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Tarifvertrag Vergütung

Tarifliches Abstandsgebot – Was gilt?

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Abstandsgebot

Studien zufolge wird in Deutschland jeder zweite Arbeitnehmer gemäß dem Vergütungssystem eines Tarifvertrages bezahlt. Ein Tarifvertrag findet gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG kraft Gesetzes Anwendung, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber tarifgebunden sind. Tarifbindung ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer Mitglied in der Gewerkschaft und der Arbeitgeber Mitglied in dem Arbeitgeberverband ist, die einen Tarifvertrag geschlossen haben. Alternativ kann ein Arbeitgeber auch unmittelbar mit der Gewerkschaft einen Haustarifvertrag abschließen. Auch ohne Tarifbindung legen viele Arbeitgeber in ihren Unternehmen das Vergütungssystem eines Tarifvertrages freiwillig zugrunde und vereinbaren in den Arbeitsverträgen mit ihren Arbeitnehmern sogenannte Bezugnahmeklauseln.

Neben den tariflich vergüteten Arbeitnehmern gibt es sogenannte „außertarifliche Angestellte“, deren Vergütung sich nicht nach einer Tarifgruppe richtet. Die Frage, welche Vergütungsansprüche diese Gruppe von Angestellten hat, beschäftigt auch aktuell wieder das Bundesarbeitsgericht.

Einhaltung eines tariflichen Abstandsgebots bei beiderseitiger Tarifgebundenheit

In einer Entscheidung vom 3. September 2014 (5 AZR 240/13) musste das BAG über die Klage eines Arbeitnehmers entscheiden, der der Ansicht war, als außertariflicher Angestellter einen höheren Vergütungsanspruch zu haben. Der Arbeitnehmer war Mitglied der IG-Metall und sein Arbeitgeber war Mitglied im Bayerischen Unternehmensverband Metall und Elektro e.V., so dass Tarifbindung hinsichtlich der Tarifverträge der bayerischen Metall- und Elektroindustrie bestand.

Der Kläger war durch ein Schreiben des Arbeitgebers in den Kreis der „außertariflichen Führungskräfte“ aufgenommen worden. In dem aufgrund der Tarifbindung anzuwendenden Tarifvertrag war ein tariflicher Mindestabstand geregelt. Dies ist eine Regelung, die solche Arbeitnehmer von der Anwendbarkeit des Tarifvertrages ausnimmt, deren Gehalt jedenfalls zu einem bestimmten Mindestprozentsatz über der höchsten Tarifgruppe liegt. Der Arbeitnehmer war der Meinung, dass ihm aufgrund seiner Ernennung zum außertariflichen Angestellten ein Gehalt zustehe, das diesen Mindestabstand zur höchsten Tarifgruppe einhalte.

In letzter Instanz hat das BAG dem Kläger Recht gegeben. Die Richter stellten in ihrer Entscheidung fest, dass der Kläger einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer das tarifliche Mindestabstandsgebot einhaltenden Vergütung habe. Die konstitutive Ernennung des Klägers zum außertariflichen Angestellten beinhalte bei beiderseitiger Tarifgebundenheit eine arbeitsvertragliche Zusicherung, diesen Status durch Zahlung einer der Tarifentwicklung und gegebenenfalls einer tarifvertraglichen Abstandsklausel entsprechenden außertariflichen Vergütung zu erhalten.

Einhaltung des Abstandsgebots auch ohne Tarifbindung?

Das Landesarbeitsgericht München hatte am 16. November 2016 (5 Sa 222/16) einen ähnlichen Fall zu entscheiden. In diesem Fall waren die Parteien allerdings nicht tarifgebunden. Der Arbeitgeber wandte in seinem Unternehmen jedoch aufgrund von Betriebsvereinbarungen den Entgeltrahmentarifvertrag der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie an.

Im Jahr 1993 wurde der Arbeitnehmer durch ein Schreiben seines Arbeitgebers zum „Mitarbeiter des Führungskreises“ ernannt. Diese Mitarbeitergruppe wurde später umbenannt in „Mitarbeiter des übertariflichen Kreises“. Zum Zeitpunkt der Ernennung des Klägers wurde die Vergütung dieser Mitarbeiter durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, die vorsah, dass das Abstandsgebot des Tarifvertrages eingehalten wird. Später wurde diese Betriebsvereinbarung von einer neuen Betriebsvereinbarung abgelöst, die eine solche Regelung nicht mehr vorsah. In den Jahren 2010 bis 2013 wurde der Tarifabstand nur aufgrund von Sonderzahlungen am Jahresende gewahrt Diese Sonderzahlungen beruhten auf Regelungsabreden, die der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat für jedes Jahr einzeln getroffen hatte. Im Jahr 2014 kam eine solche Regelungsabrede nicht zustande. Dementsprechend leistete der Arbeitgeber keine Sonderzahlung und die Vergütung des Mitarbeiters hielt das Abstandsgebot nicht ein.

