Die Abgrenzung zwischen freien Mitarbeitern und Arbeitnehmern ist ein Dauerbrenner. In der Theorie sind die maßgeblichen Kriterien zwar häufig bekannt, im Einzelfall entscheiden aber meist nur Kleinigkeiten über Selbständigkeit und abhängige Beschäftigung. Wird der Arbeitnehmerstatus rückwirkend festgestellt, stellt sich die Frage nach der Rückabwicklung des vermeintlichen freien Dienstverhältnisses. Der Arbeitgeber sieht sich i. d. R. mit Ansprüchen der Sozialversicherungsträger konfrontiert und wird sodann seinerseits prüfen, ob eine Regressmöglichkeit beim Arbeitnehmer besteht – schließlich lag das an den „freien Mitarbeiter“ gezahlte Honorar häufig deutlich über dem Gehalt, das ein fest angestellter Arbeitnehmer erhalten hätte. Doch unter welchen Voraussetzungen ist eine solche Rückforderung beim Arbeitnehmer möglich?
Rechtsfolgen der nachträglichen Feststellung der Scheinselbständigkeit auf Arbeitgeberseite
Stellt sich heraus, dass ein vermeintlicher „freie Mitarbeiter“ tatsächlich Arbeitnehmer war, hat dies erhebliche Konsequenzen für den vermeintlichen Auftraggeber:
- In arbeitsrechtlicher Hinsicht ist das Dienstverhältnis von Beginn an in vollem Umfang wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln. Sämtliche arbeitsrechtlichen Schutzgesetze finden Anwendung (Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub, Kündigungsschutz, Mutterschutz, etc.), ebenso wie ggf. einschlägige Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.
- Sozialversicherungsrechtlich haftet der Arbeitgeber rückwirkend für die Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile, ggf. zzgl. Säumniszuschläge). Dies betrifft in der Regel die zurückliegenden vier Jahre, bei vorsätzlichem Verhalten sogar einen Zeitraum von 30 Jahren. Hierin liegt oftmals das wesentliche wirtschaftliche Risiko auf Arbeitgeberseite.
- Steuerrechtlich kann der Arbeitgeber neben dem Arbeitnehmer rückwirkend für die abzuführende Lohnsteuer haften. Die vom vermeintlich Selbständigen gezahlte Einkommenssteuer ist grundsätzlich auf die Lohnsteuer anzurechnen
- Darüber hinaus steht unter Umständen die Strafbarkeit wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge (§ 266a StGB) im Raum.
Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers?
Doch nicht nur auf Arbeitgeberseite drohen Konsequenzen: Die nachträgliche Behandlung des Beschäftigungsverhältnisses als Arbeitsverhältnis kann auch für Arbeitnehmer empfindliche Folgen haben. Um zumindest den wirtschaftlichen Schaden so gering als möglich zu halten, sollte der Arbeitgeber prüfen, ob ihm seinerseits ein Rückforderungsanspruch gegen den Arbeitnehmer zusteht.
Der Arbeitnehmer wird in der Regel längerfristig von der rückwirkende Abführung der Beiträge zur Rentenversicherung profitieren. Im Hinblick auf die Sozialversicherungsbeiträge ist ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers jedoch auf den Arbeitnehmeranteils beschränkt. Der Anspruch kann gemäß § 28g SGB IV durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden, allerdings grundsätzlich nur mit den drei nächsten Gehaltszahlungen nach Feststellung der Sozialversicherungspflicht. Ist das Arbeitsverhältnis bereits beendet, scheidet eine Erstattung aus.
In Betracht kommt jedoch die Rückforderung überzahlter Gehälter. Im Regelfall wird der Arbeitgeber dem „freien Mitarbeiter“ ein höheres Honorar gezahlt haben als einem vergleichbaren Festangestellten. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber die Differenz zwischen dem Arbeitnehmerbruttogehalt und dem gezahlten Honorar ggf. zurückfordern.
Mit den hohen Voraussetzungen eines solchen Rückzahlungsanspruchs hatte sich zuletzt das LAG Baden Württemberg (LAG Baden Württemberg vom 30. Oktober 2017 – 11 Sa 66/16) zu beschäftigen. Nach der Rechtsprechung setzt ein Rückzahlungsanspruch voraus, dass bei dem Arbeitgeber unterschiedliche Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und für Arbeitnehmer gelten. Dies ist etwa im öffentlichen Dienst der Fall, in denen sich die Vergütung nach den Tarifverträgen für freie Mitarbeiter bzw. für Tätigkeiten in einem Arbeitsverhältnis nach den Gehaltstarifverträgen richtet.
Liegt hingegen weder eine auf das konkrete Arbeitsverhältnis anwendbarer Gehaltstarifvertrag bzw. eine Vergütungssystem im Unternehmen noch eine definierte Vergütungsordnung für freie Mitarbeiter vor, kommt ein Rückforderungsanspruch nicht in Betracht. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast, dass für die konkreten Tätigkeiten des Scheinselbständigen unterschiedliche Vergütungsordnungen gelten, welche danach differenzieren, ob die Tätigkeiten durch freie Mitarbeiter oder durch Arbeitnehmer ausgeführt werden.
In dem vom LAG Baden-Württemberg entschiedenen Fall fehlte es an solchen Vergütungsordnungen. Das Gericht wies die Klage des Arbeitgebers daher ab. Das LAG Baden-Württemberg hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache jedoch die Revision zum BAG zugelassen. Die Revision ist unter dem Aktenzeichen 5 AZR 178/18 anhängig.
In Anbetracht der Argumentation der Richter, die sich sehr stark an der bisherigen Rechtsprechung des BAG orientiert, ist zu erwarten, dass das BAG die Auffassung des LAG bestätigen und die Revision zurückweisen wird.