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Einigungsstelle

Die „schwierige“ Einigungsstelle

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Einigungsstelle

Einigungsstellen werden in der Regel thematisch betrachtet: Vergütungsregelungen, Arbeitszeitregelungen, Gesundheitsschutz oder technische Einrichtungen. Eine „schwierige“ Einigungsstelle zeichnet sich – unabhängig vom Thema – in erster Linie aber dadurch aus, dass die inhaltlichen Fragen von formalen Themen zumindest teilweise so überlagert werden, dass die Inhalte bis zum Schluss unlösbar scheinen. Der „Wald“ ist vor lauter „Bäumen“ so unsichtbar, dass die Parteien nicht einmal den Weg in die Einigungsstelle finden. Dem widmet sich der nachfolgende Beitrag. Dabei wird deutlich, dass es – themenunabhängig – immer gleiche Charakteristika „schwieriger“ Einigungsstellen gibt.

1. Wann ist eine Einigungsstelle „schwierig“?

„Schwierige“ Einigungsstellen im hier besprochenen Sinn zeichnen sich dadurch aus, dass eine Seite

  • das Regelungsbedürfnis insgesamt oder in wesentlichen Teilen infrage stellt,
  • bis zum Schluss nicht konstruktiv verhandelt und z.B. fortlaufend „sachfremde“ Themen aufwirft („Junktim-Problem“),
  • die Regelungs-Zuständigkeit der jeweils anderen Seite infrage stellt oder
  • so lange über derart viele Einzelheiten diskutiert wird, dass Außenstehende nicht mehr verstehen, worüber eigentlich wirklich gestritten wird.

Typischerweise kann man die „Schwierigkeit“ einer Einigungsstelle schlicht daran erkennen, dass das zugrundeliegende „Dokument“ (wenn es überhaupt eines gibt) mit derart verschiedenen „Farben“ bearbeitet wurde, dass gar nicht mehr erkennbar ist, wer was zum Text beigetragen hat.

In diesen Fällen hat die Einigungsstelle in erster Linie eine Ordnungsfunktion. Da häufig zugleich ein erhöhter emotionaler Aggregatszustand erreicht ist, hat die Einigungsstelle auch beruhigende Funktion.

2.  Der Weg in eine „schwierige“ Einigungsstelle

Auffällig ist, dass Teilnehmer einer Einigungsstelle im Nachhinein oft sagen, sie hätten viel zu lange betrieblich eine Lösung gesucht, oft über ein Jahr hinweg. Um den Übergang von den „freien“ in die „betreuten“ Verhandlungen zu erleichtern, bieten sich in der Praxis „Moderationsvereinbarungen“ an, die den künftigen Einigungsstellenvorsitzenden zunächst nur als Moderator an der Verhandlung teilnehmen lassen, ohne dass es gleich „formal“ wird. Bei guter Moderation wandelt sich dieses Verfahren dann erst am Ende „für Minuten“ in eine Einigungsstelle, um das Ergebnis offiziell zu dokumentieren.

Die Moderation ermöglicht beiden Seiten einen (oft notwendigen) „Neustart“ in dem Sinne, dass sie ein „geläutertes“ Ausgangsdokument vorlegen können, auf dessen Basis sie (ggf. jetzt zum ersten Mal eigentlich) weiterverhandeln wollen. Das ist gerade bei Auseinandersetzungen zwischen einer Vielzahl von Gruppen (beispielsweise bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb eines Konzern- oder Gesamtbetriebsrats) hilfreich, um die gesamte Angelegenheit zu strukturieren.

Es kann dabei auch offengelegt werden, dass man in der Moderation/Einigungsstelle „sachfremde“ Themen mitlösen will. Im Interesse einer Lösung kann dies – ohne eine Spruchkompetenz der Einigungsstelle anzuerkennen – durchaus sinnvoll sein.

Insgesamt gilt: Bei „schwierigen“ Sachverhalten den Weg so leicht wie möglich machen, um die Ordnungs- und Deeskalationsfunktion der Moderation/Einigungsstelle nutzen zu können.

3. „Schwierige“ Zuständigkeitsfragen nicht aufschieben

Zuständigkeitsfragen müssen demgegenüber gelöst werden, und zwar möglichst schnell und klar. Das kann die Zuständigkeit der verhandelnden Gremien betreffen (z.B. über die Frage der Zuständigkeit eines Gesamtbetriebsrats bei Vergütungs- und Arbeitszeitfragen), aber auch den Umfang der Spruchkompetenz der Einigungsstelle bezogen auf ein bestimmtes Thema. Insoweit empfiehlt sich ein offener Umgang mit Zuständigkeitsfragen. Selbst wenn der Einigungsstellenvorsitzende sich – möglicherweise über mehrere Sitzungen hinweg – „ziert“, die Sachentscheidung zu treffen, muss auf eine frühzeitige Klärung hingewirkt werden.

Nur wenn in der Einigungsstelle von Anfang an folgende drei Themen zwischen Parteien klar adressiert sind, macht die Einigungsstelle überhaupt Sinn:

  • Was genau ist der Regelungsgegenstand der Einigungsstelle?
  • Sind die Parteien für die Regelung des Regelungsgegenstandes zuständig?
  • Ist die Einigungsstelle für den Regelungsgegenstand auch spruchfähig?

