Unternehmen verändern sich – aber tun sie es auch in die richtige Richtung? Um das herauszufinden, nutzen immer mehr Arbeitgeber organisierte Mitarbeiterbefragungen. Dabei geht es aber nicht bloß um die Funktion eines „Stimmungsbarometers“, sondern auch um die gezielte Begleitung von Veränderungsprozessen und strategische Steuerung, etwa im Rahmen agiler Transformationsprozesse. Je nach Ausgestaltung der Mitarbeiterbefragung sind dabei allerdings auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats denkbar – und häufig gehen Betriebsräte von einem sehr weiten Mitbestimmungsrecht aus. Trifft das aber den Kern der Sache? Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 21. November 2017 (1 ABR 47/16) einige bisher höchstrichterlich nicht abschließend geklärte Fragen beantwortet.
Der Sachverhalt
Verkürzt dargestellt stritten ein Universitätsklinikum, bei dem ein Konzernbetriebsrat bestand, sowie dessen Tochtergesellschaft, ein Herzzentrum, mit dem örtlichen Betriebsrat des Herzzentrums über Mitbestimmungsrechte bezüglich einer durch das Universitätsklinikum durchgeführten konzernweiten Mitarbeiterbefragung. Die Mitarbeiterbefragung fand auf der Grundlage eines Vorstandsbeschlusses des Universitätsklinikums statt, und es wurde ein externer Dienstleister mit der Bereitstellung von Fragebögen und deren Auswertung beauftragt.
Die in Papierform gehaltenen und anonym an den Dienstleister zurückzusendenden Fragebögen wurden durch das Universitätsklinikum per Post an die Konzernmitarbeiter verschickt. Die Mitarbeiterbefragung wurde anonym durchgeführt, Rückschlüsse auf einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren nicht möglich. Die Teilnahme war dabei vollständig freiwillig.
Ziel der Befragung war insbesondere eine Überprüfung, ob umgesetzte Maßnahmen aus einer Vorgängerbefragung sowie bestimmte andere Faktoren Veränderungen der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter bewirkt hatten. Die über 100 Fragen des Fragebogens waren dabei in mehrere Themenkomplexe gegliedert (unter anderem zum Thema Gesundheit) und enthielten – bis auf zwei Fragen mit Freitextfeldern – vorgegebene, anzukreuzende Antwortmöglichkeiten.
Die Argumentation des Betriebsrats
Der Betriebsrat hatte die Auffassung vertreten, es handele es sich bei der Mitarbeiterbefragung insgesamt, jedenfalls aber teilweise, um eine Gefährdungsbeurteilung bzw. eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und darüber hinaus um einen mitzubestimmenden Personalfragebogen nach § 94 Abs. 1 BetrVG.
Er machte hierauf gestützt Ansprüche gegen das Herzzentrum geltend, die darauf gerichtet waren, das Universitätsklinikum zur Unterlassung der Durchführung der Mitarbeiterbefragung gegenüber den Mitarbeitern des Herzzentrums aufzufordern. Hilfsweise wollte der Betriebsrat das Bestehen seiner Mitbestimmungsrechte festgestellt haben.
Die Entscheidung
Nachdem die Vorinstanzen den Hauptanträgen des Betriebsrats stattgegeben hatten, hat das BAG diese mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei der angestrebten Verpflichtung des Herzzentrums nicht um eine der Mitbestimmung unterliegende – und daher im Wege des Initiativrechts erreichbare – Maßnahme des Gesundheitsschutzes oder einen Personalfragebogen handele. Was die Mitarbeiterbefragung an sich betreffe, sei das Herzzentrum nicht Maßnahmeträger, aus welchem Grunde die Hauptanträge ebenfalls keinen Erfolg haben könnten. Schließlich könnten die begehrten Ansprüche auch nicht auf datenschutzrechtliche Erwägungen gestützt werden, da diese allenfalls individuelle Rechte der betroffenen Mitarbeiter begründen würden.
Bei konzernweiter Befragung: allenfalls Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrats!
Auch den Hilfsantrag, gerichtet auf Feststellung des Bestehens von Mitbestimmungsrechten, wies das BAG zu Recht ab.
Hauptargument war insoweit erneut, dass die Mitarbeiterbefragung nicht durch das Herzzentrum, sondern die Konzernobergesellschaft (Universitätsklinikum) durchgeführt wurde. Eine für alle Konzernunternehmen vorgesehene und konzeptionell an einen einheitlichen Standardfragebogen geknüpfte Mitarbeiterbefragung könne allenfalls der Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats unterfallen. Nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes habe Mitbestimmung immer auf der Ebene anzusetzen, auf welcher die Entscheidungskompetenz in der betreffenden Angelegenheit liege.
Keine Mitbestimmung bei Freiwilligkeit!
Doch auch in der Sache verneinte das BAG Mitbestimmungsrechte. Zum einen stelle die Mitarbeiterbefragung keine Gefährdungsbeurteilung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dar, da sie bereits wegen ihrer Freiwilligkeit und ihrer Anonymität, vor allem aber wegen ihres Konzernbezugs keine ortsgebundenen arbeitsplatz-, tätigkeits- bzw. arbeitsbereichsbezogenen Schlüsse über Arbeitsbedingungen im Herzzentrum zulasse.
Zum anderen sei die Mitarbeiterbefragung auch keine Maßnahme des Arbeitsschutzes. Da die Freiwilligkeit der Beantwortung eine Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter ausschließe, handele es sich bei der Mitarbeiterbefragung – ungeachtet der ausreichenden Anonymisierung – auch um keinen Personalfragebogen im Sinne des § 94 Abs. 1 BetrVG.
Take-Aways
Das BAG hat erfreulicherweise einige Grundsätze zur Mitbestimmung bei Mitarbeiterbefragungen bestätigt und zudem auch neue Aspekte aufgebracht:
- Mitbestimmungsrechte können grundsätzlich nur auf der Ebene des Maßnahmeträgers und bei unternehmens- bzw. konzerneinheitlicher Befragung daher allenfalls dem Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat zustehen.
- Ist die Teilnahme an der Befragung freiwillig, stellen Mitarbeiterbefragungen keinen Personalfragebogen (§ 94 Abs. 1 BetrVG) dar. Bisher hatten die Gerichte insoweit in der Regel nur auf die ausreichende Anonymität abgestellt.
- Ungeachtet des konkreten Inhalts der Fragen führen Freiwilligkeit und Anonymität sowie ein fehlender Bezug zu konkreten Arbeitsbedingungen im Betrieb in der Regel zum Ausscheiden von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.
Hinweis: Im Falle der Durchführung von Mitarbeiterbefragungen mittels elektronischer Systeme sind jedoch Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und bei einer Anweisung zur Teilnahme nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zumindest denkbar. Insbesondere, wenn die Mitarbeiterbefragung nicht durch den Vertragsarbeitgeber durchgeführt wird, ist darüber hinaus zu prüfen, ob eine ausreichende datenschutzrechtliche Legitimation zur Weitergabe und Nutzung von Mitarbeiterdaten (etwa e-Mail-Adressen) im Vorfeld der Befragung besteht.