Im heutigen Teil unserer Beitragsreihe zur agilen Transformation von Unternehmen behandeln wir die Frage: Welche Herausforderungen stellen sich auf dem Weg von der Alt- in die Neuorganisation mit Blick auf die stellenbezogenen Veränderungen?
Der Wechsel von der Alt- zur Neuorganisation
Wer sich den Prozess des „Umklappens“ einer Organisation von alt auf neu als simples Übereinanderhalten von Org-Charts vorstellt, macht es sich zu einfach. Es mag durchaus Bereiche geben mag, in denen ein Vorher-Nachher-Vergleich große Ähnlichkeiten zeigt: zum Beispiel in IT-Einheiten, die schon heute breitflächig mit SCRUM und in Projektarbeitsformen arbeiten.
In allen anderen Bereichen aber verschieben sich klassischerweise sowohl Aufgabeninhalte als auch Verantwortlichkeiten und Berichtswege. Das ist schon im Normalfall kein einfaches Brot, aber erst recht herausfordernd, wenn das zu transformierende Unternehmen in einer länderübergreifenden Konzernmatrix eingebunden ist.
Das – durchaus legitime – Interesse des Arbeitgebers ist klar: die bestmögliche Mannschaft soll in der Zielorganisation an den Start gehen, d.h. die richtigen Personen mit den idealtypischen Fähigkeiten müssen im Ziel am „richtigen“ Ort sitzen.
Der ideale Weg hierfür wird häufig in einem möglichst offenen interner Bewerbungs– und Stellenbesetzungsprozess gesehen – zu Recht, aber durchaus nicht unkompliziert mit Blick auf die Anforderungen des § 1 KSchG, die insbesondere von Betriebsratsseite betont werden. Hier kommt es darauf an, dass die Betriebsparteien pragmatische und gut „lebbare“ Lösungen entwickeln, ohne den Blick für die Risiken zu verlieren.
Überführung von Stellen – eine Typisierung
Bei der Überführung von Stellen von Alt- auf Neuorganisation bietet es sich an, wie folgt zu differenzieren:
- Stellen, die 1:1 unverändert bleiben (ggf. unwesentliche Änderungen der Tätigkeitsinhalten, bloße Titeländerungen/Bezeichnungsänderungen),
- Stellen mit inhaltlichen Veränderungen, die aber den Wesensgehalt der Tätigkeit noch nicht berühren,
- Stellen mit so erheblichen inhaltlichen Veränderungen, dass der Wesensgehalt der Tätigkeit verändert wird,
- Stellen, die wegfallen (häufig in Form einer Veränderung der Hierarchieebenen, Veränderung der Führungsspannen Reduzierung von Berichtsebenen etc.; Ersatz dann durch neue Stellen, die für die Zielorganisation typisch sind – z.B. Agile Coaches, neue Führungskräfterollen).
Umsetzungsmöglichkeiten
Weitgehend unverändert bestehen bleibende Stellen können in der Regel schlicht organisatorisch umgehängt und die Stelleninhaber im Wege der Versetzung/Änderungskündigung mitgezogen werden, soweit erforderlich.
Die Besetzung von Stellen mit weitgehenderen Veränderungen ist komplex, liegt ihnen juristisch häufig eine Stellenstreichung und -neuschaffung zugrunde. Hier wären die Grundsätze der Sozialauswahl zu beachten: § 1 Abs. 3 KSchG schreibt vor:
(…) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; (…) In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.(…)
Diese Grundsätze gelten („umgekehrt„) auch für Angebote freier Stellen an Arbeitnehmer, für die ein Beschäftigungsbedarf entfallen ist, vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung.
Das heißt: Nach der „reinen Lehre“ müsste der Arbeitgeber in der Rangfolge der sozialen Schutzwürdigkeit solchen Mitarbeitern freie (und frei werdende/neu geschaffene) Stellen anbieten, was dazu führen kann, dass eben nicht der Idealkandidat auf einer Schlüsselposition landet, sondern ein anderer, schutzwürdigerer Arbeitnehmer.
Die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens kann dies erheblich beeinträchtigen. Der Arbeitgeber kann diese Ergebnisse der Sozialauswahl durch die Herausnahme von Leistungsträgern begegnen (sofern begründbar) und/oder mit Altersgruppen arbeiten.
Praktisch relevanter ist aber die Schaffung interner Bewerbungsverfahren in Abstimmung mit dem Betriebsrat jedenfalls dort, wo Führungs- und Schlüsselpositionen betroffen sind, und deren einvernehmliche Besetzung im Vorfeld nachgelagerter Trennungsprozesse. Für eine halbwegs rechtssichere Umsetzung muss jedoch eine Vielzahl von Faktoren austariert werden (z.B. erforderliches Know-How, Verhältnis zu internen Stellenabbauten, Kommunikation gegenüber den Mitarbeitern, Attraktivität von Trennungslösungen).
Auswahlkriterien
Besondere Aufmerksamkeit ist sodann auf die für solche Besetzungsverfahren geltenden Auswahlkriterien zu richten. Sofern der Arbeitgeber freie oder neu geschaffene Stellen in der agilen Organisation mit Besetzungsverfahren füllen möchte, erfolgt die Auswahl der Mitarbeiter für die Zielorganisation häufig anhand juristisch kaum fassbarer Kriterien („passendes Mindset“ für die neue Arbeitswelt).
Hier wird der gut beratene Arbeitgeber das fehlende „Mindset“ auch immer mit objektiv messbaren Kenntnissen und Fertigkeiten hinterlegen, um nicht zu riskieren, dass fehlerhafte Besetzungsentscheidungen getroffen werden.