Betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmern kann ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen, wenn sich zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt. Nach Rechtsprechung der Instanzgerichte und Auffassung in der Literatur kommt ein solcher Wiedereinstellungsanspruch nur in Betracht, wenn Arbeitnehmer vom Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) erfasst sind (vgl. etwa Hessisches LAG v. 7.3.2000 – 9 Sa 1077/99). Nunmehr hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung nicht auf Arbeitnehmer in sogenannten Kleinbetrieben Anwendung finden (vgl. BAG v. 19.10.2017 – 8 AZR 845/15).
Worum ging es?
Der Kläger war seit 1987 als vorexaminierter Apothekenangestellter in einer Apotheke, einem Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KSchG, beschäftigt. Die Inhaberin der Apotheke entschloss sich aus gesundheitlichen Gründen, die Apotheke stillzulegen. Mit Schreiben vom 28. November 2013 kündigte sie daher das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sowie mit allen übrigen Beschäftigten mit Wirkung zum 30. Juni 2014. Der Kläger, der wegen der Kleinbetriebsklausel keinen Kündigungsschutz besaß, erhob keine Kündigungsschutzklage. Die Apotheke wurde von der Inhaberin über den 30. Juni 2014 hinaus mit einer verringerten Beschäftigtenzahl fortgeführt. Mit Wirkung ab dem 1. September 2014 übernahm eine Erwerberin aufgrund des am 15. Juli 2014 unterzeichneten Kaufvertrags den Apothekenbetrieb einschließlich Warenlager und Kundenstamm. In dem Kaufvertrag hatte sich die Erwerberin ferner zur Übernahme und Weiterbeschäftigung von drei Arbeitnehmern verpflichtet. Der Kläger gehörte nicht dazu.
Mit seiner am 29. Juli 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nahm der Kläger zunächst die bisherige Inhaberin und später auch die Erwerberin auf Wiedereinstellung in Anspruch. Das Arbeitsgericht Duisburg wies die Klage ab. Mit seiner Berufung griff der Kläger das Urteil nur insoweit an, als seine gegen die Erwerberin gerichtete Klage abgewiesen wurde. Das LAG Düsseldorf (vgl. LAG Düsseldorf v. 7.10.2015, 4 Sa 1289/14) wies die Berufung zurück, ließ jedoch die Revision zu.
Die Revision des Klägers vor dem BAG hatte keinen Erfolg. Das BAG wies auch im Parallelverfahren die Revision der dortigen Klägerin zurück (Az.: 8 AZR 847/15).
Grundsätze des Wiedereinstellungsanspruchs
Das BAG stellt zunächst die Grundsätze des Wiedereinstellungsanspruchs dar. Danach setzt ein Wiedereinstellungsanspruch voraus, dass zwischen dem Zugang einer betriebsbedingten Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist entweder wider Erwarten der bisherige Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers erhalten bleibt oder unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den gekündigten Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG entsteht. Der Wiedereinstellungsanspruch folgt aus der auf § 242 BGB beruhenden arbeitsvertraglichen Nebenpflicht. Ein solcher Anspruch kommt also grundsätzlich nur in Betracht, wenn sich die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit noch im bestehenden Arbeitsverhältnis, d. h. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, ergibt. Dagegen kann der gekündigte Arbeitnehmer in der Regel keine Wiedereinstellung verlangen, wenn die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entsteht.
Wiedereinstellungsanspruch beim Betriebsübergang
Ferner legt das BAG dar, dass ein Wiedereinstellungsanspruch auch im Falle eines Betriebs(teil-)-übergangs während des Laufs der Kündigungsfrist bestehen kann. Erfolgt der Betriebs(teil-)-übergang dagegen erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, kommt ein Wiedereinstellungsanspruch nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Betriebs(teil-)-übergang bereits während des Laufs der Kündigungsfrist beschlossen wurde, dessen Vollzug aber noch aussteht. Nach der Rechtsprechung des Achten Senats des BAG liegt eine solche Ausnahme aber nur in dem Fall vor, dass es nach Ablauf der Kündigungsfrist durch willentliche Übernahme der Hauptbelegschaft zu einem Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB gekommen ist. Hingegen hat der Achte Senat die Frage offen gelassen, ob auch bei einem nach Ablauf der Kündigungsfrist durch die Übernahme von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln vollzogenen Betriebsübergang ein Wiedereinstellungsanspruch anzuerkennen sei (vgl. etwa BAG v. 13.5.2004 – 8 AZR 198/03 m.w.N.).
