Die laufenden Betriebsratswahlen führen häufig zu Verwerfungen – nicht zuletzt aufgrund formaler Fehler des Wahlvorstandes, bei denen sich der Arbeitgeber (oder sonstige Akteure) die Frage stellen müssen: sind die Verstöße gravierend genug, um eine Anfechtbarkeit oder gar Nichtigkeit der Wahl zu begründen?
Häufig wird jedoch nur in diesen tradierten Kategorien gedacht und übersehen, dass auch im Eilverfahren Möglichkeiten bestehen, Rechtsverstöße des Wahlvorstandes sehr kurzfristig zu korrigieren.
Fehlerhafte Betriebsratswahlen – was gilt es zu beachten?
Wir haben bereits in diesem Blog ausführlich über die Betriebsratswahlen und damit im Zusammenhang stehende Themen informiert, insbesondere
- zu den Gestaltungsmöglichkeiten über ein vorgeschaltetes Statusverfahren,
- zu Fallstricken vor und nach der Wahl,
- zu möglichen Fehlern bei der Korrektur einer im Intranet veröffentlichten Wählerliste,
- zu den Möglichkeiten einstweiligen Rechtsschutzes bei bevorstehender oder eingeleiteter fehlerhafter Wahl,
- sowie zu den Rechten (und Grenzen der Rechte) des Arbeitgebers im Rahmen des Wahlverfahrens.
Eine aktuelle Entscheidung des ArbG Erfurt (2 BVGa 2/18, n.v.) illustriert, dass auch jenseits der Frage nach einer Nichtigkeit der Wahl Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgversprechend sein können: Die Arbeitsgerichte versuchen in solchen Fällen, mit dem geringstmöglichen Eingriff – hier: Berichtigungsverfügung – grobe Wahlfehler bereits im Vorhinein auszuschließen, die später eine Anfechtbarkeit der Wahl begründen könnten.
Der Fall: Offensichtlich fehlerhafte Liste
Der Wahlvorstand hatte in dem von dem ArbG Erfurt entschiedenen Fall die Wahl eines Betriebsrats durch rechtzeitiges Wahlausschreiben eingeleitet. In diesem wies der Wahlvorstand auch ausdrücklich auf die Folgen hin, die eine fehlerhafte Aufnahme eines nicht-wählbaren Kandidaten auf eine Liste mit sich brächte. Dort hieß es:
„Achtung: Vorschlagslisten sind insgesamt unwirksam, wenn sie einen nicht-wählbaren Kandidaten enthalten!“
Im Rahmen der Betriebsratswahl wurden insgesamt drei Vorschlagslisten bei dem Betriebsrat eingereicht. Auf der sodann streitgegenständlichen Liste (hier: „Liste“) war ein Arbeitnehmer aufgeführt, der – unstreitig – im Zeitpunkt der Betriebsratswahl eine Betriebszugehörigkeit von weniger als sechs Monaten aufwies.
Der Vorsitzende des Wahlvorstandes war zugleich aktuelles Betriebsratsmitglied und Erster der Liste. Auf die Rüge diverser wahlberechtigter Arbeitnehmer, dass die Liste für ungültig zu erklären sei, teilte der Wahlvorstand nur mit, dass der aufgezeigte Mangel nicht zur Ungültigkeit der Liste führe.
Hiergegen wandten sich die Antragsteller im Wege der einstweiligen Verfügung und beantragten – gestuft – die Korrektur der Liste durch Streichung des nicht wählbaren Kandidaten, hilfsweise die Nichtzulassung der Liste, höchst hilfsweise den Abbruch der Wahl.
ArbG Erfurt: Anfechtbarkeit der Wahl rechtfertigt Berichtigungsverfügung
Das ArbG Erfurt ist dem Hauptantrag gefolgt und hat den nicht wahlberechtigten Arbeitnehmer von der Liste gestrichen. Es erblickte in der Aufnahme in die Liste einen Verstoß gegen § 8 BetrVG, wonach die Wählbarkeit im Zeitpunkt des letzten Wahltages gegeben sein muss. Bei der Korrektur des Fehlers beschränkte sich das Gericht auf den geringstmöglichen Eingriff, der eine störungsfreie Betriebsratswahl sicherzustellen geeignet war.
Bewertung
Die Entscheidung des ArbG Erfurt überzeugt auf ganzer Linie.
Es entspricht der unstrittigen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass einzelne Maßnahmen und Entscheidungen des Wahlvorstands bereits vor Abschluss des Wahlverfahrens gesondert, und sogar ohne dass die Voraussetzungen der Wahlanfechtung (immer) erfüllt sein müssten, vor den Arbeitsgerichten angegriffen werden können.
Das ist auch sinnhaft: Ein mit Rechtsfehlern behaftetes Wahlverfahren mit dem Risiko einer Wahlanfechtung und der Notwendigkeit einer Wahlwiederholung fortzusetzen, obgleich die Mängel schon im Laufe des Wahlverfahrens durch eine gerichtliche Entscheidung hätten beseitigt werden können, ist durch den Gesetzeszweck nicht gedeckt.
Der Anspruch kann im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. Durch eine sog. Berichtigungsverfügung können einem Wahlvorstand bestimmte einzelne Maßnahmen aufgegeben werden. Hierzu zählen insbesondere die nachträgliche Streichung von Kandidaten auf Wahlvorschlagslisten, nachdem bereits Stützunterschriften angebracht waren und die Nichtzulassung von Vorschlagslisten.
Vorliegend wäre jedenfalls eine Anfechtbarkeit der Wahl anzunehmen gewesen, so dass auch Raum für eine Berichtigungsverfügung war:
- Ist auf einer Vorschlagsliste bei ihrer Einreichung ein nicht wählbarer Kandidat aufgeführt, so ist die Liste ungültig. Der Wahlvorstand darf die Liste nicht unverändert, d.h. mit dem nicht wählbaren Kandidaten zur Wahl stellen, da die Zulassung eines nicht wählbaren Arbeitnehmers keine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl ist. Die Vorschlagsliste ist zu korrigieren.
- Die Ungültigkeit der Vorschlagslisten ist auch nicht davon abhängig, dass der Wahlvorstand den Mangel festgestellt hat. Behandelt er eine ungültige Vorschlagsliste als gültig oder weist er eine gültige Vorschlagsliste als ungültig zurück, so ist eine Wahlanfechtung begründet.
Durch den vorgenommen korrigierenden Eingriff wurde der Betrieb zu keinem Zeitpunkt betriebsratslos; hingegen wäre es unverhältnismäßig gewesen, bei einem derart eklatanten und unstreitigen Rechtsfehler nicht korrigierend einzugreifen und damit die mit einer Anfechtung verbundenen erheblichen Kosten und die Unruhe im Betrieb in Kauf zu nehmen.
Fazit
Es lohnt sich, bei gerade formalen Fehlern im Vorfeld einer Betriebsratswahl nicht nur die „klassischen“ Instrumente der Anfechtung und Nichtigkeit zu durchdenken, sondern auch ggf. auf einfachem Wege zu berichtigende Fehler mit Hilfe der Arbeitsgerichte anzugreifen und so eine spätere – im Interesse der Rechtssicherheit – fehlerfreie Wahl sicherzustellen.