Es kommt in der Praxis immer wieder vor, dass (langjährige) Arbeitnehmer zu Geschäftsführern bestellt werden, ohne dass hierfür ein entsprechender Dienstvertrag abgeschlossen wird. Vielmehr werden die Geschäftsführer auf Basis ihrer bisherigen Arbeitsverträge weiterhin tätig.
Nach Ausspruch einer Kündigung greifen die Geschäftsführer dann die Wirksamkeit der Kündigung wegen des Fehlens eines Kündigungsgrundes an. Dem ist das BAG mit seiner Entscheidung vom 21.09.2017 (Az.: 2 AZR 865/16) erneut entgegengetreten. Es stellte klar, dass Geschäftsführers keinen Kündigungsschutz genießen, wenn die Bestellung zum Geschäftsführer zum Kündigungszeitpunkt (noch) bestand. Wir erörtern nachfolgend die Entscheidung und deren Folgen.
Wo entzündet sich der Streit?
Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gelten
„die Vorschriften dieses Abschnitts (…) nicht in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist“.
Demnach gilt der allgemeine Kündigungsschutz nicht für gesetzliche Vertreter juristischer Personen wie z.B. Geschäftsführer einer GmbH. Die Kündigung eines Geschäftsführers bedarf daher keiner sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.
Ebenso wenig kann das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung durch ein gerichtliches Urteil aufgelöst werden.
Worum ging es im Fall des BAG?
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1996 als Arbeitnehmer beschäftigt. 2011 bestellte die Beklagte den Kläger zum Geschäftsführer. Neben dem Kläger gab es bei der Beklagten weitere 98 Geschäftsführer. Diese waren abhängig von ihrem konkreten Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich in verschiedener Career Level eingeordnet. Zudem bestand eine Unterzeichnungsrichtlinie, in der die jeweiligen Vertretungsbefugnisse der Geschäftsführer im Innenverhältnis geregelt waren.
Im Februar 2014 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger ordentlich. Der Kläger erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Noch vor Ablauf der Kündigungsfrist legte er sein Amt als Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung nieder.
Nach Auffassung des Klägers war die Kündigung mangels Fehlens eines Kündigungsgrundes unwirksam. Er sei weiter als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, da die Bestellung zum Geschäftsführer lediglich ein formaler Akt gewesen sei. Die Kündigung habe daher einer sozialen Rechtfertigung bedurft; jedenfalls aber habe sich die Beklagte rechtsmissbräuchlich verhalten. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Kündigungsschutzklage zurück.
Entscheidung des BAG
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte die Kündigung gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keiner sozialen Rechtfertigung. Das BAG bestätigte seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Vorschriften des ersten Abschnitts des KSchG nicht für Geschäftsführer gelten, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestehe. Unerheblich sei die Beendigung der Organstellung nach Kündigungszugang:
- § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG komme gerade dann zum Tragen, wenn das der Organstellung zugrundeliegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sei. Dem stünden auch keine europarechtlichen Erwägungen entgegen.
- Ebenso seien etwaige Beschränkungen des Geschäftsführers in seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis unerheblich. Denn maßgebend sei, dass die gesetzliche Vertretungsmacht nach außen gemäß § 37 Abs. 2 GmbHG nicht beschränkbar sei.
- Der Ausschluss vom allgemeinen Kündigungsschutz verstoße auch weder gegen Artikel 12 Abs. 1 GG noch stelle er einen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG wegen der unterschiedlichen Behandlung von leitenden Angestellten und Mitgliedern gesetzlicher Vertretungsorgane dar.
Eine Bestellung zum Geschäftsführer könne allenfalls rechtsmissbräuchlich sein. Hierfür seien jedoch im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gegeben. Die Kündigung war daher wirksam.
Bewertung
Die Entscheidung des BAG überzeugt. Das Gericht stellt ausdrücklich klar, dass es lediglich auf die formale Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ankomme. Dementsprechend können sich Geschäftsführer nicht mehr auf eine vermeintliche Arbeitnehmerstellung berufen, selbst wenn sie weisungsgebunden handelten oder ihre Vertretungsbefugnis (im Innenverhältnis) beschränkt war.
Damit werden Geschäftsführer auch nicht gänzlich schutzlos gestellt. Das BAG führte insoweit aus, dass Geschäftsführer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts geschützt sind.
Eine Bestellung zum Geschäftsführer könne rechtsmissbräuchlich sein, wenn sie allein mit dem Ziel erfolge, diesen alsbald entlassen zu können. Erforderlich hierfür sei jedenfalls ein enger zeitlicher Zusammenhang.
Der bloße Umstand, dass die Abberufung nicht bereits mit der Erklärung der Kündigung erfolge, sei aber kein Indiz für eine ursprünglich rechtsmissbräuchliche Bestellung.
Ausdrücklich offengelassen hat das BAG die Frage, ob § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG auch dann anwendbar sei, wenn die Organstellung bereits vor Zugang der Kündigung geendet habe. Nach Auffassung des BAG erscheine dies „jedenfalls nicht ausgeschlossen“. Dementsprechend
„wäre es dann ggf. ohne Einfluss, wenn das Organmitglied sein Amt selbst durch Niederlegung aufgegeben hat oder wenn ihm die Kündigung des zugrundeliegenden Anstellungsverhältnisses erst nach dem Widerruf seiner Bestellung durch die Gesellschaft zugeht“.
Es spricht daher viel dafür, dass Geschäftsführer einen vermeintlichen Kündigungsschutz (auch) nicht durch eine vorherige Amtsniederlegung erhalten können.
Fazit
Das BAG sorgt mit seiner Entscheidung für Rechtsklarheit, da es sich umfassend mit den möglichen Einwänden gegen einen fehlenden Kündigungsschutz auseinandersetzt. Damit schiebt das Gericht dem in der Praxis regelmäßig anzutreffenden Bestreben von gekündigten Geschäftsführern einen Riegel vor, sich auf eine vermeintliche Arbeitnehmerstellung zu berufen.
Ebenso erteilt das BAG aber auch dem möglichen Versuch eine Absage, den Kündigungsschutz durch die Bestellung zum Geschäftsführer zu umgehen. Etwaige spätere Auseinandersetzungen können aber ohnehin durch eine interessengerechte Vertragsgestaltung von vornherein vermieden werden.