Keine Anwendung der Grundsätze im Kleinbetrieb
In sogenannten Kleinbetrieben hält das BAG die Grundsätze zum Wiedereinstellungsanspruch allerdings für unanwendbar. Denn ihre Anwendung setzt eine betriebsbedingte Kündigung voraus, die an den Maßstäben des § 1 Abs. 2 KSchG zu messen ist. Durch den Wiedereinstellungsanspruch werde der nach § 242 BGB gebotene Ausgleich dafür geschaffen, dass eine betriebsbedingte Kündigung schon dann erklärt werden kann, wenn im Zeitpunkt des Kündigungszugangs die Prognose gerechtfertigt ist, dass zum Ablauf der Kündigungsfrist der erforderliche betriebliche Grund vorliegen wird. Ein Abwarten mit der Kündigung bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitsplatz tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht, ist hingegen nicht erforderlich. Die weitere tatsächliche Entwicklung nach dem Ausspruch der Kündigung bleibt sodann grundsätzlich unberücksichtigt. Wenn sich entgegen der Prognose die Gegebenheiten noch während des Laufs der Kündigungsfrist ändern, bleibt die Kündigung daher wirksam. Den Arbeitnehmer beeinträchtigt dies in seinem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse am Bestand des Arbeitsverhältnisses. Daher bietet § 242 BGB dem Arbeitnehmer in derartigen Fällen eine Kompensation in Form des Wiedereinstellungsanspruchs. In Kleinbetrieben bedarf es aber keines Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 KSchG und damit auch keiner Prognose für die Wirksamkeit der Kündigung. Damit entfällt auch das Bedürfnis eines Korrektivs einer geänderten Prognose durch einen Wiedereinstellungsanspruch (vgl. so ausführlich die Vorinstanz, LAG Düsseldorf v. 7.10.2015 – 4 Sa 1288/14).
Schutz im Kleinbetrieb durch §§ 138, 242 BGB
Das BAG betont allerdings, dass Arbeitnehmer in Kleinbetrieben nicht völlig schutzlos gestellt sind. Indem die allgemeinen zivilrechtlichen Schranken gemäß §§ 138, 242 BGB Arbeitgebern eine sitten- oder treuwidrige Ausübung des Kündigungsrechts verbieten, sind Arbeitnehmer hinreichend geschützt. Im Rahmen dieser Generalklauseln sind die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Insbesondere verpflichtet Art. 12 Abs. 1 GG den Arbeitgeber in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, bei Kündigungen außerhalb des KSchG ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme walten zu lassen, etwa wenn unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist. Auch darf der Arbeitgeber ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen.
Im vorliegenden Fall konnte das BAG offen lassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich im Einzelnen im Kleinbetrieb ausnahmsweise aus § 242 BGB ein Wiedereinstellungsanspruch ergeben kann. Denn allenfalls hätte der Kläger im vorliegenden Fall einen solchen Anspruch gegenüber der bisherigen Inhaberin verfolgen können, die den Betrieb zunächst bis zum 31. August 2014 weitergeführt hatte und deren Betrieb erst danach von der Erwerberin übernommen wurde. Der Kläger hatte aber seine Klage zweitinstanzlich nur noch gegen die Erwerberin gerichtet.
Wiedereinstellungsanspruch aus § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 242 BGB?
Ebenso konnte das BAG im vorliegenden Fall offen lassen, ob ausnahmsweise ein Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruch aus § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 242 BGB anzunehmen war. § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB erklärt Kündigungen des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils für unwirksam. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall einen Anspruch auf Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses. Jedoch hätte der Kläger einen solchen auf § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 242 BGB gestützten Wiedereinstellungs-/Fortsetzungsanspruch vorliegend ebenfalls nur gegenüber der bisherigen Inhaberin geltend machen können.
Fazit
Erfreulicherweise steht nunmehr höchstrichterlich fest, dass ein Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich die Anwendbarkeit des KSchG voraussetzt. Insoweit hat das BAG Rechtsklarheit geschaffen. Arbeitnehmer, die die Wartezeit von sechs Monaten nach § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt haben oder in deren Betrieb der Schwellenwert nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht überschritten ist, steht daher grundsätzlich kein Wiedereinstellungsanspruch zu. Allerdings hat das BAG sich eine „Hintertür“ offen gelassen, indem es betonte, dass sich aus § 242 BGB ausnahmsweise ein Wiedereinstellungsanspruch im Kleinbetrieb ergeben kann. Vorliegend hätte ein solcher Anspruch aber nur gegen die bisherige Inhaberin geltend gemacht werden können, die den Betrieb nach Ablauf der Kündigungsfrist zunächst weitergeführt hatte. Es ist daher nach wie vor möglich, dass das BAG im Einzelfall einen Wiedereinstellungsanspruch aus § 242 BGB auch im Kleinbetrieb bejaht.