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Entsendung

Baukasten erweitert: (Mobile) ICT-Karte als neuer Aufenthaltstitel für konzerninterne Entsendungen

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Soll ein drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer, der bei einer Auslandsgesellschaft eines Konzerns angestellt ist, in Deutschland eingesetzt werden, so bedarf dies grundsätzlich eines Aufenthaltstitels. Drittstaaten sind dabei alle Nicht-EU- bzw. Nicht-EFTA-Staaten. Stand heute würde dies daher auch für britische Staatsbürger nach einem (harten) EU-Austritt gelten, der am 27.06.2018 in Großbritannien Gesetzeskraft erlangte und am 29.03.2019 Wirkung entfalten soll (Näheres zu den arbeitsrechtlichen Auswirkungen des „EU Withdrawal Act 2018“ vom 27.06.2018 bei unseren Kollegen von Ius Laboris UK Lewis Silkin unter http://www.lewissilkin.com/Insights/The-EU-Withdrawal-Act-what-does-it-mean-for-employment-law).

Von Relevanz für vorübergehende, längerfristige Entsendungen von Arbeitnehmern waren bislang in der Regel das Nationale Visum (§ 6 Abs. 3 AufenthG), die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausübung einer Beschäftigung (§ 18 AufenthG) und die Blaue Karte EU (§19a AufenthG). Für kürzere Entsendungsdauern (nicht mehr als bis zu 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen) kam daneben noch die – aufenthaltstitelbefreite – Entsendung im Rahmen kurzfristiger Mobilität für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer nach § 19c AufenthG in Betracht.


Das Nationale Visum wird unter den Voraussetzungen der Blauen Karte EU erteilt und setzt insoweit u.a. einen Hochschulabschluss des Arbeitnehmers voraus, der ein deutscher, anerkannter ausländischer oder ein einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbarer ausländischer Hochschulabschluss sein muss (Prüfung auf https://anabin.kmk.org/anabin.html). Die Beschäftigung muss qualifikationsangemessen und mit einem Bruttojahresgehalt von mind. 52.000,00 € bzw. in sog. Mangelberufen (u.a. Ärzte, Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, IT-Fachkräfte) in Höhe von mind. 40.560,00 € vergütet sein. Zudem muss ein konkretes Arbeitsplatzangebot für ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegen. Bei einer Entsendung muss folglich ein Arbeitsvertrag mit dem deutschen Unternehmensteil nachgewiesen werden. Die Beantragung erfolgt im Inland (Blaue Karte EU) oder im Ausland (Nationales Visum), hier wiederum mit der wichtigen Ausnahme für Angehörige der privilegierten Staaten Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland und USA.

Die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausübung einer Beschäftigung kann zwar nach der Einreise beantragt werden, bedarf jedoch der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach Durchführung einer Vorrangprüfung. Dies bedeutet, dass für die Beschäftigung bevorrechtigte Arbeitnehmer nicht zur Verfügung stehen, d.h. Deutsche, Staatsangehörige von EU- und EWR- Mitgliedsstaaten, Schweizer Bürger und Drittstaatsangehörige mit uneingeschränktem Arbeitsmarktzugang. Diese Prüfung kann recht zeitintensiv sein und ein negativer Ausgang ist keineswegs ausgeschlossen. Für Angestellte mit Prokura bedarf es keiner Zustimmung der BA, und in manchen Fällen wiederum entfällt lediglich das Erfordernis der Durchführung der Vorrangprüfung, z.B. für (leitende) Angestellte, die zur Ausübung ihrer qualifizierten Beschäftigung über unternehmensspezifische Spezialkenntnisse verfügen. Schließlich erfolgt auch eine Prüfung der Arbeitsbedingungen, denn der Ausländer darf zur Vermeidung von Lohndumping nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt werden. Gerade solche Ausnahmen und Rückausnahmen machen die Anwendung in der Praxis häufig schwierig und führen zu ermessensausübungsbedingten Einzelfallentscheidungen, die weder im Hinblick auf die Dauer des Antragsverfahrens noch dessen Ausgang stets vorhersehbar sind.

ICT-Karte und Mobile-ICT-Karte als neue Aufenthaltstitel seit 2017

Neu dazugekommen sind nun zum 01.08.2017 mit der ICT-Karte und der Mobilen-ICT-Karte nach §§ 19b und 19d AufenthG zwei neue Aufenthaltstitel, die häufig die Entsendungssituation (den sog. Intra-Corporate-Transfer oder auch „ICT“) genau abbilden dürften. Mit ihnen sind längerfristige, unternehmensinterne Transfers von Arbeitnehmern und Trainees möglich (90 Tage bis 3 Jahre Dauer, Trainees max. ein Jahr). ICT meint dabei die vorübergehende Entsendung von Arbeitnehmern solcher Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU in eine Niederlassung dieses Unternehmens oder derselben Unternehmensgruppe innerhalb der EU.