Häufig hört man, dass Einigungsstellen überflüssigerweise über viele Sitzungen dauern. Meistens liegt es dann daran, dass die drei Ausgangsfragen nicht sorgfältig gelöst und in der Einigungsstelle klargestellt worden sind, auch im Protokoll. Dann „wabert“ die Einigungsstelle „vor sich hin“ und kommt – wenig überraschend – nie zum Ergebnis.

4. Entscheidungserheblichkeit, Entscheidungszuständigkeit und Spruch-Kompetenz

Hinsichtlich der „Spruchfähigkeit“ lohnt es sich, einen arbeitgeberseitigen Entwurf zu stellen, der sich ausschließlich auf spruchfähige Inhalte konzentriert. Es kann dann offengelegt werden, welche zusätzlichen Punkte der Arbeitgeber geregelt haben möchte, falls entsprechende Kompromisse erzielt werden. Nur wenn ein spruchfähiger Entwurf notfalls zur Abstimmung gestellt werden kann, wird die Angelegenheit wirklich auf den Punkt gebracht.

Im Übrigen lohnt es sich, folgende Unterscheidungen genau zu analysieren:

  • Entscheidungserheblichkeit,
  • Entscheidungszuständigkeit und
  • (notfalls) Spruchkompetenz

„Entscheidungserheblich“ ist alles, was aus Sicht nur einer der Parteien für eine Einigung in der Einigungsstelle erheblich ist. Das kann ein sehr weiter Kreis von Vorstellungen sein. Davon zu unterscheiden ist die „Entscheidungszuständigkeit“, da die Einigungsstelle immer nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit entscheiden kann. So kann eine Einigungsstelle mit einem Gesamtbetriebsrat, die zu „Interessenausgleich und Sozialplan“ errichtet ist, den Sozialplan in der Regel nur gemeinsam mit dem Interessenausgleich aufstellen. Auch kann eine Einigungsstelle, die mit dem Gesamtbetriebsrat zum Thema „Arbeitszeit“ errichtet ist, auf Ebene eines Gesamtbetriebsrats zwar nicht originär selbst entscheiden, dennoch aber das zugrundeliegende IT-Tool für die betrieblichen Lösungen einheitlich festlegen. Gibt es hierüber eine Einigung – und in einer modernen Arbeitswelt geht es im Wesentlichen nur um dieses Tool – werden sich unabhängig von der Spruchkompetenz der Einigungsstelle einvernehmliche Regelungen über die zugrundeliegende Arbeitszeit treffen lassen. Dass diese Regelungen ggf. eines ergänzenden Übertragungsbeschlusses seitens der örtlichen Betriebsräte bedürfen, ist dann einfacher zu erreichen, als eine Delegation vorab.

5.  Wenn es zuletzt zum „Schwur“ kommt: Der Spruch der Einigungsstelle

Die Spruchkompetenz schließlich ist am Ende nur dann relevant, wenn es auch zum Spruch der Einigungsstelle kommt. Hier erleben die Parteien oft eine gewisse Überraschung. Es ist allgemein bekannt, dass eine Abstimmung der Einigungsstelle in zwei Abstimmungen aufgeteilt ist, zunächst ohne und dann mit dem Vorsitzenden. Interessant ist allerdings, dass „gewiefte“ Vorsitzende, sobald sie einen aus ihrer Sicht passenden Entwurf zur Abstimmung stellen, noch einmal „richtig“ in die Verhandlungen einsteigen. Beide Seiten müssen sich dann ständig darüber im Unklaren sein, für welche weiteren ergänzenden Passagen der Vorsitzende notfalls auch noch stimmen würde. Im Ergebnis bedeutet das, dass es einem „guten“ Vorsitzenden selbst in diese Lage (oder auch erst in dieser Lage) gelingt, die Parteien zu einer Einigung zu bewegen. Die „Ansage“ der Parteien, „dann stimmen wir halt jetzt ab“, kann so schnell zum Bumerang werden. Nur wer Entscheidungserheblichkeit, -zuständigkeit und -kompetenz sorgfältig analysiert hat, verliert dann weder Kopf noch Nerven, auch in einer „schwierigen“ Einigungsstelle.

Dr. Burkard Göpfert, LL.M.

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Partner
Burkard Göpfert berät vorwiegend in komplexen Transformations-, Integrations- und Umstruk­tu­rie­rungs­pro­jekten sowie bei der Har­mo­ni­sie­rung von Arbeits­be­din­gun­gen. Er ist Autor und (Mit)-Herausgeber zahl­rei­cher Fachbücher zu den Themen Umstruk­tu­rie­rung und Arbeitsrecht sowie Lehr­be­auf­trag­ter an der Universität Passau und leitet seit über 10 Jahren die Jahrestagung „Restrukturierung“ des Han­dels­blatts. Burkard Göpfert ist u.a. Mitherausgeber der ZIP. Er ist Mitglied der Fokusgruppen "Private Equity / M&A" und "ESG". 
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