Die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs zwischen verschiedenen Unternehmen, insbesondere innerhalb eines Konzerns, gewinnt als Gestaltungselement zunehmend an Bedeutung. Durch die Zusammenführung mehrerer Betriebe können Synergieeffekte gehoben und Kosten gespart werden. Der Gemeinschaftsbetrieb wird zudem als praxistaugliche Alternative zur Arbeitnehmerüberlassung gehandelt. So oder so: Die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs hat betriebsverfassungsrechtliche Folgen. Was passiert mit den Betriebsratsgremien der zusammengefassten Betriebe? Und welche Betriebsvereinbarungen gelten nach der Zusammenführung? Mit diesen Fragen sollten sich die Unternehmen frühzeitig befassen. Denn: Es bestehen Gestaltungsmöglichkeiten.
Wie wird ein Gemeinschaftsbetrieb gebildet?
Nach der Definition des Bundesarbeitsgerichts ist ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen dadurch gekennzeichnet, dass die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der Mitarbeiter von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Ein solcher Gemeinschaftsbetrieb kann insbesondere gebildet werden, indem Unternehmen ihre bereits bestehenden Betriebe zusammenlegen. Die Zusammenlegung kann dabei wiederum auf zwei verschiedene Arten erfolgen: Zum Einen kann der Betrieb des einen Unternehmens in den Betrieb des anderen Unternehmens eingegliedert werden (Eingliederung). Zum Anderen können die Betriebe zu einem neuen Betrieb zusammengefasst werden (Bildung eines neuen Betriebs).
Für die Abgrenzung ist entscheidend, ob einer der Betriebe trotz der Zusammenlegung zum Gemeinschaftsbetrieb seine bisherige Identität behält. Bilden die Grundstücke, die Gebäude, der überwiegende Teil der eingesetzten Maschinen und sonstigen Betriebsmittel eines der Betriebe die Grundlage auch für den Gemeinschaftsbetrieb? Greift die Betriebsorganisation des Gemeinschaftsbetriebs im Wesentlichen auf Strukturen zurück, die bereits in einem der Ausgangsbetriebe vorhanden waren? Hat einer der zusammengeschlossenen Betriebe weniger als halb so viele Mitarbeiter wie der andere? All dies spricht für eine Eingliederung eines Betriebs in den anderen. Die Unternehmen können somit steuern, auf welche Art sie ihren Gemeinschaftsbetrieb bilden. Aber wieso kommt es darauf an?
Was passiert mit dem Betriebsrat?
Unter Umständen möchten die Unternehmen die Zuständigkeit eines bestimmten von mehreren bestehenden Betriebsräten auf den Gemeinschaftsbetrieb erstrecken. Zwar können die Unternehmen nicht selbst bestimmen, welcher Betriebsrat für den Gemeinschaftsbetrieb zuständig ist. Sie können jedoch mittelbar die Zuständigkeit „gestalten“. Das Schicksal der bestehenden Betriebsräte hängt nämlich von der Art des Zusammenschlusses ab. Vereinfacht gesagt, gilt Folgendes:
Wird der Gemeinschaftsbetrieb als neuer Betrieb gebildet, wird regulär keiner der bestehenden Betriebsräte für den Gemeinschaftsbetrieb zuständig. In diesem Fall muss ein neuer Betriebsrat für den Gemeinschaftsbetrieb gewählt werden. Wird der Gemeinschaftsbetrieb hingegen im Wege der Eingliederung eines Betriebs in einen anderen gebildet, bleibt grundsätzlich der Betriebsrat des „aufnehmenden“ Betriebs im Amt. Seine Zuständigkeit erstreckt sich auch auf den eingegliederten Betrieb und damit letztlich auch auf den Gemeinschaftsbetrieb.
Was gilt hinsichtlich der Betriebsvereinbarungen?
Und wie ist es mit den Betriebsvereinbarungen? Können die Unternehmen bestimmen, welche ihrer „alten“ Betriebsvereinbarungen im Gemeinschaftsbetrieb fortgelten sollen? Das Schicksal der „alten“ Betriebsvereinbarungen bei Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs ist bisher nicht abschließend geklärt. Grundsätzlich kommt es jedoch auch hier darauf an, auf welche Art der Gemeinschaftsbetrieb gebildet wird.
Wird der Gemeinschaftsbetrieb als neuer Betrieb gebildet, gelten die Betriebsvereinbarungen der Ursprungsbetriebe nach wohl herrschender Meinung für die ihnen zuvor unterfallenden Arbeitnehmer kollektiv-rechtlich, d.h. unmittelbar und zwingend, fort. Dies kann zur Folge haben, dass in dem Gemeinschaftsbetrieb verschiedene „alte“ Betriebsvereinbarungen zum selben Thema nebeneinander anzuwenden sind. Für einzelne Mitarbeitergruppen des Gemeinschaftsbetriebs gelten dann beispielsweise verschiedene Arbeitszeitregelungen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Arbeitnehmer den jeweiligen „alten“ Betriebsvereinbarungen im Gemeinschaftsbetrieb noch zuverlässig zugeordnet werden können. Nur wenn die gleichzeitige Anwendung der „alten“ Betriebsvereinbarungen im Gemeinschaftsbetrieb nicht sinnvoll möglich ist, z.B. unterschiedliche Arbeitszeitregelungen aus organisatorischen Gründen nicht durchführbar sind, werden die ursprünglichen Betriebsvereinbarungen gegenstandslos.
Anders ist dies bei der Eingliederung. Hier wird überwiegend vertreten, dass in dem Gemeinschaftsbetrieb nur die Betriebsvereinbarungen des „aufnehmenden“ Betriebs unmittelbar und zwingend fortgelten. Sie finden dann grundsätzlich auch auf die eingegliederten Mitarbeiter Anwendung, sofern der persönliche und räumliche Geltungsbereich der Betriebsvereinbarungen nicht begrenzt ist und sofern die Betriebsvereinbarungen nicht unmittelbar das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis betreffen. Die entsprechenden Betriebsvereinbarungen des eingegliederten Betriebs werden demgegenüber gegenstandslos. Sie würden nach wohl herrschender Meinung nur dann für den eingegliederten Betrieb fortgelten, wenn es in dem „aufnehmenden“ Betrieb kein Pendant zur Betriebsvereinbarung des eingegliederten Betriebs gibt und eine Abgrenzung des eingegliederten Betriebs im Gemeinschaftsbetrieb gewährleistet ist.
Fazit
Die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs hat betriebsverfassungsrechtliche Folgen. Hiermit sollten sich die Unternehmen frühzeitig befassen. Ob gewählte Betriebsräte auch für den Gemeinschaftsbetrieb zuständig sind oder Betriebsvereinbarungen fortgelten, hängt entscheidend von der Art des Zusammenschlusses ab (Eingliederung oder Bildung eines neuen Betriebs). Dies können sich die Unternehmen zunutze machen, indem sie aktiv auf eine bestimmte Art des Zusammenschlusses hinwirken und dadurch die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen „gestalten“.