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Weisungsrecht

„Tierisch gute Laune“ im Büro?

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Tierisch

Arbeitgeber werben im Kampf um Fachkräfte mit (fast) allen Mitteln – in letzter Zeit verstärkt sogar mit hundefreundlichen Arbeitsplätzen, denn schließlich ist das Mitbringen des geliebten Vierbeiners bei Arbeitnehmern offenbar etwa doppelt so gefragt wie ein Firmenwagen. In England wird teilweise sogar bezahlter Sonderurlaub für Angestellte gewährt („PAWternity Leave“), wenn diese sich einen Hund anschaffen.

Anerkannt ist: Bürohunde können sich generell positiv auf das Büroklima sowie die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeiter auswirken. Doch was, wenn der Hund stattdessen aggressives Verhalten an den Tag legt oder sich Kollegen gestört fühlen? Mit dieser auf den ersten Blick kuriosen Frage hatte sich jüngst das AG München zu befassen.

Was war passiert?

Ein Mitglied einer Bürogemeinschaft brachte ihren 6 Monate alten Rauhaardackel täglich mit ins Büro. Hiervon fühlte sich ein Kollege massiv gestört und beantragte im Wege des Eilrechtsschutzes, seiner Kollegin zu untersagen, ihren Rauhaardackel in die gemeinsamen Büroräume des Notariats mitzubringen. Am 20. Oktober 2017 lehnte das AG München (182 C 20688/17) den Eilantrag wegen fehlender Dringlichkeit ab. Die endgültige Entscheidung steht noch aus.


Der Antragsteller trug vor, der Rauhaardackel halte sich zwar überwiegend in den Büroräumen der Antragsgegnerin auf, allerdings folge er ihr auch in die gemeinschaftlich genutzten Räume. Ansonsten liege er im Büro hinter der Kollegin auf einem Stuhl, den er, der Antragsteller, danach ebenfalls wieder benutzen müsse.

Der Antragsteller fühlte sich durch den Hund im Büro gestört:

  • Aufgrund persönlicher Erfahrungen möge er keine Hunde, insbesondere auch nicht deren Geruch. Der Hund berge nicht nur das Risiko, dass Menschen allergisch auf ihn reagieren könnten, sondern schade auch dem Ruf.
  • Gelegentlich belle der Hund nämlich, sodass die Außenwirkung der Bürogemeinschaft beeinträchtigt würde.
  • Auch brächten Kunden Kinder oder eigene Hunde mit ins Büro, was zu Problemen mit dem Hund der Antragsgegnerin führen könne.

Die Antragsgegnerin berief sich vorgerichtlich darauf, dass die Gefahr einer Allergie genauso von den von Kunden mitgebrachten Hunden ausgehe, die jedoch geduldet würden. Außerdem habe sie bereits bei der Gründung des gemeinschaftlichen Büros angekündigt, sich einen Hund anschaffen und dann mitbringen zu wollen. Der Hund störe auch den Bürobetrieb nicht, sondern wirke sich ganz im Gegenteil positiv auf Produktivität und Gesundheit aller Mitarbeiter aus. Ihn ausschließlich in ihren persönlichen Büroräumen zu halten, sei nicht möglich.

Der Antragsteller strengte daraufhin ein Eilverfahren an, um seiner Kollegin unbefristet zu untersagen, den Hund in die gemeinsamen Büroräume mitzubringen und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro (!) anzudrohen. Die Reaktion des AG München bei Eingang des Verfahrens ist bedauerlicherweise nicht überliefert.

Die Entscheidung des Gerichts

Das AG München hat den Eilantrag des Antragstellers mangels Dringlichkeit abgelehnt. Das Gericht ging davon aus, dass auf Seiten des Antragstellers keine gravierenden Nachteile entstünden, die es abzuwenden gelte. Es sei nicht ersichtlich, wie der gute Ruf und die Außenwirkung des Antragstellers durch den Hund im Büro irreparablen Schaden erleiden könnten. Konkrete Nachteile wie Umsatzeinbußen, Beschwerden oder tatsächlich eingetretene allergische Reaktionen seien nicht vorgetragen worden.

Damit darf der Hund nun vorerst bleiben, jedoch ist dies noch kein endgültiger Schritt hin zum „tierfreundlichen Büro“ – die Hauptsacheentscheidung bleibt abzuwarten.

Kurios, aber „nicht nur“

Jenseits des zum Schmunzeln anregenden Sachverhaltes ist der Fall durchaus juristisch interessant, gibt er doch Anlass, sich mit der Sonderkonstellation auseinanderzusetzen, in der eine Geltendmachung von Ansprüchen zwischen Kollegen erfolgt.

  • Bisher lagen ähnliche Fälle lediglich in der Konstellation vor, dass ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer verbieten wollte, den Hund mit ins Büro zu bringen. Eine solche Weisung ist grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt.
  • Generell gibt es keine Verpflichtung für Arbeitgeber, ihren Arbeitnehmern das Mitbringen ihres Hundes an den Arbeitsplatz erlauben. Denn den Arbeitgeber trifft umgekehrt auch eine Fürsorgepflicht für die anderen Beschäftigten: Allergiker müssen ebenso geschützt werden wie Personen, die Angst vor Hunden haben.
  • Der Arbeitnehmer kann jedoch beispielsweise einen Anspruch aus vertraglicher Vereinbarung oder betrieblicher Übung darauf haben, seinen Hund mitbringen zu dürfen. Ebenso kann sich dies aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben: Wenn dBie anderen Kollegen ihre Hunde mitbringen dürfen, haben auch andere Arbeitnehmer grundsätzlich ein Recht darauf.
  • Allerdings gibt es hier Einschränkungen: Eine Ungleichbehandlung aus sachlichen Gründen ist zulässig. Liegen im Einzelfall besondere Umstände vor, so kann der Arbeitnehmer auch nur einen einzelnen Hund aus den Geschäftsräumen verbannen, ohne gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen.
  • Dies dürfte immer dann der Fall sein, wenn der Hund ein objektiv störendes und für die Büroräume nicht hinnehmbares Verhalten an den Tag legt, wie beispielweise andauerndes Bellen, aggressives Knurren oder gar Beißen (so z.B. LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2014, 9 Sa 1207/13).Auf die objektive Gefährlichkeit des Hundes kommt es dabei nicht an, sondern vielmehr darauf, ob der Hund die betrieblichen Abläufe stört oder von anderen Mitarbeiter als bedrohend empfunden wird.

In der Entscheidung des AG München lag der Fall jedoch anders. Statt konkreter Störungen ging es um eine rein subjektive Aversion des Antragstellers gegen Hunde – die das AG München zu Recht nicht berücksichtigt hat. Bis zur Hauptsacheentscheidung darf der Rauhaardackel vorerst bleiben, wo er ist. Eine gute Zusammenarbeit zwischen den relevanten Kollegen dürfte jedoch in diesem Büro – ob mit oder ohne Hund – wohl mit einem Fragezeichen versehen sein.

Mitarbeit: Ref. Miriam Schwartzer

KLIEMT.Arbeitsrecht




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