Der Kläger war der Ansicht, er habe aufgrund seiner Ernennung zum übertariflichen Mitarbeiter (was bei dem Arbeitgeber einem außertariflichen Angestellten entsprach) einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einhaltung des Tarifabstands. Außerdem ergebe sich ein solcher Anspruch aus einer mündlichen Regelungsabrede mit dem Gesamtbetriebsrat und auch aus den Grundsätzen einer betrieblichen Übung.

Das Arbeitsgericht München lehnte einen Anspruch des Klägers ab. Das Landesarbeitsgericht schloss sich der Entscheidung des Arbeitsgerichts an und wies die Berufung des Klägers zurück. Zur Begründung führten die Richter aus, ein Anspruch des Arbeitnehmers ergebe sich mangels Tarifbindung nicht aus dem Tarifvertrag selbst. Eine Regelungsabrede oder eine Betriebsvereinbarung seien für das Jahr 2014 gerade nicht zustande gekommen. Außerdem bestehe ein Anspruch auf Einhaltung des Tarifabstands auch nicht aufgrund einer betrieblichen Übung. Der Arbeitgeber habe in der Vergangenheit den Tarifabstand jeweils aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat gezahlt. Somit handele es sich bereits nicht um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, was das Entstehen einer betrieblichen Übung ausschließe.

Auch einen arbeitsvertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers lehnten die Richter ab. Ein solcher sei insbesondere deshalb zu verneinen, weil aufgrund der fehlenden beiderseitigen Tarifgebundenheit aus den getroffenen Vereinbarungen durch Auslegung kein Bindungswille des Arbeitgebers hergeleitet werden könne, auf Dauer eine Vergütung zu zahlen, die entsprechend den nicht anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen die Definition eines außertariflichen Mitarbeiters erfüllt. Für einen so weitreichenden Bindungswillen, der dazu führen würde, dass zwischen nicht tarifgebundenen Parteien die Regelungen eines Tarifvertrages hinsichtlich der außertariflichen Mitarbeiter die Entwicklung der Vergütung bestimmen, brauche es besondere Anhaltspunkte. Solche Anhaltspunkte lägen in diesem Fall insbesondere deshalb nicht vor, weil bei dem Arbeitgeber in der Vergangenheit die Vergütung der außertariflichen Mitarbeiter und die Einhaltung des Tarifabstands zunächst durch Betriebsvereinbarungen und später durch Regelungsabreden geregelt war. Die Wahrung des Abstandsgebots sei daher gerade nicht als selbstverständlich anzusehen gewesen.

Nach Ansicht der Richter könne nur bei einer beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien davon ausgegangen werden, dass eine konstitutive Ernennung zum außertariflichen Angestellten eine so weitgehende arbeitsvertragliche Zusicherung enthalte, dass dieser Status durch Zahlung einer der Tarifentwicklung Rechnung tragenden außertariflichen Vergütung erhalten werden solle.

Das LAG München hat die Revision zum BAG zugelassen. Nunmehr hat das BAG am 25. April 2018 (5 AZR 85/17) auf die Revision des Klägers die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Die Veröffentlichung der Urteilsgründe des BAG steht noch aus.

Ausblick

Ob ein Arbeitgeber seinen sogenannten „außertariflichen Angestellten“ eine Vergütung zahlen muss, die sich an dem Abstandsgebot eines Tarifvertrags orientiert, bleibt daher für den Fall des Nichtbestehens einer Tarifbindung vorerst offen. Für die Richter am Bundesarbeitsgericht könnte es eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, dass der Arbeitgeber in dem vom LAG München entschiedenen Fall in seinem Unternehmen eine Vergütung entsprechend des Tarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie gewährte. Sobald die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts veröffentlich wird, werden wir an dieser Stelle darüber berichten.

KLIEMT.Arbeitsrecht




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