ICT-Karte und die Mobile-ICT-Karte für Führungskräfte, Spezialisten, Trainees

Die Neuregelungen zur ICT-Karte und zur Mobilen-ICT-Karte sind für den vereinfachten Transfer von Führungskräften und Spezialisten gedacht:

  •    Führungskraft ist eine in einer Schlüsselposition beschäftigte Person, die in erster Linie die aufnehmende Niederlassung leitet und die hauptsächlich unter der allgemeinen Aufsicht des Leitungsorgans oder der Anteilseigner oder gleichwertiger Personen steht oder von ihnen allgemeine Weisungen erhält. Diese Position schließt die Leitung der aufnehmenden Niederlassung oder einer Abteilung oder Unterabteilung der aufnehmenden Niederlassung, die Überwachung und Kontrolle der Arbeit des sonstigen aufsichtführenden Personals und der Fach- und Führungskräfte sowie die Befugnis zur Empfehlung einer Anstellung, Entlassung oder sonstigen personellen Maßnahme ein.
  •    Spezialist ist, wer über unerlässliche Spezialkenntnisse über die Tätigkeitsbereiche, die Verfahren oder die Verwaltung der aufnehmenden Niederlassung, ein hohes Qualifikationsniveau sowie angemessene Berufserfahrung verfügt.

Aber auch Trainees werden erfasst. Trainees verfügen über einen Hochschulabschluss, absolvieren ein Traineeprogramm, das ihrer beruflichen Entwicklung oder der Fortbildung in Bezug auf Geschäftstechniken und -methoden dient, und werden entlohnt.

Sonstige Voraussetzungen:

Führungskräfte, Spezialisten und Trainees müssen seit mind. sechs Monaten im Konzern beschäftigt sein, es muss ein Arbeitsvertrag mit der Unternehmensniederlassung bzw. eine Entsendungsvereinbarung (mind. ein Abordnungsschreiben) vorliegen und der Nachweis geführt werden, dass eine Rückkehr an einen Arbeitsplatz außerhalb der EU innerhalb dieser Unternehmensgruppe erfolgen kann. Außerdem erfolgt eine Prüfung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts, die denen vergleichbarer Arbeitnehmer des aufnehmenden Unternehmens vergleichbar sein müssen. Mangels fester Gehaltsuntergrenzen (wie für die Blaue Karte EU) wird man abwarten müssen, welche Anforderungen insbesondere dort gestellt werden, wo die Feststellung des vergleichbaren Personenkreises schwierig bis unmöglich ist.

Sofern Arbeitnehmer bereits Inhaber einer ICT-Karte eines anderen EU-Mitgliedsstaates sind, können diese mit der Mobilen ICT-Karte auch langfristig, mind. 90 Tage, innerhalb ihres Unternehmens oder ihrer Unternehmensgruppe nach Deutschland transferiert werden.

Zur Verhinderung von Missbrauch wird die ICT-Karte u.a. nicht erteilt, wenn die aufnehmende Niederlassung hauptsächlich zu dem Zweck gegründet wurde, die Einreise von unternehmensintern transferierten Arbeitnehmern zu erleichtern. Hier wird abzuwarten sein, wie diese Prüfung erfolgt; es dürfte wohl die Zahl der (dauer-)beschäftigten Arbeitnehmer ohne ICT-Karte und die konkrete, mit diesen Arbeitnehmern durchgeführte Geschäftstätigkeit abgestellt werden.

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass der Baukasten der Aufenthaltstitel mit der (Mobilen) ICT-Karte eine interessante Erweiterung erfahren hat, die zumindest dem Ansatz nach den Anforderungen der Praxis entgegenkommen dürfte.

Stefan Fischer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Stefan Fischer berät nationale und internationale Unternehmen umfassend vor allem in betriebsverfassungsrechtlichen und tarifrechtlichen Themen, etwa bei Restrukturierungs- einschließlich Integrationsmaßnahmen oder bei (Sanierungs-)Tarifverträgen, sowie bei der Verhandlung von Betriebsvereinbarungen (u.a. zur Vergütung, zur Arbeitszeit, zu IT-Einführung, Einführung neuer Arbeitsmethoden). Er ist außerdem sehr erfahren in der arbeitsgerichtlichen Prozessführung, u.a. im Zusammenhang mit Compliance-Fragen, sowie in der Gestaltung und Beendigung von Dienstverträgen von Vorständen und Geschäftsführern. Stefan Fischer ist aktives Mitglied in der International Practice Group für Global Mobility/Immigration von Ius Laboris. Er ist Mitglied der Fokusgruppe "Aufsichtsratsberatung".
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