In den allermeisten Fällen werden Vergleichsverhandlungen im Arbeitsrecht erfolgreich zum Abschluss gebracht. Aber hin und wieder kommt es vor, dass die angestrebte einvernehmliche Lösung platzt. Und dann stellt sich mit Blick auf mögliche Ausschlussfristen die Frage, ob es für eine streitige Durchsetzung von Ansprüchen möglicherweise zu spät ist.
Die Fallgestaltung
Mit einem solchen Fall hatte sich das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 262/17 [Pressemitteilung]) nunmehr zu beschäftigen und hat den Ausschlussfristen im Arbeitsrecht einen weiteren Dämpfer verpasst:
Der Arbeitnehmer war über einen Zeitraum von drei Jahren bei der Arbeitgeberin als technischer Sachbearbeiter beschäftigt. Nach seinem Arbeitsvertrag waren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend zu machen. Im Fall der Ablehnung der Ansprüche war innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung gerichtliche Klage zu erheben, ansonsten sollten die Ansprüche verfallen.
Etwa 1,5 Monate nach seinem Ausscheiden forderte der Arbeitnehmer die Abgeltung von Urlaubstagen sowie die Vergütung von Überstunden. Die Arbeitgeberin lehnte den Anspruch unverzüglich schriftlich ab, erklärte aber zugleich, sie strebe eine einvernehmliche Lösung an. In der Folgezeit führten die Parteien über die geltend gemachten Ansprüche Vergleichsgespräche. Diese wurden knapp vier Monate nach der Vertragsbeendigung erfolglos abgebrochen.
Der Arbeitnehmer erhob weitere zwei Monate später gegen seine frühere Arbeitgeberin Klage, mit der er seine Ansprüche weiterverfolgte. Die Arbeitgeberin berief sich u.a. auf den Verfall der Ansprüche.
Die Entscheidung
Während die beiden Tatsacheninstanzen die Klage unter Hinweis auf den Verfall der streitigen Ansprüche zurückwiesen, hatte die Revision des Arbeitnehmers vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass auf eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist die gesetzlichen Regelungen zur Hemmung einer Verjährungsfrist entsprechend Anwendung finden müssten.
Verlange eine arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung, dass ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zur Vermeidung seines Verfalls innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden müsse, sei die Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des § 203 Satz 1 BGB gehemmt, solange die Parteien vorgerichtliche Vergleichsverhandlungen führten.
Der Zeitraum, während dessen die Vergleichsverhandlungen andauern, werde entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet. Allerdings finde § 203 Satz 2 BGB, der bestimmt, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintritt, auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen keine entsprechende Anwendung.
Zu beachten ist dabei, dass die Entscheidung lediglich Vergleichsverhandlungen währen der zweiten (der gerichtlichen) Stufe einer Ausschlussfrist schützt. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer seine Ansprüche zunächst rechtzeitig während der ersten Stufe geltend gemacht. Während der zweiten Stufe sind sodann die Vergleichsverhandlungen aufgenommen worden, für deren Behandlung das Bundesarbeitsgericht die Interessenlage als zur Verjährungsfrist vergleichbar eingeordnet hat.
Zieht man sodann die ständige Rechtsprechung zur Hemmung von Verjährungsfristen heran, wird man nicht viel verlangen müssen, um von einer „Verhandlung“ über die streitigen Ansprüche ausgehen zu können. Hierfür genügt jede Form der Erklärung, die den Gläubiger berechtigterweise annehmen lässt, dass der Schuldner sich auf eine Diskussion über die Berechtigung des Anspruchs einlässt.
Die Rahmenbedingungen im Übrigen
Damit hat die Ausschlussfrist im Arbeitsrecht eine weitere Einschränkung erfahren. Nachdem im Zuge der Einführung der gesetzlichen AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht den Ausschlussfristen zunächst Mindestzeiträume von drei Monaten verordnet wurden, hat die Rechtsprechung eine Reihe weiterer Einschränkungen vorgenommen – hier ein kurzer Überblick:
- Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, wenn Fristen von unter drei Monaten vereinbart werden (BAG, Urteil vom 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04).
- Einseitige Ausschlussfristen zulasten des Arbeitnehmers sind unwirksam (BAG, Urteil vom 31. August 2005 – 5 AZR 545/05).
- Unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, wenn Ausschlussfrist nur an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht an die Fälligkeit eines Anspruchs anknüpft (BAG, Urteil vom 1. März 2006 – 5 AZR 511/05).
- Arbeitgeber kann sich nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm verwandten Ausschlussfrist berufen, die einer Inhaltskontrolle nach AGB-Recht nicht standhält (BAG, Urteil vom 27. Oktober 2005 – 8 AZR 3/05).
- Erhebung einer Kündigungsschutzklage wahrt die zweite Stufe einer Ausschlussfrist hinsichtlich solcher Ansprüche, deren Bestand vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängig sind (BAG 19. März 2008 – 5 AZR 429/07).
Zuletzt hatte der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB die Hürde der Ausschlussfristen noch einmal zugunsten der Arbeitnehmer herabgesetzt, als nunmehr eine rechtzeitige Geltendmachung nur noch in Textform und nicht in Schriftform gefordert werden kann. Die dargestellte Entscheidung liegt insofern voll und ganz auf der Linie, Hindernisse für den Arbeitnehmer bei der Durchsetzung seiner Ansprüche aus dem Weg zu räumen.