Häufig sehen sich Arbeitgeber mit dem Problem konfrontiert, dass Arbeitnehmer infolge häufiger Neu- bzw. fortwährender Folgeerkrankungen mehrere Monate, zum Teil sogar über ein Jahr arbeitsunfähig erkrankt sind. Gerade in der derzeitigen Urlaubszeit sind solche Arbeitsausfälle nur schwer auf andere Arbeitnehmer im Betrieb oder Unternehmen zu verteilen. Vor allem in kleineren Unternehmen ist es kaum möglich, die fehlende Arbeitskraft innerhalb der betrieblichen Organisation zu kompensieren. Eine Folge: Die Arbeit bleibt liegen, was nicht selten zu finanziellen Verlusten führt. Eine mögliche Lösung: Personenbedingte Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers wegen krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit. Voraussetzung für eine solche wirksame Kündigung ist es jedoch, zuvor alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Arbeitsfähigkeit durch betriebliche Anpassungen oder Änderungen wiederherzustellen und so den Arbeitsplatz zu erhalten. Zur Ermittlung angemessener Maßnahmen sollte unbedingt ein betriebliches Eingliederungsmanagement (nachfolgend kurz: BEM) durchgeführt werden. Nach der Rechtsprechung des BAG kann eine Kündigung (theoretisch) auch ohne vorherige Durchführung eines BEM wirksam sein, allerdings obliegt es dann dem Arbeitgeber hinreichend darzulegen und zu beweisen, dass ein BEM nutzlos gewesen wäre (BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 2 AZR 565/14; BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13 und bereits BAG, Urteil vom 12.07.2007 – 2 AZR 716/06: BEM als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes BAGE 123, 234 = NZA 2008, 173). Zum Erfordernis eines BEM und zu dessen richtiger Umsetzung siehe auch die Beiträge „Kündigung bei Krankheit: BEM richtig umsetzen“ und „Durchführung des BEM – nicht ohne meinen Anwalt?“. Doch welche konkreten Fragen und Themen sollten im Rahmen des BEM-Gespräches erörtert werden und welche Pflichten folgen daraus für den Arbeitgeber?
Ziel des BEM-Gespräches
Wie § 167 Absatz 2 Satz 1 SGB IX (seit 01.01.2018; zuvor: § 84 Absatz 2 SGB IX a.F.) ausdrücklich vorgibt, soll mit dem BEM geklärt werden, „wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann“. Konkrete Vorgaben, wie ein BEM-Gespräch ablaufen muss und welche Maßnahmen zu erörtern sind, enthält das Gesetz nicht. Das Gespräch sollte aber in jedem Fall gut vorbereitet und strukturiert sein. Es empfiehlt sich, ein Protokoll über den Inhalt und die Ergebnisse des BEM-Gespräches zu führen, welches alle erörterten Maßnahmen und etwaige Ablehnungsründe – ob vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer selbst vorgebracht – dokumentiert. Denn in einem möglichen späteren Kündigungsschutzprozess ist der Arbeitgeber gehalten darzulegen, dass keine milderen Maßnahmen in Betracht kommen. Das BEM verlangt hierbei nicht, dass allein der Arbeitgeber bestimmte Vorschläge unterbreitet. Vielmehr ist jeder Teilnehmer des BEM (neben Arbeitgeber und Arbeitnehmer ggf. mit Zustimmung des Arbeitnehmers auch Betriebsrat, Betriebs-/Werksarzt, Integrationsamt, Sicherheitsfachkräfte, Rehabilitationsträger etc.) gehalten, wesentliche Aspekte in das Gespräch mit einzubringen und Lösungsmöglichkeiten zu eröffnen, die konstruktiv und sachlich zu erörtern sind. In der Regel werden die folgenden Maßnahmen im Rahmen des BEM besprochen, wobei je nach konkretem Einzelfall nur die eine oder die andere Maßnahme in Betracht kommt; die nachfolgende Auflistung ist insoweit nicht abschließend:
- Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens,
- Technische oder organisatorische Umgestaltung des derzeitigen Arbeitsplatzes,
- Weiterbeschäftigung zu anderen Arbeitsbedingungen, insbesondere eine Arbeitszeitreduzierung,
- Qualifizierungsmaßnahmen,
- Versetzung auf einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz,
- Betreuung durch den Integrationsfachdienst bei schwerbehinderten Menschen oder
- stufenweise Wiedereingliederung gem. § 74 SGB V, 44 SGB IX (siehe hierzu auch den Beitrag „Wiedereingliederungsverlangen von Arbeitnehmern“)
Sollte der Arbeitnehmer nicht eindeutig seine Einwilligung zu einer erörterten Maßnahme erteilen, erscheint es ratsam, ihm eine Frist zu setzen, um klare Verhältnisse zu schaffen. Hierbei sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch auf eine mögliche Kündigung als Folge seiner Weigerung hinweisen.
Umsetzungspflichten des Arbeitgebers
Hat ein BEM-Gespräch stattgefunden und haben sich die Teilnehmer des BEM auf eine Maßnahme verständigt, so ist der Arbeitgeber grundsätzlich dazu verpflichtet, diese auch umzusetzen. Zuvor darf er keine Kündigung aussprechen. Andernfalls wäre der Sinn und Zweck des BEM, Möglichkeiten zur Erhaltung der Beschäftigung zu ermitteln, nicht erreicht. Dies hat erst vor kurzem auch das LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 11.04.2018 – 6 Sa 361/17) für eine vom Betriebsarzt ausgesprochene Empfehlung über den zukünftigen, leidensgerechten Einsatz einer über mehrere Jahre hinweg aufgrund häufiger Kurzzeiterkrankungen arbeitsunfähigen Kassiererin, geurteilt. Damit liegt das LAG auf der Linie der Rechtsprechung des BAG, wonach der Arbeitgeber, sobald das BEM zu einem positiven Ergebnis geführt hat, grundsätzlich verpflichtet ist, die betreffende Empfehlung umzusetzen. Tut er dies nicht, ist er verpflichtet, detailliert nachzuweisen, warum die Maßnahme trotz der Empfehlung undurchführbar oder aber nicht zu Vermeidung weiterer Arbeitsunfähigkeitszeiten geeignet war (BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 400/08), was – wie das Urteil des LAG Schleswig-Holstein zeigt – oft nicht gelingt.
Fazit
Welche Maßnahmen im Rahmen des BEM-Gespräches zu erörtern und anschließend umzusetzen sind, ist stets von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der derzeitigen Tätigkeit des Arbeitnehmers, dem Geschäftsfeld des Arbeitgebers, der betrieblichen Organisation und – soweit bekannt – dem Gegenstand und dem Grund der Erkrankung des Arbeitnehmers, abhängig. Nicht selten haben Krankheiten neben betrieblichen Gründen auch private Ursachen, so dass – insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmend verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit – auch die Erarbeitung eines umfassenden Konzeptes zur Änderung auch der privaten Lebensweise erforderlich sein kann.
Wichtig zu wissen ist, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, jeden Vorschlag des Arbeitnehmers auch zwingend umzusetzen. Welche Maßnahmen ihm zuzumuten sind und welche er verweigern kann, ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Nur, wenn sich die Teilnehmer des BEM bereits auf eine Maßnahme geeinigt haben, sollte diese auch umgesetzt werden.