Das Entgelttransparenzgesetz („EntgTranspG“) war eines der heißesten Themen zum Jahreswechsel. Verursachte es noch vor wenigen Monaten Aufregung bei Personalchefs und Begeisterung bei Betriebsräten, lautet nun aber die ernüchternde Erkenntnis: Kaum ein Beschäftigter nutzt sein Auskunftsrecht. Am „Gender-Pay-Gap“ von 21 Prozent wird das Gesetz wohl nichts ändern. Wir schauen uns die Bilanz nach acht Monaten an und geben eine Einschätzung zu Ursachen und weiteren Entwicklungen.
EntgeltTranspG – Was bisher geschah
Im Juli 2017 trat das „Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern“ in Kraft. Seit Januar 2018 ist es danach für Mitarbeiter von Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten möglich, eine individuelle Auskunft über das eigene Gehalt im Vergleich zu dem Gehalt von Kollegen des anderen Geschlechts zu verlangen, die die gleiche Tätigkeit ausüben. Was erst vielversprechend klang, entpuppte sich jedoch schnell als „zahnloser Tiger“, als „Bürokratiemonster“, „Rohrkrepierer“ – so lauteten die vernichtenden Urteile schon in der Gesetzgebungsphase. Auch wir berichteten ausführlich und auch kritisch zu den Inhalten und Auswirkungen des Gesetzes.
Schwache Bilanz: Nur wenige verlangen Auskunft
Inzwischen belegen mehrere Studien (u.a. Kienbaum, DGB, gehalt.de, Süddeutsche Zeitung) die schwache Bilanz des Gesetzes. Die Zahl der bislang gestellten Gehaltsanfragen liegt in den befragten Unternehmen zwischen 0 und 50 – ein nur verschwindend geringer Anteil bei bis zu 100.000 Beschäftigten bei den einzelnen Befragten. Auch zu Klagen auf Gehaltsanpassung ist es bislang wohl noch nicht gekommen. Dabei sind es zwar überwiegend Frauen, die die Anfragen stellen – es sind aber in absoluten Zahlen viel zu wenige Beschäftigte, die ihre Rechte aus dem EntgeltTranspG wahrnehmen. Zu wenige jedenfalls dann, wenn man sich den eigentlichen Zweck eines neuen Gesetzes vor Augen führt: den Missstand „Entgeltungerechtigkeit“ zu bekämpfen.
Über die Gründe, warum nur wenige Beschäftigte ihre Rechte aus dem neuen Gesetz in Anspruch nehmen und eine Gehaltsauskunft verlangen, lässt sich nur spekulieren: Bei manchem mag es Angst sein, aufgrund der (nicht anonymen) Anfrage bei seinem Arbeitgeber in Ungnade zu fallen. Der Andrang bleibt sicher aber auch deshalb aus, weil eine Auskunft – selbst wenn sie „kritisch“ beantwortet wird – noch nicht automatisch zu „gleicherem“ Lohn führt. Der Beschäftigte müsste im Anschluss an die kritische Auskunft auf eigenes Risiko eine Gehaltsanpassung einklagen und gegen den Arbeitgeber ins Feld ziehen. Bedenkt man, dass eine tatsächliche Diskriminierung nur schwer nachgewiesen werden kann und es noch viele weitere Gründe für den Gender-Pay-Gap gibt, ist das ein gewagtes Unterfangen.
Geht das Gesetz am Thema vorbei?
Laut statistischem Bundesamt verdienen Frauen durchschnittlich 16,60 Euro pro Stunde, Männer bekommen 21 Euro. Das ist ein Gehaltsunterschied von 21 Prozent. Klar ist, dass eine solche Differenz nicht ausschließlich deshalb zustande kommt, weil Frauen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, also gezielt weniger Geld für dieselbe Arbeit bekommen. Das Entgelttransparenzgesetz adressiert aber nur diesen einen Grund. Gegen die vielseitigen anderen Ursachen, die zu den teilweise fest verankerten Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen führen, fehlt es bislang an wirkungsvoller Abhilfe:
- Die Berufswahl: Frauen bevorzugen statistisch gesehen immer noch eher niedriger bezahlte Berufe.
- Der Arbeitsmarkt: Die höhere Nachfrage nach männlichen Beschäftigten führt zu höheren Gehältern bei Männern im Vergleich zu Neueinstellungen von Frauen.
- Die berufliche Laufbahn: Sie ist bei Frauen häufig uneben und gezeichnet von mehr Familienauszeiten, verringerter Arbeitszeit, eingeschränkter Mobilität und dem häufigeren Verzicht auf die verdiente Beförderung.
Das EntgeltTranspG „funktioniert“ also deshalb nicht, weil es ausschließlich eine vermeintliche Diskriminierung adressiert, alle anderen Ursachen aber außer Acht lässt. Zwar hat das Gesetz es geschafft, dass der Begriff „Gender-Pay-Gap“ gesellschaftspolitisch noch stärker in den Fokus gerückt ist. Um den „Gender-Pay-Gap“ wirklich zu verkleinern, ist aber mehr zu tun.
Ausblick
Das EntgeltTanspG hat nur den – nicht unbedingt überzeugenden – Anfang gemacht. Die weitere Erwartungshaltung gilt nur teilweise dem Gesetzgeber, denn die Aufgaben können verteilt werden: Es liegt am Gesetzgeber, Frauen und Männer im Berufsleben zu stärken ohne sie bei der Familienplanung einzuschränken. Es liegt an den Arbeitgebern, sich bei der Frauenförderung nicht nur auf Lippenbekenntnisse zu beschränken, sondern zügig ein ausgewogenes Geschlechterbild auf allen Ebenen zu schaffen. Und es liegt schließlich auch an der Gesellschaft, mit alten Rollenverständnissen und anerzogener Ungleichheit aufzuräumen. Vielleicht ist es dann schon die nächste oder übernächste Generation Erwerbstätiger, in der Männer und Frauen gleichermaßen und gleich bezahlt auf allen Positionen vertreten sind.