträgern Arbeitgeberpflichten erfüllt hat. Dies war die zwangsläufige Konsequenz daraus, dass die neue Gesellschaft gegenüber der Belegschaft als Arbeitgeberin auftreten wollte und auftrat.“

Die Revision hat die 2. Kammer nicht zugelassen.

Konsequenzen für die Praxis

Die vollkommen gegenläufigen Entscheidungen der 2. und 15. Kammer des LAG verdeutlichen die doch oftmals schmale Gratwanderung zwischen einem echten und unechten Betriebsführungsvertrag. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.01.2018 steht jedenfalls schon jetzt fest, dass der für einen Betriebsübergang notwendige Inhaberwechsel nicht im Rahmen eines echten Betriebsführungsvertrages möglich ist. Denn bei echter Betriebsführung bleibt die Eigentümergesellschaft Vertragsarbeitgeber der Arbeitnehmer. Insoweit ist Vorsicht bei der praktischen Ausgestaltung eines Betriebsführungsvertrages geboten. Mithin bleibt abzuwarten, ob der unechte Betriebsführungsvertrag die rettende Brücke schlagen kann, um einen Betriebsübergang von der Eigentümer- auf die Betriebsführungsgesellschaft vorzunehmen. Dies kann besser beurteilt werden, wenn die Entscheidungsgründe des BAG-Urteils vorliegen. In der Literatur wird dies jedoch schon seit Längerem so vertreten (vgl. Ginal/Raif, GWR 2017, 131; Rieble, NZA 2010, 1145).

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