Fast keine Planung zu Transformationen oder Restrukturierungen, in denen nicht mindestens einmal die Frage gestellt wird, ob es nicht einen „Plan B“ gibt. Vom „Plan B“ erwarten sich die Beteiligten dann meistens, dass es schneller, billiger geht und im Extremfall sogar eine Lösung „jenseits des Arbeitsrechts“ gibt.
Vorsicht bei Alternativüberlegungen
Zunächst einmal gilt: Wer einen „Plan B“ hat, verfolgt „Plan A“ nicht richtig. Die Ressourcen in der Vorbereitung werden durch allzu viele alternative Überlegungen verschwendet. Zudem ist der Arbeitgeber im Rahmen der Beratungen über eine Betriebsänderung auch verpflichtet, seine Alternativen offen zu legen. Wenn es also wirklich Diskussionen über einen „Plan B“ gibt, so muss in besonderer Weise auf Vertraulichkeit, gesonderte Ansprechpartner, getrennte Kommunikation sowie darauf geachtet werden, nicht allzu viel Energie in einen „Plan B“ zu legen, die für die sorgfältige Planung der eigentlichen Betriebsänderung nötig ist.
Schwierigkeiten macht häufig auch die zeitliche Planung einer Alternative. Im (noch einfacheren) Fall einer Betriebsveräußerung an Stelle einer Betriebsstilllegung lässt sich dies bei entsprechender Gestaltung des M&A-Prozesses im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen noch ohne weiteres unterbringen. Wenn es dagegen darum geht, zu einem bestimmten Zeitpunkt „die Reißleine zu ziehen“, etwa wenn die Sozialplanforderungen zu hoch werden oder wenn infolge von Arbeitskampfmaßnahmen völlig geänderte Verhältnisse bestehen, ist es schon kommunikativ ausgesprochen schwierig, Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und der Öffentlichkeit zu erklären, warum die Unternehmensleitung jetzt einen „Plan B“ verfolgen möchte.
In der Praxis empfiehlt sich daher, dass die Geschäftsleitung den „Plan A“ mit allem Nachdruck verfolgt und nur auf der Ebene des Gesellschafters Überlegungen für bestimmte definierte Bedingungen entwickelt werden, etwa wenn in zeitlicher oder finanzieller Hinsicht das Projekt aus den Fugen gerät.
Besondere Vorsicht mit „Drohungen“, zumal mit einem „Schutzschirm“- oder einem Insolvenzverfahren
Drohungen, die nicht wahrgemacht werden, gehen ins Leere. Als Verhandlungstaktik ist daher auch die Drohung mit einem Insolvenzantrag oder – in „milderer Form – einem vorgezogenen Schutzschirmverfahren nach der Insolvenzordnung eine heikle Angelegenheit. Dennoch meinen Verhandlungsteams auf Arbeitgeberseite immer wieder, dass die Drohung mit dem Insolvenzantrag die Verhandlungen beschleunigt und das Sozialplanergebnis „verbessert“. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn langfristige Beschäftigungssicherungen oder teure Rahmensozialpläne zur Diskussion stehen.
- Die „Drohung“ mit dem Insolvenzantrag muss für die Geschäftsführung rechtlich abgesichert sein. Mit Ausspruch der Drohung ist anfechtungsrechtlich der Nachweis erbracht, dass die Geschäftsleitung Kenntnis von Insolvenztatsachen hat. Dasselbe gilt im Rahmen des Eingehungsbetruges und der Untreue. Schon aus diesem Grund darf eine derartige Drohung niemals in den Raum gestellt werden, ohne dass die Geschäftsführung persönlich straf- und insolvenzrechtlich beraten ist. Mindestens ein üblicher Liquiditätsplan (wenn auch ohne Abfindungen) und beispielsweise eine Patronatserklärung werden vorübergehend erforderlich sein.
- Auch praktisch bewirkt eine bloße Drohung mit einem Insolvenzantrag nichts. Erst wenn neben den Betriebsparteien und ihren Beratern ein „Chief Restructuring Officer“ (CRO), die Insolvenzberater der Geschäftsführung oder eine vergleichbare Aufstellung erkennbar werden, wird es wirklich ernst.
- In diesem Fall löst die Drohung mit dem Insolvenzantrag allerdings eine ganze Reihe von Nachteilen aus: So wird ein Sozialplanergebnis, gleich in welcher Höhe, seitens der Betriebspartner nur noch mit entsprechender Insolvenzsicherung akzeptiert werden. Bürgschaft- und Treuhandlösungen werden einen guten Teil der Verhandlungen in Anspruch nehmen. Damit bewirkt die Drohung mit der Insolvenz in manchen Fällen erst einen unmittelbaren Liquiditätsengpass, der vorher so kaum bestanden hätte.
- Im Extremfall „schwenken“ Betriebsräte und Gewerkschaften sogar „auf Insolvenz“ um, um sich so von einem unliebsamen (z.B. PE) Gesellschafter trennen zu können. Dann geht die Drohung ganz nach hinten los.
- Blickt man schließlich auf ein mögliches Sozialplanergebnis, gilt folgendes: Die Sozialplanhöhe ist bei Unternehmen in Krisensituationen praktisch ohnehin beschränkt. Faktoren zwischen 0,3 und 0,5 können auch ohne die Drohung mit einem Antrag erreicht werden. Die wirtschaftlichen Berater des Betriebsrats, denen in diesen Fällen besondere Bedeutung zukommt, werden in den internen Beratungen mit dem Betriebsrat schon nach kurzer Prüfung auf die angespannte Situation hinweisen und sowohl in zeitlicher Hinsicht wie auch in finanzieller Hinsicht auf ein Ergebnis drängen, das seitens des Unternehmens auch erbracht werden kann. Auch Standortszusagen und angeblich unantastbare Rahmensozialpläne werden dann plötzlich in die Lösung einbezogen. Wichtig ist es in diesen Fällen, Öffnungsklauseln für Nachverhandlungen bzw. Konfliktlösungsregelungen zeitnah für eine professionelle Moderation oder Einigungsstelle zu nutzen.
- Insgesamt hat eine Drohung mit einem Insolvenzantrag daher eher negative Folgen für den Ablauf der Verhandlungen, und damit auch für deren Dauer.
Zielgerichteter ist es, über eine transparente Kommunikation mit den wirtschaftlichen Beratern des Betriebsrates die wirtschaftliche Lage des Unternehmens in ihrer Gänze darzustellen und den sich daraus ergebenden Handlungsdruck zu erläutern. Damit werden ohne Drohungen auch die Grenzen für Standortschutzaussagen und Sozialpläne erkenn- und lösbar.
Fazit
„Plan B“-Überlegungen sind nichts für die große Verhandlungsrunde oder den normalen Ablauf von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen. Auf Ebene des Gesellschafters, zunächst ohne Beteiligung des Managements, können und müssen derartige Überlegungen im Vorfeld angestellt werden. In diesem Fall ist allerdings – aufgrund der strafrechtlichen Implikationen – eine eingehende Insolvenz- und strafrechtliche Beratung mit hinzuzuziehen. Wer wirklich einen „Plan B“ im Sinne eines „Schutzschirm“-Verfahrens oder eines Insolvenzverfahrens planen und dann ggf. auch verfolgen will, wird dies letztlich zum „Plan A“ machen müssen, damit die oft schwierigen rechtlichen Voraussetzungen dieser Überlegungen erfolgreich umgesetzt werden können. Als reine Drohung dienen sie nicht.