Unter dem Stichwort „Arbeitsrecht 4.0“ wird diskutiert, wie Unternehmen in der Praxis mit den Herausforderungen des digitalen Zeitalters umgehen können und welche Herausforderungen sich dem Arbeitsrecht stellen. Dabei liegt der Schwerpunkt häufig bei der Festlegung der Arbeitszeit sowie des Arbeitsortes. Mit Bezug auf letztgenannten Punkt drängen neben „Home Office“ und „Mobile Office“ / „work from anywhere“ derzeit verstärkt auch sog. Co-Working-Space-Anbieter auf den deutschen Markt, die flexible Bürolösungen für Unternehmen versprechen. Ist der Einsatz solcher Lösungen arbeitsrechtlich (stets) unproblematisch?
Was ist überhaupt ein „Co-Working-Space”?
Co-Working-Spaces galten lange nur als Oasen für Kreative, die in den sog. „Labs“ an Projekten oder neuen Start-Ups arbeiteten. In der Regel mieteten Selbständige in kleinen Bürogebäuden einen Schreibtisch samt zugehörigen Spind und erhielten neben Möglichkeit der Nutzung von WLAN und Drucker vor allem die Gelegenheit des Austauschs mit Gleichgesinnten, etwa im Rahmen von gemeinsamen Workshops.
Seit einiger Zeit drängen jedoch vor allem in Großstädten vermehrt auch große namhafte Anbieter, sog. „Co-Working-Space-Entwickler“, auf den Markt. Statt einzelner Schreibtische werden nun Räume oder ganze Etagen auch an kleine und mittlere Unternehmen vermietet. Unternehmen können so flexibel Spitzen im Flächenbedarf, z. B. bei umfangreichen Projekten, über den Co-Working-Space abfangen, ohne selbst ausreichende Flächen vorhalten zu müssen.
In der Regel werden Gemeinschaftsräume und Teeküchen mit allen Mietern geteilt. Zudem können je nach Bedarf stundenweise Besprechungsräume angemietet werden. Die Co-Working-Space-Anbieter bieten zum Teil sogar IT-Support, Post- und Empfangsservice, Bürobedarf oder sogar Kinderbetreuung und Fitnessräume für ihre Mieter bzw. „Mitglieder“ an.
Was ist arbeitsrechtlich zu beachten?
Da die Räumlichkeiten bislang vor allem von Freiberufler, kleineren Startups oder „digitale Nomaden“ genutzt wurden, spielten arbeitsrechtliche Fragen bislang eine untergeordnete Rolle. Unternehmen sollten sich jedoch bereits bei der Vertragsgestaltung mit dem Co-Working-Space-Anbieter Gedanken über arbeitsrechtliche Implikationen machen.
Die Besonderheiten einer solchen Gestaltung stellen das klassische Arbeitsrecht vor Herausforderungen. Neben Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei der Ausgestaltung sind vor allem Fragen des Datenschutzes und des Arbeits- und Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz zu bedenken:
- Rechte des Betriebsrats können sich je nach Ausgestaltung vor allem in Hinblick auf Fragen der Ordnung des Betriebs (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) oder die Planung der Arbeitsplätze (§ 90 BetrVG) ergeben.
- In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist nicht nur auf die Ausgestaltung der Vereinbarungen mit dem Co-Working-Space-Anbieter zu achten, sondern auch auf die entsprechende Anweisung der Arbeitnehmer selbst. Bei gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten und Druckern droht die Gefahr, dass vertrauliche Informationen in falsche Hände gelangen. Ähnlich wie im Home-Office sollten die Arbeitnehmer daher besonders sensibilisiert werden und angewiesen werden, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Daten vor dem unbefugten Zugriff Dritter zu treffen, etwa durch die Nutzung von abschließbaren Schränken, Sichtschutzfolien, Aktenvernichtern etc.
- Daneben sollte vor allem auf eine korrekte Handhabung der Arbeitsschutzvorschriften geachtet werden. Nach den Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsstättenverordnung muss der Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden bzw. möglichst gering gehalten werden – hierzu gehören z.B. ergonomische Arbeitsplätzen oder die Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber für das Einrichten und Betreiben der Arbeitsstätten verantwortlich und hat entsprechende Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen.
Sieht man sich die besondere arbeitsschutzrechtliche Situation in den von gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten geprägten Co-Working-Spaces an, stellt sich eine Vielzahl von weiteren Fragen – nur exemplarisch:
- Wer stellt Ersthelfer und Brandschutzbeauftragte?
- Muss der Vermieter ergonomische Bürostühle zur Verfügung stellen?
- Ist der Vermieter verpflichtet, den Arbeitgeber bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen zu unterstützen und auf etwaige Gefahrenquellen hinzuweisen?
- Wer haftet (wie) bei Arbeitsunfällen?
Der Arbeitgeber kann zwar einzelne Arbeitsschutzpflichten delegieren, hat jedoch stets die Gesamtverantwortung für die Durchführung des Arbeitsschutzes, d.h. ihn treffen Organisations-, Auswahl- und Unterweisungspflichten, Überwachungs- bzw. Kontrollpflichten und ggf. Durchsetzungspflichten.
Der Arbeitgeber hat jedoch faktisch i.d.R. nur wenige Einwirkungsmöglichkeiten im Hinblick auf die ggf. erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen, da er hinsichtlich der Einrichtung und Überwachung der Gemeinschaftsräume in der Regel dem Vermieter keine Weisungen erteilen kann. Trotzdem bleibt er gegenüber seinen Arbeitnehmer verpflichtet, notwendige Arbeitsschutzmaßnahmen zu ergreifen.
Praxishinweis: Es empfiehlt sich daher, zwischen Arbeitgeber und Vermieter Regelungen im Mietvertrag oder eine separate Vereinbarung zum Arbeitsschutz zu treffen. Hier sollte im Detail festlegt, wer welche Maßnahmen veranlasst. Ferner sollte die Vereinbarung Kontrollrechte und Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers im Hinblick auf die Umsetzung von arbeitsschutzrelevanten Maßnahmen vorsehen.